Ehrenamt. Aufgrund der aktuellen Flüchtlingshilfe ist die Leistung der Ehrenamtlichen wieder verstärkt im gesellschaftlichen Fokus. Eine Arbeit, die normal wenig Beachtung und noch weniger – nämlich keinen – Lohn bekommt. Von Lis Mandl.
Durch die Debatte um die Abschaffung des Präsenzdiensts ist inzwischen auch bekannt, dass viele – auch große – Vereine und Organisationen ohne die Arbeit der Ehrenamtlichen nicht mehr funktionieren würden. Was bedeutet aber diese selbstlose Hilfe für den Gesundheits- und Sozialbereich?
Ursprung sozialer Arbeit
Die Ursprünge der modernen Sozialarbeit in Deutschland und Österreich liegen in der Einführung der Armenhilfe. Diese wurde vor allem ehrenamtlich von (bürgerlichen) Frauen geleistet, die versuchten, über eine „eigens für Frauen passende“ Tätigkeit dem Mief von Kindern, Küche und Kirche zu entkommen.
Eng verbunden mit der Lehre der christlichen Nächstenliebe war die ehrenamtliche Hilfe von dem altruistischen Gedanken getragen, für die Menschen außerhalb der Gesellschaft tätig zu sein. Durch den Kontakt mit dem Elend und der Not vieler Menschen begannen sowohl die Frauenbewegung als auch später die ArbeiterInnenbewegung, politische Forderungen zu formulieren und zu erkämpfen. Eigeninitiativen und Freiwilligenarbeit hat vieles dazu beigetragen bzw. erkämpft, was heute als „Sozialstaat“ bekannt ist. Seien es medizinische Ambulatorien, soziale Vereine, Versicherungen oder auch Kultur- und Freizeitangebote. Vieles entstand abseits der staatlichen Strukturen nur durch Engagement und Eigeninitiativen. Die (ehrenamtlichen) HelferInnen haben vorgezeigt, was es braucht und wie die Unterstützung auszusehen hat. In den meisten Fällen allerdings, wo staatlichen Strukturen die Initiativen übernommen haben, wurden aber genau diese Selbstbestimmung und Mitbestimmung stark beschnitten.
Ehrenamt heute
Fast 45% der österreichischen Bevölkerung ist in irgendeiner Form ehrenamtlich tätig. Männer leisten durchschnittlich etwas mehr Ehrenamt als Frauen. Dabei sind Präsenz und Zivildienst nicht eingerechnet. Genau so wenig allerdings wie die gesamte Kinder- und Altenpflege, die vor allem von Frauen unentgeltlich geleistet wird und weshalb diese Statistik auch kritisch hinterfragt werden muss.
Ehrenamt wird als freiwillige Tätigkeit außerhalb des Haushaltes definiert. Die für Österreich klassischsten Beispiele sind die Freiwillige Feuerwehr oder die Mithilfe beim Roten Kreuz. 720 Millionen Stunden investieren die Ehrenamtlichen pro Jahr in unbezahlte Arbeit. Das entspricht der Arbeitsleistung von etwa 400.000 Vollzeitbeschäftigten und würde Jahres-Lohnkosten von mindestens 16 Milliarden Euro ausmachen.
Die Motive, ehrenamtlich tätig zu sein, sind unterschiedlich. An den ersten Stellen werden die Wünsche, etwas zurückzugeben, nicht untätig zuschauen wollen und eine sinnvolle Arbeit zu leisten, genannt.
Auch wenn die meisten sich für Kultur, Kunst und Sport engagieren, gibt es im Gesundheits- oder Sozialbereich kaum einen Verein oder Organisation, wo Ehrenamtliche nicht am Werken sind. Tatsächlich leben einige ausschließlich vom gratis Engagement der Menschen. So schön und unterstützenswert das Engagement vieler Leute auf gesellschaftlicher Ebene ist, und genau diese Arbeit oft wegweisend für die Zukunft war und ist, muss jedoch das Ausmaß der Ehrenamtlichkeit in diesem Bereich kritisch betrachtet werden.
Hier geht es weniger um Selbstbestätigung als um plumpe Ausbeutung. Es gilt eher, Erfahrungen für den Lebenslauf zu sammeln, um vielleicht doch noch eine Anstellung zu bekommen. Einerseits werden qualifizierte Menschen mit Jobaussichten geködert, damit sie gratis ihre Fähigkeiten zur Verfügung zu stellen, andererseits werden aber auch Tätigkeiten an Ehrenamtliche ausgelagert, die nicht die nötige Ausbildung haben, um professionell arbeiten zu können. Dass es hierbei zu Konflikten mit den „Stammbelegschaften“ kommt, ist vorprogrammiert und verständlich. Doch verschärft diese Spaltung den Konflikt und behindert das gemeinsame Vorgehen.
Eine gewerkschaftliche Organisierung, Sozialversicherung sowie die Anrechnung des Ehrenamts auf Pensionszeiten müssen neben einer Aufwandsentschädigung als wichtigste Forderungen gemeinsam erhoben werden, ebenso sowie die massive Umwandlung der „scheinehrenamtlichen Tätigkeiten“ in Vollzeitstellen. Ehrenamt soll und darf einen Einblick in die verschiedenen Bereich geben, dort allerdings, wo dadurch von staatlicher Seite Geld für die soziale und gesundheitliche Versorgungsarbeit eingespart wird, muss diese Aushöhlung der Fixanstellungen bekämpft werden.
Soziale Arbeit ist mehr wert, wir sollten es uns auch sein!