Vor 120 Jahren organisierten sich erstmals junge Arbeiter. Seither standen JungsozialistInnen in allen wichtigen sozialen Kämpfen an vorderster Stelle. Gernot Trausmuth über das Erbe der sozialistischen Jugendbewegung.
Wissensdurst und der unbändige Willen, sozialer Ungerechtigkeit, Ausbeutung und Unterdrückung ein Ende zu setzen, standen am Beginn der sozialistischen Jugendbewegung. Leopold Winarsky, der im November 1894 die Organisierung der “jungen Garde des Proletariats” mit der Gründung des VJA (Verein jugendlicher Arbeiter) vorantrieb, war selbst ein junger Arbeiter “mit Migrationshintergrund” aus ärmlichen Verhältnissen. Die Kraft, sich den herrschenden Verhältnissen entgegenzustellen, schöpfte diese erste Generation aus den Ideen, die sie in den Werken sozialkritischer Schriftsteller und der marxistischen Klassiker fanden. Winarsky war es auch, der wie sein Freund Karl Liebknecht in Deutschland gegen Militarismus und Krieg die Stimme erhob. Mit Ausbruch des Großen Schlachtens im Sommer 1914 stellte jedoch nicht nur die Sozialdemokratie als Ganzes, sondern auch die Führung der Jugendorganisation den Widerstand gegen den Krieg ein.
Damals wurde zum ersten Mal deutlich, dass es in der sozialistischen Jugendbewegung zwei Flügel gab. Der eine vertrat nicht zuletzt aufgrund der materiellen Abhängigkeit vom Parteiapparat eine reformistische Linie, während eine Minderheit den revolutionären Ideen treu geblieben war. Dieser Konflikt sollte sich von 1914 bis heute wie ein roter Faden durch die Geschichte der Sozialistischen Jugend ziehen.
Im Ersten Weltkrieg führten nur einige wenige Bezirksgruppen unter den Bedingungen der Militärdiktatur die antimilitaristische Arbeit unter den ArbeiterInnen der großen Rüstungsbetriebe weiter. In Anlehnung an die Zimmerwalder Linke und die Bolschewiki, die in der Schweiz im Exil lebten und mit denen sie in Kontakt standen, vertraten sie den Standpunkt der internationalen Solidarität. Unter dem Namen “die Linksradikalen” versuchten sie 1917/18 nach dem Beispiel der russischen Revolution auch in Österreich eine revolutionäre Bewegung auszulösen. Der große Jännerstreik 1918 ging maßgeblich auf ihre Tätigkeit zurück. Viele der Linksradikalen bezahlten diese Aktivität mit Haft und Entsendung an die Front. Dieses wichtige Kapitel in unserer Geschichte muss endlich wieder den Platz erhalten, der ihm gebührt.
Die Jahre nach dem Ersten Weltkrieg waren von einer revolutionären Aufbruchstimmung geprägt. Junge ArbeiterInnen und auch SchülerInnen traten nun massenweise der Sozialdemokratie bei. Sie wollten die “neuen Menschen” werden, die eines Tages den Sozialismus aufbauen würden. Mit unvorstellbaren Bildungs- und Kulturprogrammen stieg diese Generation aus den dunklen Tiefen, in denen sie vom Kapitalismus und seinen reaktionären Ideologen festgehalten worden waren, zum Lichte empor. Die sozialistische Jugendbewegung legte damals eine gewaltige Kulturleistung an den Tag. Doch es war eine Minderheit in der damaligen SAJ, die darüber hinaus die Notwendigkeit eines militanten Antifaschismus erkannte. Aus den Reihen dieser GenossInnen sollten viele derer stammen, die im Februar 1934 mit der Waffe in der Hand die Arbeiterbewegung gegen den Faschismus verteidigten und danach in der Illegalität weiter Widerstand leisteten oder gar nach Spanien gingen, um dort gegen Franco zu kämpfen. Sie waren zu allen Opfern bereit, ließen sich einsperren und nicht wenige starben später auch in den Konzentrationslagern und Gefängnissen der Nazis.
Die bitteren Erfahrungen aus den Niederlagen im Kampf gegen den Faschismus ließ in ihnen das Verständnis reifen, dass die Arbeiterbewegung sich wieder auf die Grundlage eines revolutionären Marxismus stellen müsse. Höhepunkt dieser Abrechnung mit ihrem alten Lehrmeister Otto Bauer ist wohl die Tätigkeit der Revolutionären Sozialisten und die Broschüre “Quintessenz des Austromarxismus” von Karl Czernetz aus dem Jahre 1937.
In den Jahren der Verfolgung durch die Nazis wurde dieser Traditionsstrang leider wieder verschüttet. Die Ideen dieser GenossInnen wieder bekannt zu machen, sehen wir deswegen als unsere Aufgabe.
Nach 1945 wurde der Anpassungsdruck auf die neu gegründete Sozialistische Jugend immer größer. Die Jahre des Nachkriegsbooms führten zu einem unaufhaltbaren Rechtsruck in der Arbeiterbewegung, der auch vor der SJ nicht halt machte. Genossen wie der ehemalige Trotzkist Josef Hindels leisteten zwar wichtige Arbeit bei der Verteidigung marxistischer Ideen in der Sozialdemokratie, doch der rechte Flügel schien die Geschichte mit einem boomenden Kapitalismus plötzlich auf seiner Seite zu haben. Erst die revolutionären Erschütterungen nach dem Mai 1968 lösten auch in der SJ wieder einen Linksruck aus. Ein linker Reformismus gepaart mit Verbalradikalismus in bester austromarxistischer Tradition prägt seither das Weltbild der Linken in der SJ. Egal ob Friedensbewegung, Anti-AKW-Protest, Antifa oder Bewegungen gegen Sozialabbau – die SJ spielte in allen wichtigen sozialen Kämpfen eine wichtige Rolle. Unzählige GenossInnen setzten sich in der SJ für eine bessere Welt ein. Dies macht die SJ bis zum heutigen Tag zur wichtigsten Kraft der Linken in der Sozialdemokratie. Die 120-Jahrfeiern wollen wir deswegen nutzen, um das revolutionäre Erbe der SJ ins beste Licht zu rücken.