Seit einigen Jahren sehen wir auf der ganzen Welt gewaltige Demonstrationen einer äußerst kämpferischen, neu erwachten Frauenbewegung. Von Sonia Previato.

Begeistert verfolgten wir die Bewegung der schwarzgekleideten polnischen Frauen, die in einem der katholischsten Länder Europas zu Hunderttausenden auf die Straße gingen, um ihr Recht auf Abtreibung kämpften und gewannen – ebenso in Irland. Im vergangenen Jahr sahen wir in Spanien die unglaublichen Demonstrationen zum 8. März, an denen sich sechs Millionen Menschen in 120 Städten beteiligten. Viele Geschäfte und Betriebe hatten an diesem Tag geschlossen.

In Polen hörten wir zum ersten Mal den Slogan des Frauenstreiks, der eine gewaltige Bewegung auf die Straße und zum Sieg brachte, in einer neuen Bedeutung. Es waren nicht mehr Streiks in typischen Frauenberufen gemeint, wie die Streiks der Arbeiterinnen auf den Reisfeldern Italiens, der Telegraphistinnen in Paris oder der Arbeiterinnen der Appreturfabriken in Wien (Appretur nannte man damals die Textilveredelung), oder auch die Streiks im Sozialbereich während der vergangenen Jahre – diese Streiks sind Teil der allgemeinen Arbeiterbewegung. In der feministischen Bewegung aber wird der Slogan des Frauenstreiks so verstanden, dass nur Frauen daran teilnehmen dürfen.

Diese Interpretation wird in Österreich am kohärentesten vom FrauenLesbenMädchenZentrum (FZ) vertreten und mit der Notwendigkeit verknüpft, die Regierung und den Kapitalismus zu bekämpfen. Ihrer Ansicht nach kann ein Frauenstreik in der sogenannten bezahlten Arbeit ebenso stattfinden wie in der unbezahlten Hausarbeit.

In diesem Licht wird die Geschichte etwas umgeschrieben. Alle Streiks, an denen vor allem Frauen teilgenommen haben, werden als Frauenstreiks bezeichnet und so verschafft man dem Nur-Frauen-Streik eine geschichtliche Tradition, die er nicht hat. Das feministische Koordinierungskomitee (Coordinadora Feminista) in Spanien drückte sich folgendermaßen aus: Das Ziel ist, die Rolle und Stärke der Frauen in der Gesellschaft aufzuzeigen. Ohne Frauenarbeit steht alles still. Wir sind mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung und wir sind der wirkliche Sozialstaat, also wollen wir keine Männer auf unserer Demo, warum arbeiten sie nicht an unserer Stelle? Hier geht es nur um uns.

Dabei ist ganz leicht zu sehen, dass Männer, die arbeiten während Frauen streiken, als Streikbrecher fungieren. Sind diese Feministinnen vielleicht Unternehmerinnen? Hier argumentieren sie jedenfalls genauso, als wären sie welche.
In Ländern, in denen die soziale Frage bereits sehr zugespitzt war, stießen die Frauen als am meisten ausgebeutete Schicht der Arbeiterklasse eine Bewegung an, die die ganze Gesellschaft mit sich zog. Selbstverständlich beteiligten sich Männer an den Streiks und Demonstrationen, auch wenn die Gewerkschaften ihr Bestes taten, um die Bedeutung dessen zu schmälern. Der Umfang der Bewegung übertraf alle Erwartungen, mit Sicherheit jedenfalls die Erwartungen der winzigen und zerstrittenen feministischen Zirkel.

Auch wenn Parteien jeder Färbung (wie etwa die Liberalen in Polen) versuchten, die Proteste für ihre eigenen Zwecke zu benutzen, ist der eigentliche soziale Charakter all dieser Bewegungen klar proletarisch. Deshalb fand der Streikslogan auch so ein gewaltiges Echo. Der Streik ist das klassische Kampfinstrument der Arbeiterklasse. Mit diesem Instrument schafft sie es, seit jeher ihre Stimme zu erheben, da die ArbeiterInnen in jedem Betrieb dieselben Probleme und einen gemeinsamen Arbeitgeber haben, den sie angreifen können.

Arbeiterinnen werden doppelt ausgebeutet: Nachdem ihr Arbeitgeber sie für einen miserablen Lohn ausgequetscht hat, gehen sie nach Hause und widmen sich weiter ihrer traditionellen, niemals endenden Hausarbeit. Doch zur Massenbewegung wurde die Frauenbewegung erst, als die Frauen als Arbeiterinnen Teil der Arbeiterbewegung wurden.

