Die reichsten Männer der Welt liefern sich einen Wettlauf ins All. Forschung und Wissenschaft voranzutreiben, liegt ihnen dabei fern. Stattdessen organisieren sich Amazon-Gründer Jeff Bezos und die Business-Abenteurer Elon Musk und Richard Branson eine private Himmelsfahrt auf Kosten der Gesellschaft. Von Sonja Kopf.
„Das ist ein kleiner Schritt für einen Menschen, aber ein großer Sprung für die Menschheit!” - Jedes Kind kennt diesen Satz, mit dem Neil Armstrong 1969 die erste Mondlandung kommentiert hat.
Er steht stellvertretend für die technologischen Errungenschaften und Fortschritte, die der Wettlauf ins All zwischen den USA und der Sowjetunion mit sich brachte.
Raumfahrt und Forschung waren über Jahrzehnte hinweg in der Hand staatlicher Raumfahrtagenturen – sei es in den USA oder der Sowjetunion. Die Erkenntnisse der Raumforschung ermöglichen uns als Menschheit ein tieferes Verständnis von der Erde, dem Universum und der Welt, in der wir leben. Über Jahrzehnte hinweg war sie ein wichtiger Leitsektor, der Fortschritte in allerlei Bereichen ermöglichte: Wichtige Fortschritte in der Luftfahrt, den Kommunikationstechnologien und im militärischen Bereich sind Produkte dieser Forschungen, aber auch alltägliche Dinge, wie Bikinistoffe, Kugelschreiber, Memory-Foam-Matratzen sind „Nebenprodukte” dieser Bemühungen.
Schon immer war die Raumfahrt geprägt von Konkurrenz. Länder auf der ganzen Welt aber insbesondere die Großmächte standen über Jahrzehnte hinweg in einem Wettlauf um die Vorherrschaft auf diesem Gebiet, nicht nur wegen des technologischen Fortschritts, auch aus Prestigegründen.
In jüngster Zeit sehen wir ein neues Aufleben dieses Wettlaufs ins All, doch es zeichnet sich ab, dass diese Konkurrenz nicht weiter nur in einem Wettrennen der Nationalstaaten ausgetragen wird, sondern zunehmend auch zwischen privaten Unternehmen, die auch mit öffentlichen Geldern subventioniert werden. Alleine in den USA wurden seit dem Jahr 2000 mehr als 7 Mrd. USD an öffentlichen Geldern in kommerzielle Raumfahrtprogramme gesteckt.
Billionaire Space Race
Die kommerziellen Raumfahrtunternehmen Blue Origin von Jeff Bezos, Elon Musks SpaceX und Richard Bransons Virgin Galactic befinden sich in einem Wettrennen um die Vorherrschaft in der privaten Raumfahrt.
Im Juni kündigte Jeff Bezos an, er werde mit seinem Raumfahrtunternehmen Blue Origin am 20. Juli ins Weltall fliegen, nur damit ihm Richard Branson mit seinem Raumfahrtunternehmen Virgin Galactic um zwei Wochen zuvorkommen konnte. Elon Musk hat seinen Sommerurlaub zwar nicht in einer phallischen Rakete verbracht, ist aber trotzdem eifriger Teilnehmer in diesem Wettlauf der Milliardäre ins All. Alle drei Unternehmen stehen in direkter Konkurrenz, den Weltraumtourismus „für jeden” zu ermöglichen bzw. wollen verschiedene Industrie ins Weltall verlagern und den Mars besiedeln.
Zankerei um öffentliche Gelder
Noch unter US-Präsident Trump wurde das Artemis-Programm initiiert, unter dem wieder Mondlandungen möglich werden sollen. Im April hatte die US-Regierung einen Auftrag im Wert von beinahe 2,9 Mrd. USD zum Bau einer Mondlandefähre an Elon Musks Raumfahrtunternehmen SpaceX vergeben. Jeff Bezos reicht dagegen nun Klage ein, „um Fairness wiederherzustellen, für Wettbewerb zu sorgen und eine sichere Rückkehr zum Mond für Amerika zu gewährleisten".
