Wenn ich gefragt werde, warum ich Naturwissenschaftlerin bin, würde ich antworten: aus Neugier und Interesse, den Wissensstand der Menschheit voranzubringen, etwas für die Gesellschaft zu leisten und die Geheimnisse des Universums aufzudecken. Von Dorothea Winkelvoß (www.derfunke.de)

Aber ist dies in unserem heutigen kapitalistischen System überhaupt möglich? Um in der Wissenschaft zu bestehen muss man heutzutage Karriere machen. Personalstellen und Forschungsmittel werden oft auf Grundlage von der Anzahl an Publikation in namhaften Journalen vergeben. Die Karriere eines Wissenschaftlers hängt damit von seiner Reputation ab, welche durch seine wissenschaftliche Wirkung und letztendlich über das Publikationsverhalten bestimmt wird.

Da Personalstellen an Universitäten häufig befristet sind, wird eine Konkurrenzsituation um die Verlängerung der Verträge erzeugt. Für die Wissenschaftler heißt es dann: „Publish or perish“ (veröffentlichen oder untergehen). Dieser Profilierungsdruck der auf den Wissenschaftlern lastet hat unter anderem zur Folge, dass die Arbeitszeiten immer weiter steigen. Eine 60-80 Stunden Woche ist im Wissenschaftsbetrieb heutzutage eher Norm als der Einzelfall. Dadurch tritt das reine Streben nach der Schaffung neuer Erkenntnisse und der Vermehrung des menschlichen Wissensstandes immer mehr in den Hintergrund. Es geht nicht mehr um möglichst exakte, sondern um möglichst viele Ergebnisse. Es werden teilweise schon Zwischenergebnisse publiziert, die sich später als falsch herausstellen und korrigiert werden müssen. Die erhöhte psychische Belastung für die Wissenschaftler führt unter anderem auch zu unsozialem Verhalten zwischen Forscherkollegen. So werden teilweise Ergebnisse von unterstellten Kollegen im eigenen Namen publiziert.

Der wachsende Druck, in prestigeträchtigen Journalen zu veröffentlichen, und der Ruhm der damit einhergeht, hat in der Vergangenheit auch schon zu Beschönigung von Ergebnissen und in extremen Fällen zur Fälschung von Daten geführt. Damit wird der gesamte Sinn wissenschaftlicher Arbeit ad absurdum geführt. Außerdem wird damit forciert, möglichst in trendreichen Gebieten zu arbeiten und auffällige Inhalte zu publizieren.

Wie funktioniert dieses Publizieren überhaupt?

Hat ein Wissenschaftler oder eine Forschungsgruppe ein Ergebnis erzielt, so wird dieses in einem Manuskript zusammengefasst und an einen Herausgeber gesendet. Wird das sogenannte „Paper“ angenommen, so wählt der Herausgeber unabhängige Gutachter aus, die es prüfen und Verbesserungen anmerken oder ablehnen können. Dieses Verfahren wird angewendet, um wissenschaftliche Ergebnisse möglichst neutral auf Validität und Plausibilität zu prüfen. Dieses an sich gut durchdachte System ist natürlich auch den Zwängen des Kapitalismus unterworfen. Experten eines Gebiets können zum Beispiel absichtlich durch ein abwertendes Gutachten die Forschung ihrer Kollegen behindern. Oder Gruppen können andere Gutachter bestechen, um den Review Prozess eines Papers einer anderen Gruppe zu verlangsamen und ihre eigenen Ergebnisse zuerst publizieren zu können.

Die „publish or perish“-Kultur in der Wissenschaft führt außerdem zu einer Überproduktion an Papern und einem Mangel an kompetenten Reviewern. Die Aussagekraft des „peer-review-Labels“ nimmt dadurch immer weiter ab.

Es gibt inzwischen andere „peer-review-Modelle“, in denen versucht wird, diese Probleme zu beheben. Indem die Artikel zuerst publiziert werden und erst danach von einer breiteren Öffentlichkeit begutachtet werden. Diese besser durchdachten Modelle können allerdings in unserem kapitalistischen System nicht voll entwickelt werden und bleiben individualistische Randphänomene.

Auf der anderen Seite stehen die Herausgeber der wissenschaftlichen Journale. Sie sind die Profiteure der ehrhöhten Publikationsraten.
Die Qualität des Journals wird anhand des sogenannten ‚impact factors‘ gemessen. Das ist ein Maß für die Anzahl an Zitierungen der Artikel in anderen Publikationen. Dieses System kann sehr schädlich für die wissenschaftliche Praxis sein, da die Quantität der Zitation nicht unbedingt etwas über die Qualität der wissenschaftlichen Ergebnisse aussagt.

Viele Wissenschaftler kritisieren die „Top-Science-Journale“ für ihre Publikationspolitik und haben freie Online Journale ins Leben gerufen. Doch auch diese guten Ansätze für eine freie Wissenschaftskultur können im Kapitalismus nicht bestehen. Der Ton wird auch weiterhin von den renommierten Verlagen angegeben und dieses System hat Auswirkungen auf den gesamten Wissenschaftsbetrieb.

Kooperation statt Konkurrenz

In einem demokratisch geplanten sozialistischen System hingegen könnten solche frei zugänglichen demokratisch geführten Modelle durchaus denkbar sein. Wenn nicht die Profitinteressen im Vordergrund stünden, könnten Wissenschaftler wieder aus eigener Überzeugung und Neugierde neues Wissen schaffen und den menschlichen Fortschritt voranbringen. Die einzelnen Arbeitsgruppen könnten wieder frei kooperieren anstatt sich Informationen auf Grund des Konkurrenzkampfes vorzuenthalten. Dadurch könnten viel schneller Ergebnisse von höherer Qualität produziert werden.

Am Ende sind wir doch alle daran interessiert als Menschheit die Geheimnisse des Universums zu lüften, also vorwärts zum Sozialismus und für eine demokratische Wissenschaftskultur!


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