Wir führten ein Interview mit Daniela Holzinger, Spitzenkandidatin der SPÖ im Bezirk Vöcklabruck, die für einen linken Kurs der Sozialdemokratie steht.

Funke: Du kandidierst als jüngste Spitzenkandidatin Österreichs im Bezirk Vöcklabruck für den Nationalrat. Für welche Themen wirst du als Nationalratsabgeordnete stehen?

Einer der Gründe, warum ich mich um den ersten Listenplatz beworben habe ist, weil ich sozialdemokratische Politik mit Rückgrat nicht nur fordern, sondern selbst umsetzen will. Um dieses Ziel erreichen zu können, werden mir die Grundwerte unserer Bewegung als Leitlinien dienen. Freiheit, Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität dürfen keine leeren Worthülsen zur Auffettung von Parteitags- und Festreden sein, sie müssen im Fokus unserer Arbeit stehen. Orientiert man sich an diesen, nicht nur für die Sozialdemokratie sondern für jede funktionierende Gesellschaft zentralen Bausteinen, wird gute Politik über alle Themen hinweg das Ergebnis sein.
Den Schwerpunkt meiner Arbeit werde ich jedoch in den Bereichen sozialer - und Steuergerechtigkeit sowie politische Partizipation setzen. So lassen die immer weiter aufgehende Schere zwischen Arm und Reich, der zunehmende Vertrauensverlust der Menschen in unser demokratisches System und der ungebrochene Führungsanspruch, eigentlich desaströs gescheiterter neoliberaler Ideologien, die Zukunftschancen von Millionen junger Menschen, in Österreich, vor allem aber in Europa jeden Tag schrumpfen. Ich will diesen Kampf aufnehmen und eine Lobby für jene sein, die sonst keine haben!

Du hast dich in einer Urabstimmung im Bezirk Vöcklabruck mit 87% der Stimmen durchgesetzt, nachdem dir zuerst Gegenwind entgegen geblasen ist. Wie ist es dir gelungen, die Parteibasis von dir zu überzeugen und wie wirst du sicherstellen, dass du ihre Interessen auch im Nationalrat vertrittst?

Die für die Sozialdemokratie wichtigste Aufgabe ist es, als Partei wieder zu einer breiten Bewegung, zu einem kreativen Netzwerk der verschiedensten Teilorganisationen zu werden, in dem es einen intensiven Austausch über inhaltliche Standpunkte gibt, welche dann im weiteren Schritt mit Rückrat vertreten werden müssen, um unsere Glaubwürdigkeit als ArbeitnehmerInnenvertretung wieder zu stärken. Es hat keinen Sinn, wenn wir gemeinsam mit der Basis Standpunkte erarbeiten, diese jedoch dann beim ersten „konservativen Hauch“ fallen lassen und uns dem Kapital beugen. Es schädigt unseren Anspruch als „Volksvertretung“ zudem erheblich, wenn Funktionäre, egal ob auf Gemeinde-, Landes- oder Bundesebene, vorne weggehen und die Basis und Bevölkerung nicht nachkommt. Dies führt nicht nur zu einer Entfernung der Politik vom Bürger, sondern weiters zu einem anwachsendem Desinteresse am Politischen.
Genau diese „Bürger-/Basisnähe“ ist es auch, die mir den großartigen Erfolg und das breite Vertrauen bei der Wahl eingebracht hat. Da die Mitglieder im Bezirk jene Menschen sind, denen ich mit meiner Arbeit als „Volksvertreterin“ verpflichtet sein will, habe ich mich über mehrere Monate vor der Wahl hinweg bei diesen persönlich und mit Bewerbungsunterlagen vorgestellt und mit ihnen über meine Ideen und Ziele diskutieren können - genau diese Wertschätzung, Einbeziehung in Entscheidungen und Nähe war es, die der Politik einer ArbeitnehmerInnenpartei würdig ist und auch der einzige Weg für die Sozialdemokratie sein kann.

In ganz Europa herrscht das Spardiktat. Wie wirst du dich im Nationalrat verhalten, wenn über Sparpakete im Inland bzw. Troika-„Hilfspakete“ für Länder wie Griechenland oder Zypern abgestimmt wird?