Bürgerliche Frauen, die von keinem Gehalt, sondern von der Ausbeutung der Arbeit anderer Leute leben, streiken für gewöhnlich nicht. Sie haben nicht diese Art von Problemen. Unternehmerinnen, Managerinnen, Anwältinnen und dergleichen verdienen genug, um die harte Hausarbeit an Dritte auszulagern. Sie können sich zurücklehnen und ihre Forderungen nach besseren Karrieremöglichkeiten, mehr Frauen im Parlament und in Aufsichtsräten beschränken. Während sich in Spanien (männliche) Arbeiter am Frauenstreik beteiligten, hetzten rechte Frauen gegen den Streik und einige weibliche Bosse drohten sogar mit Aussperrungen.

Das FZ müsste der Ehrlichkeit halber zumindest von einem Arbeiterinnenstreik, statt einem Frauenstreik sprechen und klar machen, dass einige Frauen und Feministinnen für die Arbeiterinnen viel schlimmere Feinde sind, als Männer. Die österreichische Familienministerin Juliane Bogner-Strauß kürzte beispielsweise als eine ihrer ersten Amtshandlungen die Förderungen für politische Gruppen, darunter feministische Gruppen. Im Frauenvolksbegehren 2.0 machte sich Bestürzung breit, hatte man doch gehofft, auf Verhandlungsbasis etwas herausschlagen zu können. Wir MarxistInnen sind nicht überrascht. Mit solchen Verbündeten werden wir nichts gewinnen.

Auch wenn gesamtgesellschaftlich gesehen der Mann die Frau ausbeutet, ändert das nichts daran: Männer und Frauen sind keine homogenen Kategorien. Arbeitende Frauen haben mit bürgerlichen Frauen, bis auf das Geschlecht, nichts gemeinsam. Im Gegenteil: Sie haben entgegengesetzte Interessen.

Warum sind arbeitende Männer unsere Verbündeten?

Wir müssen die Art und Weise der Ausbeutung von Frauen durch Männer (das sogenannte Patriarchat) verstehen, um unsere Waffe des Streikes zielgerichtet einsetzen zu können. Frauen verloren ihre Macht in der Gesellschaft an jenem Punkt in der Geschichte, als sich in der primitiven Gesellschaft zum ersten Mal das Problem der Vererbung eines zuvor nicht vorhandenen Überschusses stellte. Zu diesem Zeitpunkt wurden Frauen in der Arbeitsteilung der Geschlechter für tausende Jahre auf den zweiten Platz verbannt.

Im Kapitalismus bekamen die Frauen der Arbeiterklasse, während sie weiterhin im Haushalt wie Arbeitstiere schuften mussten, zum ersten Mal die Möglichkeit, außerhalb der eigenen vier Wände als Arbeiterinnen ihren Lebensunterhalt zu verdienen und dort haben sie die Möglichkeit, ebenso wie Männer, eine „gesellschaftliche“ Rolle zu spielen.

Der Kapitalismus brachte die gesellschaftliche Produktion hervor. Das bedeutet, dass die Waren und Dienstleistungen von vielen Menschen gemeinsam in privaten oder öffentlichen Unternehmen hergestellt werden. In diesen Prozess wird die ganze Gesellschaft miteinbezogen und auf dieser Basis entstehen gesellschaftliche Beziehungen. Die zentralste dieser Beziehungen ist jene zwischen ArbeiterInnen und KapitalistInnen. Deshalb sind die alten Protestmethoden vorhergegangener Gesellschaftsformen (Sklavenaufstände, Bauernrevolten, Zerstörung von Werkzeugen), die sich gegen die Ausbeutung spezifischer Menschen an einem spezifisch umgrenzten Ort richten, heute viel weniger effektiv als der moderne Streik, der die ganze gesellschaftliche Produktion lahmlegt.

