Der geplante Streik der Gemeindebediensteten in Oberösterreich hätte einen Wendepunkt für die österreichische Gewerkschaftsbewegung darstellen können. Doch im letzten Augenblick wurde der Streik von oben abgedreht. Einen Vorschlag, wie man darauf reagieren sollte, bietet der folgende Text, der von uns nun im AKh Linz in der Belegschaft sowie im Vertrauenspersonenausschuss zur Diskussion gestellt wird.
Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Wir sind alle tief erschüttert vom Verhalten unseres Gewerkschaftsvorsitzenden Norbert Haudum. Ohne dass ein erweiterter Landesvorstand zusammengetreten wäre, hat Haudum den Streik nach eigenem Gutdünken ausgesetzt. Er beruft sich dabei auf einen Rundruf, den er angeblich am Dienstag gemacht habe. Ein Rundruf kann erstens eine Diskussion nicht ersetzen, da keine Argumente ausgetauscht werden können. Zweitens ist es wenig wahrscheinlich, dass die über 60 Mitglieder des erweiterten Landesvorstands innerhalb weniger Stunden wirklich telefonisch erreicht wurden. Gerade weil wir befürchten mussten, dass Haudum bei der ersten Gelegenheit den Streik abblasen würde, hatte das AKh im GdG-Vorstand Ende Jänner durchgesetzt, dass der kurz zuvor bereits abgesagte Kampf wieder aufgenommen wurde und nur ein erweiterter Landesvorstand über eine Aussetzung des Streiks entscheiden darf.
Die Streikvorbereitung hat uns alle stark beansprucht und hat uns in manchmal unangenehme Situationen gebracht. Landeshauptmann Pühringer geht gestärkt aus dieser Kraftprobe hervor; ohne irgendein tatsächliches Zugeständnis hat er es geschafft, der Bewegung den Schwung zu nehmen. Der Kampf ist aber noch nicht verloren. Der Streik wurde nur ausgesetzt; am 16. April will Pühringer ein Angebot vorlegen. Bis dahin müssen wir genügend Druck aufbauen, damit wir nicht noch einmal über den Tisch gezogen werden. Als erstes muss das AKh einen erweiterten Landesvorstand der GdG einfordern, um ein Bild davon zu bekommen, wie die Mehrheiten wirklich gelegen wären. Das Verhalten von Haudum muss scharf verurteilt werden. Wir müssen eine Resolution einbringen, die eine verbindliche Urabstimmung über das Angebot, das uns Pühringer vorlegen will, verlangt. Wir müssen ankündigen, dass wir in jedem Fall eine Abstimmung im AKh durchführen werden – und sei es nur, um den Kolleginnen und Kollegen in anderen Bereichen vorzuleben, wie wir uns eine demokratische Gewerkschaftskultur vorstellen.
In den knapp drei Wochen bis zum 16. April müssen wir Teams in die anderen von der Lohnkürzung betroffenen Bereiche schicken, um den Kolleginnen und Kollegen das Mittel der Urabstimmung näher zu bringen. Wir haben guten Grund anzunehmen, dass in anderen Betrieben die gleiche Enttäuschung und Wut vorherrscht wie bei uns.
Es ist zu erwarten, dass das „ordentliche Angebot“ des Landeshauptmanns ein Hohn sein wird. Selbst wenn beispielsweise die Kürzungen nur halb so groß ausfallen sollten – Pühringer hätte sich mit dem grundsätzlichen Kurs, dass die einfachen Arbeitnehmer für die Krise des Systems aufkommen müssen, durchgesetzt. Wir würden geschwächt ins nächste Jahr gehen, für das uns von der Bundesregierung bereits eine Nulllohnrunde in Aussicht gestellt wurde.
Wenn die Urabstimmung gegen die Annahme des Angebots ausgehen sollte, was wahrscheinlich ist, ginge der Kampf in die nächste Runde. Für die Vorbereitung eines etwaigen Streiks müssen wir aus den Erfahrungen der vergangenen Wochen lernen. Es war ein Fehler, die Geschäftsführung als Verbündete zu sehen und einzelnen Primaren im Voraus zu viel Flexibilität zu signalisieren. Alle Schritte müssen auf Stations- oder Betriebsversammlungen diskutiert und beschlossen werden.
Wir sollten versuchen, das Ruder noch einmal herumzureißen. Vielleicht gelingt es uns, vielleicht nicht. Fest steht jedoch, dass uns nach der Spitalsreform und der Mindervalorisierung die nächsten Angriffe ins Haus stehen und wir eine Gewerkschaftsführung brauchen, der wir vertrauen können. Deshalb müssen wir die Initiative für eine außerordentliche Konferenz der GdG Oberösterreich ergreifen, um Haudum und seinen Kurs abzuwählen. Das größte Geschenk, das wir Haudum machen könnten, ist aus der Gewerkschaft auszutreten, sodass er weiterhin tun und lassen kann, was er möchte. Darum müssen wir jetzt Nägel mit Köpfen machen und eine Oppositionsbewegung in der GdG aufbauen.
Martin Wieland
Mitglied des VPA am AKh Linz
28. März 2012