Eine Frage wie ich sie vom Funken erwartet habe (lacht). Würde ich hier mit einem klaren “Nein” zu solchen Maßnahmen antworten, wäre das jedoch ebenso falsch, wie den Kindern in Griechenland als Sparmaßnahme die Schulbücher zu kürzen. Für mich ist keine Maßnahme per se falsch oder richtig – das wäre zu einfach.
Die Krise hat in vielen Staaten und hier eben besonders in den südlichen Regionen Europas, lange verschleppte strukturelle Schwächen offenbart. Es ist daher richtig, Reformen einzufordern und es wird sich nicht vermeiden lassen, dass es dadurch zu Veränderungen und Einschnitten kommt.
Für einen Sozialdemokraten sollte jedoch klar sein, dass diese Einschnitte nicht alleine die Mittelschicht und sozial Benachteiligte treffen dürfen. Die Starken haben, besonders in Krisenzeiten für die Schwachen einzutreten und diese Solidarität müssen wir in Form von vermögensbezogenen Steuern, einer Regulierung des Banken- und Finanzmarktsektors auf deren Uraufgabe, radikalen Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung und umfassenden Sozial- und Bildungsprogrammen einfordern! Ohne deutliche Bewegungen in diesen Bereichen darf es keinerlei Zustimmung der Sozialdemokratie zu wie auch immer gearteten Sparprogrammen auf dem Rücken der breiten Bevölkerung geben.

Danke für das Gespräch.

Zur Person:
Daniela Holzinger BA, 25 Jahre, Politikwissenschafterin und Stv. Ortsparteiobfrau der 2.700 Seelengemeinde Gampern im Wahlkreis Hausruckviertel (OÖ), kandidiert als Spitzenkandidatin der SPÖ im Bezirk Vöcklabruck zum Nationalrat.


Antwort der Redaktion: Es gibt keine Alternativlosigkeit zur Sparpolitik

Genossin Holzinger geht mit einem edlen Anspruch ins Rennen um einen Sitz im Hohen Haus und steht zweifelsohne für jene Kräfte, die die SPÖ nicht nur in Wahlkampfzeiten als „Partei der Arbeit“ sehen.

Dabei wollen wir sie (und alle anderen SPÖ-KandidatInnen, die für so einen Kurs stehen) auch unterstützen, selbst wenn wir nicht alle ihre Aussagen zur Krisenpolitik unterstützen können. Genossin Holzinger meint, sie könne nicht im Vorhinein behaupten, dass sie unter allen Bedingungen gegen Sparpakete und Troika-Hilfspakete stimmen würde, weil diese nicht per se schlecht seien und weil Einschnitte unvermeidbar seien. Die Aufgabe der Sozialdemokratie sei vielmehr, den Reichen auch einen Teil der Bürde bei der Bewältigung der Krise aufzulasten.

In Wirklichkeit sind Einschnitte aber nur deswegen „unvermeidlich“, weil nur so der Reichtum einer kleinen Minderheit bewahrt werden kann (siehe den Artikel zur „Griechenland-Rettung“ auf S.10). Die angebliche „Alternativlosigkeit“ der Sparpakete gilt nur, solange die Grenzen der Profitlogik anerkannt werden. Richtig, wenn der Staat auf schonungslose Sparpakete verzichten und das Geld der Gläubiger (Banken, Hedgefonds…) nicht retten will, bedarf es zusätzlicher Maßnahmen, die dafür sorgen, dass die Wirtschaft auch dann funktioniert, wenn sie nicht auf Geheiß der Geldgeber arbeitet. Doch das ist kein Grund, wieso die momentane Sparpolitik, die in Südeuropa zu beispielloser Massenarmut führt, akzeptiert werden sollte.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis Genossin Holzinger (und andere Linke auf der SPÖ-Liste) gezwungen sein werden, sich zwischen der Unterstützung der bürgerlichen Krisenstrategie und dem Lebensstandard der Bevölkerung zu entscheiden. Dies ist spätestens dann der Fall, wenn die Krise auch in Österreich härter zuschlagen, die Arbeitslosigkeit, die jetzt schon auf dem Niveau von 2009 liegt, weiter steigen und der Spardruck im Sozial- und Gesundheitssystem noch größer wird. Die sozialdemokratische Basis wird dann damit konfrontiert sein, den Lebensunterhalt mit wesentlich weniger Lohn oder gar ohne Job bestreiten zu müssen. Und auf so eine Situation muss sich die Linke in der Arbeiterbewegung politisch vorbereiten.
Es hat sich immer wieder gezeigt, dass linke Parlamentsabgeordnete recht schnell die harte Faust des Klubzwangs zu spüren bekommen, wenn ihr Anspruch mit der tagespolitischen Linie der Parteiführung in Konflikt gerät. Dann sind prinzipiell drei Wege denkbar.

