Der angedrohten Werkschließung des LKW-Produzenten MAN entgegnet die Gewerkschaft mit der Forderung nach einem Kompromiss. Doch dieser wäre eine glatte Niederlage. Nur wenn man auf die Kraft der ArbeiterInnen setzt, kann man gewinnen.

Was ist seit unserem letzten Artikel passiert? Die Gewerkschaften hatten angekündigt, die Verhandlungen auf „höhere Ebenen“ zu heben und dann weiterzusehen. Am 26. Jänner kam dann aus Deutschland die Nachricht, dass ein „Eckpunktepapier“ – gültig nur für deutsche Standorte – ausverhandelt worden sei.

Am 2. Februar organisierte daraufhin die Gewerkschaft (ÖGB, sowie die zuständigen Teilgewerkschaften PRO-Ge und GPA) mit den MAN-Betriebsräten eine Pressekonferenz. Die darin präsentierten Ideen sind sehr aufschlussreich.

Pro-Ge Vorsitzender Rainer Wimmer machte den Anfang und ließ durchblicken, dass man dem MAN-Management fahrlässigen Umgang vorwirft. Die Gewerkschaft hat eine staatliche Wirtschaftskommission einberufen:

„Wir fordern, dass die Wirtschaftsdaten offengelegt werden, vom Management und auch vom Eigentümer unterstützt … Wir wollen alles genau wissen, nicht nur was uns das Management ständig sagt, und wir gehen auch davon aus, dass die Belegschaft vom deutschen Management einfach ein bissl angeschwindelt worden sind, und das wollen wir ganz deutlich hinterfragen ... Wir glauben, das ist eine beinharte Gewinnmaximierung, es ist einfach ein Ausweichen in Billiglohnländer.“

Diesen Ansatz können wir nur vollkommen bekräftigen – eine Einsicht in die Geschäftsbücher, die auch für die KollegInnen im Werk völlig transparent sein sollte, ist der erste Schritt, um auf Basis von Fakten einen ernsthaften Kampf um den Erhalt des Werks zu führen.

Doch die weiteren Aussagen verdeutlichten, dass ein solcher Kampf überhaupt nicht vorgesehen ist.

„Vorbild“ Deutschland?

MAN-Arbeiterbetriebsrat Erich Schwarz betonte mehrmals, dass das „Eckpunktepapier“ aus Deutschland ein großes Vorbild für eine österreichische Lösung sein soll. Und weiter: „Es wird insgesamt vereinbart, dass 3.500 Mitarbeiter für die gesamten deutschen Standorte niedergeschrieben werden, dass abgebaut wird. Jeder Standort hat sein eigenes Abbau-Ziel.“

Statt die Standort- und Beschäftigungssicherungsverträge dort beizubehalten, wird „bis Ende September im heurigen Jahr“ ein neuer Kollektivvertrag ausverhandelt. Es ist völlig absehbar, dass das Management dabei massive Verschlechterungen einfordern wird. Als Gegenzug gibt es die wenig vertrauenswürdige Zusage des Managements, dass es „keine großflächigen Verlagerungen“ nach Polen oder in die Türkei geben wird.

Das Ziel der Gewerkschaft in Österreich ist folgendermaßen definiert: „Was ist Deutschland möglich ist, muss auch in Österreich möglich sein“ (BR Schwarz) und: „Wir wollen keine schlechtere Lösung haben, als die Deutschen Kolleginnen und Kollegen“ (Wimmer). Konkret heißt das, dass der Verlust von hunderten Stellen akzeptiert wird. Das formulierte BR-Schwarz offen als Ziel der Gewerkschaft: Steyr solle „im Produktionsverbund der MAN eine wichtige Rolle spielen“ und „der damit verbundene Personalabbau ist natürlich in ähnlicher Weise am Standort Steyr durchzuführen. (...) Das liegt auf der Hand.“

Dass aber diese „Strategie“ der Kompromisse in den letzten Jahrzehnten nur zu schrittweisen Verschlechterungen für die KollegInnen geführt hat, das zeichnete Schwarz selbst nach: Die Standortverträge (2007 erstmals in Ö) wurden abgeschlossen, um eine Abwanderung der Produktion zu verhindern. Im Gegenzug (Zitat: „wir als Belegschaft haben da eine Gegenleistung bringen müssen“) wurde pro Schicht ein LKW mehr aus den ArbeiterInnen rausgepresst – ohne zusätzliches Personal. Die letzte Erneuerung des Standortsicherungsvertrags, unterzeichnet 2019 und eigentlich gültig bis 2030, kostete den Beschäftigten ein weiteres Sparpaket.

Kämpfen statt kuscheln!

Die Gewerkschaft hofft, den schlechten Kompromiss durch eine Orientierung auf den Staatsapparat und die Justiz, sowie durch eine Zusammenarbeit mit Kapitalisten erreichen zu können.

Der fundamentale Fehler ist hier, dass die ArbeiterInnen im Werk selbst keinerlei Rolle spielen sollen. BR Schwarz erklärte so in der Pressekonferenz, dass es schon viel Unterstützung aus der Region gegeben habe. Wen meint er? Nicht etwa die ArbeiterInnen, die einen Warnstreik durchgeführt hatten, oder die solidarische Demonstration mit 4.000 Teilnehmern, sondern:

„Schon sehr viele Bürgermeister haben uns unterstützt, es hat auch die Landesregierung uns sehr stark unterstützt möchte ich betonen, aber natürlich auch sehr viele Firmen […die] haben auch die Eigentümer aufgefordert, von ihren Plänen Abstand zu nehmen.“

Anstatt auf die internationale Solidarität der KollegInnen zu setzen und eine länderübergreifende Strategie, etwa mit Polen und der Türkei, anzuvisieren, wird das Feindbild des „billigen Ostens“ geschürt. Dabei ist klar: nur eine starke gewerkschaftliche Organisierung und Kämpfe können dem permanenten Lohndruck entgegenwirken, nämlich indem man mit diesen KollegInnen gemeinsam für anständige Arbeitsbedingungen kämpft.

Wir halten klar fest: Der Kompromiss, das Steyr-Werk mit schmerzhaften Kündigungen zu erhalten, ist nur ein weiterer Schritt in die Niederlage. Er wird keinerlei Garantie für die Zukunft liefern.

Es ist Zeit endlich aufzuwachen. Anstatt sich an sozialpartnerschaftliche Verhandlungen mit Eigentümer, Staat und Investoren zu klammern, müssen wir uns der eigenen Kraft besinnen – die Kraft der KollegInnen selbst. Denn die Wahrheit ist: „Alle Räder stehen still, wenn dein starker Arm es will.“ Und die Räder können weiterlaufen, auch in einem verstaatlichten Werk und ohne den VW-Konzern.

Von Yola Kipcak

(Der Funke Nr. 191/17.2.2021)


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