Die reichsten Kapitalisten des Planeten zanken sich also um öffentliche Gelder und all das in der schwersten und tiefsten Krise des Kapitalismus – Menschen in den USA und weltweit leiden buchstäblich Hunger, sind arbeitslos oder schwer verschuldet. Ein einziger Flug mit der Space X-Rakete von Elon Musk kostet ca. 28 Mio. USD.
Elon Musk, Jeff Bezos und Richard Branson haben ein privates Gesamtvermögen von ca. 362 Mrd. USD. Dazu kommen noch die Anteile ihrer jeweiligen Unternehmen, die zusammen etwa 500 Mrd. USD wert sind.
Man stelle sich nur vor, was man mit diesem Geld, insgesamt über 800 Mrd. USD, machen könnte: Beispielsweise drei Mal den Welthunger beenden, oder allen Kindern weltweit für fünf Jahre eine Ausbildung finanzieren, laut Erkenntnissen der UN.
Mit nur 66* Mrd. USD könnte man auch die gesamte Weltbevölkerung gegen COVID-19 impfen.
Die Menschheit könnte mit all diesem Reichtum den ernstesten und dringendsten Herausforderungen, die die Existenz von Millionen bedrohen, in kürzester Zeit meistern. Stattdessen horten diese Schmarotzer all dieses Geld, das niemand in hundert Leben alleine ausgeben könnte und leben wie die Kaiser in Rom. Wenn alle irdischen Vergnügen erschöpft sind, dann müssen die Reichen eben nach den Sternen greifen.
Wie wird ein Mensch eigentlich so reich?
Jeff Bezos war so großzügig, uns diese Frage in einer Pressekonferenz nach seinem zehnminütigen Ausflug ins All selbst zu beantworten:
„Ich möchte jedem Amazon-Mitarbeiter und jedem Amazon-Kunden danken, denn ihr habt dafür bezahlt. Ernsthaft, an jeden Amazon-Kunden da draußen und an jeden Amazon-Mitarbeiter, ich danke euch von ganzem Herzen. Ich schätze das sehr.”
So zynisch die Aussage ist, sie trifft den Nagel auf den Kopf – all diesen Reichtum konnten diese Leute nur mit der brutalen Ausbeutung von Arbeiterinnen und Arbeitern auf der ganzen Welt anhäufen. Berichte über die grauenhaften Arbeitsbedingungen in Amazon-Warenhäusern sind weithin bekannt – im Internet wird darüber gescherzt, dass dank des zehnminütigen Weltraumflugs von Jeff Bezos die ArbeiterInnen endlich Zeit für eine Toilettenpause hatten. Die Produktionsstraßen bei Tesla sind immer wieder wegen fürchterlicher Unfälle und mangelnder Arbeitssicherheit in den Schlagzeilen. Beide Unternehmen weigerten sich stur, notwendige Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus in ihren Unternehmen umzusetzen.
Milliardäre auf den Mond schießen!
Den Menschen entgeht indes nicht, mit welcher Achtlosigkeit, mit welchem Zynismus und mit welcher Arroganz die Kapitalisten dieser Welt mit Menschen und Ressourcen umgehen. Was humorvoll klingt, ist ein Ausdruck davon: Eine Petition, adressiert an „das Proletariat”, die fordert, Jeff Bezos die Rückkehr zur Erde nach seinem Weltraumflug zu verwehren, erhielt rund 200.000 Unterschriften.
Die Kapitalisten einfach im Weltall zu lassen oder gleich auf den Mond zu schießen, ist eine verlockende Idee, doch als MarxistInnen wissen wir, dass dann eben andere ihren Platz einnehmen werden. Der Verschwendungssucht der Milliardäre, der Ausbeutung der ArbeiterInnen und der Umwelt kann nur ein Ende bereitet werden, wenn die Arbeiterklasse sie enteignet und ihren Reichtum endlich zum Wohle aller einsetzt.
(Funke Nr. 196/1.9.2021)
*in der Print-Ausgabe ist hier ein Tippfehler passiert und die Zahl mit 660 Mrd. beziffert.