Die Redaktion des Funke analysiert, wohin die Politik der Spitze die sozialdemokratische Partei treibt.

Werfen wir einen Blick zurück in den Sommer 2008. Werner Faymann übernahm damals eine SPÖ, die sich durch gebrochene Wahlversprechen und eine völlige politische Unterordnung unter die ÖVP in die Krise manövriert hat. Faymanns Schachzug war bemerkenswert. Er präsentierte „5 Punkte gegen die Teuerung“ und konnte mit einigen wichtigen sozialen Reformen (13. Familienbeihilfe, Abschaffung der Studiengebühren,…) bei den Nationalratswahlen noch einmal das Blatt wenden. Aber nicht sozialer Fortschritt sondern die Verwaltung der Wirtschaftskrise sollte die Politik der Regierung Faymann bestimmen.

Es gehört zum ABC bürgerlicher Politik, dass in Zeiten der Krise die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften ins Boot geholt werden, um die Kosten der Krise auf die breite Masse abwälzen zu können, ohne dass es zu großen sozialen und politischen Unruhen kommt. Keinen anderen Grund gab es für eine Neuauflage der Großen Koalition. Und die SPÖ hat ihre Aufgabe bisher gut erfüllt. Bankenrettungspaket – ja natürlich, da führt kein Weg vorbei! Kurzarbeit – ja natürlich, ist doch besser als viele Arbeitslose! Konjunkturpaket für Konzerne – ja natürlich, das kurbelt doch die Wirtschaft an!

Was die Banken und Konzerne sowie ihre politischen Sprachrohre in der Industriellenvereinigung und in den ÖVP-Ministerien (Wirtschaft, Finanzen) vorgaben, wurde untertänigst umgesetzt. Das Bemühen um das angebliche Gesamtwohl Österreichs wollte die eigene Basis in den Betrieben und ArbeiterInnenvierteln aber partout nicht gutheißen. Wahlniederlage reihte sich an Wahlniederlage. Die Bundesparteigeschäftsführung reagierte mit der üblichen Vogel-Strauß-Taktik und darauffolgender Schönfärberei.

Doch in den Sektionen, Ortsparteien, der FSG und den Vorfeldorganisationen war die Realität schmerzhaft spürbar. Und der Unmut an der Basis suchte sich Ausdrucksformen. Die SJÖ startete die „Denkfabrik“, die SPÖ OÖ begann mit der Veranstaltungsreihe „morgen.rot“ den Diskussionsprozess. Am 10. April fand das erste bundesweite Vernetzungstreffen der SPÖ-Linke mit 120 TeilnehmerInnen statt. Die SPÖ-Linke ist bisher sicher die Kraft, die am deutlichsten einen linken Kurswechsel der SPÖ einfordert.

Aber auch sonst wollte niemand einsehen, dass die ArbeitnehmerInnen nun für die Krise bezahlen sollen, während Vermögen und Kapital ungeschoren bleiben. Die gewichtigste Stimme bisher ist neben der FSG sicher jene der SPÖ OÖ, die offen die Bundespartei kritisierte und eine Politik forderte, wonach die KrisenverursacherInnen zur Kassa gebeten werden müssen.

Dem wachsenden Druck von unten hat mittlerweile auch die Bundespartei einen Ausdruck verleihen müssen. Werner Faymann gibt sich mit einer neuen Kampagne kämpferisch. Doch was steckt hinter seinem Ruf nach „Gerechtigkeit“? Herzstück dieser neuen Linie ist neben der Bankensteuer (siehe Funke Nr. 94) die Forderung nach einer EU-weiten Finanztransaktionssteuer.

Gemeinsam mit der SPD will die Bundespartei im Herbst ein europaweites Volksbegehren organisieren und so „den Spekulanten“ den Kampf ansagen. Laut einer Studie des Wifo würde bereits ein Steuersatz von nur 0,01 Prozent EU-weit rund 82 Mrd. Euro an zusätzlichem Steueraufkommen bedeuten. Außerdem sollen damit kurzfristige Spekulationen und Finanztransaktionen unattraktiver gemacht werden.

Mit solchen Maßnahmen soll das System wieder stabilisiert werden. In der Tat sehen wir heute die katastrophalen Resultate der völligen Deregulierung der Finanzmärkte, einer Politik, die übrigens auch von der Sozialdemokratie jahrelang unterstützt wurde. Die geplatzten Spekulationsblasen haben das System tatsächlich an den Abgrund geführt.