Die erste Möglichkeit ist, dass die eigenen Ansprüche aufgeweicht werden. Viele argumentieren dann etwa so: „Wir möchten die Pensionen zwar prinzipiell nicht kürzen, aber die Wirtschaft, und die ÖVP, etc. fordern das, und würden es auch alleine durchsetzen. Wenn wir in der Regierung sind, können wir die Kürzungen immerhin noch dämpfen.“

Diese Logik hieße: Es gibt keine Alternative zur herrschenden Politik, so lange es keine sozialdemokratische Mehrheit gibt. Es wird aber auch auf absehbare Zeit keine sozialdemokratische Mehrheit geben, da die Partei sich ja in der Regierung diskreditieren muss, um die schlimmsten Spitzen der Kürzungen abzufangen. Während der Reformismus früher die Einführung des Sozialismus auf den Sanktnimmerleinstag legte, zwingt die kapitalistische Krise ihn also jetzt dazu, Reformen, ja sogar das Ende von Verschlechterungen, auf eben jenen zu verschieben. Diese Logik ist eine Sackgasse, die - wie in Griechenland mit der PASOK gesehen - in der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit enden muss.

Zweitens, der/die ParlamentarierIn wird binnen Stunden von der Parteispitze abgesägt. So geschehen ist das vor einigen Jahren zum Beispiel mit dem Menschenrechtssprecher der SPÖ, Walter Posch, der die Zustimmung der SPÖ zum Fremdenrechtspaket der schwarz-blauen Regierung nicht mittragen konnte und seine Enthaltung ankündigte. Kanzler Gusenbauer ging daraufhin in die ZiB und argumentierte, dass wenn die Menschenrechtsposition der SPÖ laut Posch so schlecht sei, dies in erster Linie ein Versagen von Posch selbst wäre. Bei der nächsten Gelegenheit wurde sein NR-Platz an einen gewissen Köfer übergeben, der mittlerweile durch seinen Ausverkauf an das Team Stronach traurige Berühmtheit erlangt hat. Wir schließen: Wer konsequent linke Politik machen will, hat es ganz oben in der Partei sehr schwer, zu seinen Prinzipien zu stehen. Wenn es hart auf hart kommt, kennt die Bürokratie sehr viele Mittel, Leute zu biegen, zu brechen oder auszusortieren.

Die dritte Möglichkeit (das wäre unsere bevorzugte Variante): Man geht nur in die Funktion, wenn man sozialen Rückhalt hat, und mobilisiert im Falle einer Konfrontation mit den Rechten in der Partei die Basis, die einen stützen und kontrollieren kann. Statt des Klubzwangs, der in der derzeitigen Kräftekonstellation bedeutet, dass die Sozialdemokratie strukturell den Interessen des Bürgertums untergeordnet wird, gilt dann der Zwang, nichts zu machen, womit die Basis nicht kann.

Wir für unseren Teil werden alle sozialdemokratischen Abgeordneten, die sich gegen Kürzungen bei ArbeiterInnen, der Jugend und PensionistInnen stellen, auch wenn sie sich damit gegen die Linie der Parteispitze stellen müssen, mit voller Kraft unterstützen. Letztendlich ist dies aus unserer Sicht nur möglich, indem man ein für alle mal mit den Bürgerlichen und dem Kapitalismus bricht. Wer dazu nicht bereit ist, wird in Widerspruch zu den Interessen der Lohnabhängigen stehen. Die Verteidigung des Lebensstandards der Lohnabhängigen muss auch unter den Bedingungen der Krise die ureigenste Aufgabe aller sozialdemokratischen Abgeordneten sein.


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