Wenn Feministinnen zu Frauenstreiks aufrufen und dabei die Niederlegung bezahlter und unbezahlter Arbeit durcheinanderwerfen (keine Hausarbeit, kein Kochen, kein Sex, kein Einkaufen usw.), dann ist es, als kämpften sie mit einer urgeschichtlichen Keule, wo uns doch heute viel bessere Waffen zur Verfügung stehen. Sehen wir uns nur die Zahlen an:
In Österreich leben etwas mehr als 8,5 Millionen Menschen in etwa 3,5 Millionen Haushalten. Wenn Frauen aufhören, sich um ihre Angehörigen zu kümmern, dann würden sie damit tatsächlich gewaltiges Chaos erzeugen. Es wäre allerdings fast unmöglich, einen Streik in einem so privaten Teil des Lebens zu organisieren und aufrecht zu erhalten. Aber selbst, wenn sich ein Zehntel dem anschließen würde, wären das 350.000 Haushalte.
Der Kapitalismus hilft unserem Kampf: es gibt in Österreich 3,8 Mio. unselbständig Beschäftigte. Die 1500 größten Privatunternehmen beschäftigen alleine 1,3 Mio. Menschen.
Das heißt, dass ein Streik, organisiert in 1500 kapitalistischen Betrieben viel mehr Menschen im Kampf involvieren würde, als ein Streik, der in 200 Mal so vielen Haushalten organisiert werden muss! Und das bezieht sich nur auf die Anzahl der streikenden Menschen, nicht auf den Wert der dadurch blockierten Waren und Dienstleistungen.

Deshalb brauchen wir in unserem Kampf die Männer der Arbeiterklasse: Die Arbeiterklasse muss sich jeder Spaltung (nach Geschlecht, Nation, Religion, Herkunft…) widersetzen und sich vereinigen, um gegen den gemeinsamen Feind zu kämpfen: Gegen die Bosse und gegen die Regierung, die deren Interessen verteidigt.

Die Bedingungen für Frauen sind hierzulande sehr schlecht und die Regierung tut ihr Bestes, um sie weiter zu verschlechtern. Wir haben zwar eine der höchsten Frauenbeschäftigungsraten (68,2% im Gegensatz zum EU-Durchschnitt von 62,4%), doch beinahe die Hälfte (48,3%) arbeitet Teilzeit. Somit ist das Jahresgesamteinkommen der Frauen durchschnittlich um 37,9% niedriger als das der Männer. Es ist also keine Überraschung, dass 46% der Arbeiterinnen von ihrem Lohn alleine nicht leben können. Die Arbeitszeitreform und die Reform der Mindestsicherung treffen Frauen besonders hart. Wie soll eine Mutter, insbesondere eine Alleinerziehende, mit einem solchen Dienstplan zurechtkommen? Diese Reform wird sie noch weiter an den Rand der Gesellschaft drängen und die Kürzungen der Sozialleistungen werden eine weitere halbe Million Menschen, vor allem Frauen, in die Armut drängen. In dieser Gesellschaft werden Frauen wie Packesel behandelt, die man am Arbeitsplatz und zuhause ausbeutet.

Anna Leder und Käthe Knittler vom Mosaik-Blog schreiben, Gründe für einen Frauenstreik gäbe es genug. Wir entgegnen ihnen: Wartet ihr darauf, dass der Streik vom Himmel fällt? Zu sagen, was notwendig wäre, ist einfach. Doch man muss auch sagen, warum nichts passiert und wie wir dahin kommen, dass sich das ändert. Die Verantwortung dafür, dass es keine breite Streikbewegung gibt, liegt beim ÖGB und der SPÖ, die sich, statt sie zu organisieren, lieber eine „konstruktive Opposition“ für die Regierung sein wollen.

Im vergangenen Juni organisierte der ÖGB eine erfolgreiche Demonstration gegen den 12-Stunden-Tag und ließ die Arbeiterklasse daraufhin wieder völlig allein. Es hat keinen Kampf gegen dieses barbarische Gesetz gegeben. Die Bosse und die Regierung wurden dadurch in ihren Angriffen auf frühere Errungenschaften noch aggressiver und sprechen jetzt auch über Angriffe auf das Abtreibungsrecht.
Worauf wartet der ÖGB? Warum führt er keinen Kampf gegen diese Regierung und gegen die Bosse, die über sie so glücklich sind? Worauf warten die Gruppierungen der radikalen Linken? Warum fordern sie von diesen gewaltigen Organisationen nicht ein, dass sie den Zweck erfüllen, zu dem sie gegründet wurden?

All jene, die von Streik reden und dann solche nutzlosen Aktionen wie eine Niederlegung der Hausarbeit in den Mittelpunkt stellen, haben im besten Fall nichts verstanden und sind im schlimmsten Fall lupenreine OpportunistInnen. Sie verschleiern die Realität und vertreten hinter der Fassade einer radikalen Ausdrucksweise dieselbe Position wie die Führung von ÖGB und SPÖ, die für den Stillstand und unsere Niederlagen verantwortlich sind. Wir dürfen kein Spiel mit sogenannten Symbolpolitik und -aktionen treiben. Die Ausbeutung der Frau ist überhaupt nicht symbolisch. Nennen wir die Dinge beim Namen und führen wir einen wirklichen Kampf!

(Funke Nr. 171/März 2019)


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