Werner Faymanns Forderungen sind durchaus unterstützenswert, auch wenn die vorgeschlagene Methode viele Zweifel aufkommen lässt, wie ernst dieser Kurswechsel gemeint ist. Ein europaweites Volksbegehren ist schön und gut. Sollte es die nötige eine Million Unterschriften erhalten, wovon wir mal ausgehen, dann sind die EU-Kommission und das EU-Parlament nur dazu angehalten, sich mit dem Anliegen auseinanderzusetzen. Gleichzeitig werden die Banken und Fonds ihre Lobbys ins Rennen schicken. Es ist höchst unwahrscheinlich, dass auf diesem recht zahnlosen Weg solche Forderungen durchgesetzt werden können.

Während Faymann einerseits „den SpekulantInnen“ den Kampf ansagt, beschließt er gleichzeitig andererseits mit der ÖVP die Eckpunkte für ein brutales Sparpaket (Kürzungen bei den Unis, Streichung der 13. Familienbeihilfe, Nulllohnrunde für den öffentlichen Dienst und für PensionistInnen, …). Soviel dazu, dass „die KrisenverursacherInnen zahlen sollen“.

Werner Faymann hätte sicher sehr gerne eine Finanztransaktionssteuer und eine Beschränkung der Gehälter der TopmanagerInnen. Die Idee, die er mit diesen Konzepten verfolgt, ist aber eine völlig falsche. Sie unterscheidet recht willkürlich in gutes, weil produktives und böses, weil spekulatives Kapital.

Hier zeigt sich, dass die SPÖ eine nur sehr mangelhafte Kapitalismustheorie hat, die die Ursache des Problems unberührt lässt. Doch selbst diese kosmetischen Reformen werden auf den erbitterten Widerstand der ÖVP und der Wirtschaft stoßen. Leise hat Kanzler Faymann angedeutet, er könne sich einen Alleingang bei der Einführung der Finanztransaktionssteuer vorstellen und erntete sofort einen Aufschrei aus der ÖVP. In einer Koalition mit der Partei des Kapitals lassen sich wichtige soziale und wirtschaftliche Reformen nicht durchsetzen.

Am Parteitag gilt es ein klares Programm zu präsentieren, wie der Staatshaushalt angesichts der Schuldenkrise saniert werden kann bzw. wer für die Krise zahlen soll. Die SPÖ Vorarlberg hat wesentliche Teile des Programms der SPÖ-Linke übernommen und wird diese als Antrag einbringen. Auch die SJÖ wird in diese Richtung Anträge stellen, nachdem es beim Antragskongress der „Denkfabrik“ den UnterstützerInnen des Funke und der SPÖ-Linke gelungen ist, die in den vorgelegten Papieren erhobenen Forderungen nach einer Erhöhung von Massensteuern und Sozialabbau zu kippen. Es ist bedauerlich, dass in der Antragsprüfungskommission zum Bundesparteitag Wolfgang Moitzi (SJÖ) und Josef Ackerl (SPÖ OÖ) in den Beratungen zum Leitantrag bei der symbolträchtigen Vermögenssteuer einem Kompromiss zustimmten, der Werner Faymann sehr viel Interpretationsspielraum gibt.

Die Beschlüsse des Parteitags werden wohl einen kleinen Fortschritt zum bisherigen Kurs darstellen. Diese müssen bindend sein und zur Linie der SPÖ im Parlament und in der Regierung werden. Neben einer Politik der Umverteilung über das Steuersystem muss es von der SPÖ eine klare Absage an jede Form von Sozialabbau geben.

Der Slogan „Fair teilen“ kann nicht heißen, dass die KrisenverursacherInnen einen symbolischen Beitrag zahlen und weitermachen wie bisher, während bei den ArbeitnehmerInnen und den sozial Schwachen tiefe Einschnitte kommen. Eine derartige Politik ist mit den Grundsätzen der SPÖ unvereinbar. Wenn Faymann diesen Weg gehen will, dann wird er in wenigen Monaten nicht nur die Krise des Kapitalismus, sondern auch die größte Krise der Partei verwalten müssen.

Wir werden alle konkreten fortschrittlichen Maßnahmen der Parteiführung unterstützen, aber genauso werden wir alle Maßnahmen entschieden bekämpfen, die gegen die ArbeiterInnenklasse gerichtet sind.

Dieser Artikel wurde vor dem Parteitag geschrieben. Ein Bericht dazu findet sich hier.


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