Der Mehrjahresabschluss des SWÖ-Kollektivvertrags zu Beginn der Pandemie im April 2020 (der Funke berichtete) hat die klassenkämpferische Dynamik im privaten Gesundheits- und Sozialbereich zurückgeworfen. Dennoch gilt es jetzt wieder an diese Dynamik anzuknüpfen, wenn man verhindern will, dass sich die Arbeitsbedingungen im Bereich weiter verschlechtern. Von Sarah Ott.

Die letzten eineinhalb Jahre stellten die MitarbeiterInnen vor große Herausforderungen. Kurzarbeit, Quarantänen, erkrankte KlientInnen und MitarbeiterInnen, Verdichtung der Arbeit, Personalmangel und extrem hohe psychische Belastungen durch die Pandemie sind nur einige der Herausforderungen, mit denen wir zu kämpfen hatten.

Viele MitarbeiterInnen sind nicht mehr bereit unter diesen Bedingungen zu arbeiten und kündigen, gehen in Teilzeit oder gehen wo es möglich ist in Bildungskarenz. Stellen mit gut ausgebildeten Leuten mit Erfahrung nachzubesetzen erweist sich als immer schwieriger, oft bewerben sich nur KollegInnen, die gerade mit ihrer Ausbildung fertig geworden sind, ohne dass in den Unternehmen Zeit für eine tiefgehende Einschulung wäre.

Die Fluktuation im Bereich steigt daher immer weiter an, was dazu führen wird, dass es auch hier bald zu einem deutlichen Personalmangel kommt. Es muss gelingen die Arbeitsbedingung so zu verbessern, dass die Menschen auch in ihrem Beruf bleiben können und wollen. Dies muss durch die Arbeiterbewegung erkämpft werden.

Rückschlag 2020

Der letzten KV Abschluss 2020, wurde für 3 Jahre abgeschlossen und dies ohne, dass die zentralen Forderungen für die mobilisiert und gestreikt wurden, auch nur annähernd erreicht worden wären. Diese unnötige Niederlage hat zur negativen Dynamik beigetragen.

Die klassenkämpferische Stimmung im Sektor wurde zurückgedrängt, und damit wurde auch die Gewerkschaftslinke für die kommenden Monate isoliert. Dies war ein Ziel der Arbeitgeber und auch der Gewerkschaftsapparat arbeitete hart darauf hin, die selbstorganisierte klassenkämpferische Dynamik im Sektor wieder vollständig unter seine Kontrolle zu bringen (personelle Veränderungen im Verhandlungsteam; strukturelle Reformen wie die Auflösung von "basisdemokratischen" Strukturen wie work@social am letzten Gewerkschaftstag der GPA).

Der Gewerkschaftslinken, die die Mobilisierungen in Wien dominierte, ist es im Anschluss an den KV-Abschluss noch gelungen in 10 Betrieben selbstorganisierte Urabstimmungen über den KV-Abschluss durchzuführen. Hierbei zeigte sich eine breite Ablehnung unter den KollegInnen. Offenbar sind auch viele KollegInnen nach dem Abschluss aus der GPA ausgetreten, aber genaue Angaben dazu bleiben das Geheimnis des Apparats.

SWÖ Abschluss Tabelle Urabstimmung

In dieser Situation fand die Gewerkschaftslinke keinen neuen gemeinsamen Ansatzpunkt. Dies gilt es nun zu ändern. Ab 2022 gilt im Bereich die 37 Stunden Woche, wie diese allerdings umgesetzt werden soll, ohne dass es zu einer weiteren Arbeitsverdichtung kommt, ist völlig unklar. Gleichzeitig mit der Arbeitszeitverkürzung werden aber die Zuschläge auf Mehr- und Überstunden von 50% auf 33% gekürzt. Eine Lohnerhöhung für das Jahr 2022 ist im Abschluss nicht vorgesehen, was angesichts der Preissteigerungen reiner Wahnsinn ist.

Somit verschlechtern sich Bedingungen ab Anfang Jänner weiter und die MitarbeiterInnen sind zusätzlich mit einem starken Reallohnverlust konfrontiert. Dem gilt es den Klassenkampf entgegen zu setzten.

Gewerkschaft reagiert

Die GPA organisierte am 4.11. im WB 17 eine Betriebsrätekonferenz in Wien, bei der besprochen wurde, wie die Arbeitszeitverkürzung des Kollektivvertrags 2020 umgesetzt werden kann. Wichtiger jedoch: es wurde ein Mobilisierungsplan vereinbart, der über das erste Halbjahr 2022 hinweg durch betriebsübergreifende Aktionen die Kampffähigkeit des Sektors wieder wachruft. Dies ist ein guter Ansatz.

Linke in die Offensive!

Wir dürfen unsere Forderungen nicht tief ansetzen und müssen eine reale Verbesserung der Arbeitsbedingungen anstreben.

  • Es braucht 20% mehr Lohn, um den Bereich endlich aus dem Niedriglohnsektor heraus zu holen.
  • Es braucht 20% mehr Personal, damit wirklich gute und qualitätvolle Arbeit geleistet werden kann.
  • Es braucht eine deutliche Arbeitszeitverkürzung, damit die MitarbeiterInnen nicht nach wenigen Jahren aufgrund der hohen Belastungen ausbrennen.
  • Und es braucht Urabstimmungen über Verhandlungsergebnisse, damit sichergestellt werden kann, dass neue Vereinbarungen erst dann erfolgt, wenn diejenigen, die das Risiko des Arbeitskampfes tragen der Meinung sind, dass das Verhandlungsergebnis dem tatsächlichen Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten entspricht.

Wir sind dafür, dass diese Urabstimmungen auch selbstorganisiert durchgeführt werden, und dass man nicht darauf wartet, bis die Gewerkschaftsführung, das Recht der Basis ihren Arbeitskampf zu gestalten, irgendwann (wohl am Sankt Nimmerleinstag) statutarisch anerkennt.

Im Jahr 2020 war die Linke in dieser Frage noch gespalten und wir werden im Vorfeld der kommenden Mobilsierungen diese Frage bereits im Vorfeld wieder zur Debatte stellen, weil in unseren Augen die Selbstdurchsetzung von Gewerkschaftsdemokratie ein wichtiger Faktor ist, um das Selbstvertrauen der Mitarbeiter der Branche wieder aufzurichten.

Die Vorverlegung der KV-Gültigkeit auf den Jänner (statt wie bisher Februar) bedeutet auch, dass der SWÖ-KV ab 2022 zeitlich mit den Metallern und anderen wichtigen Brachen (Handel, öffentlicher Dienst, ...) zusammenfällt. Die Bedeutung dieses neuen strategischen Vorteils gilt es auch von Seiten der Linken zu bewerten, um so praktische Initiativen zu setzen.

Für diese Kampfziele stehen die MarxistInnen im Sektor. Und wir fügen hinzu: die Mischung aus „Gemeinnützigkeit“ der Sozialvereine mit Managergehältern an der Spitze, und zunehmende Auslagerungen und Leistungseinkäufe von profitorientierten Firmen (von denen nicht wenige in persönlichen Naheverhältnissen zu den Vereinsleitungen stehen) sind eine unerträgliche Entwicklung, die (öffentliches) Geld weg von den Beschäftigten und Klienten hin zum Kapital pumpen.

Dies ist parasitär und kann nur durch eine Re-Kommunalisierung aller sozialen und pflegerischen Leistungen gestoppt werden.

Sozial- und Pflegebereich: zurück in die Offensive!

Die Autorin ist Betriebsrätin beim Verein Lok.

(Funke Nr. 198/5.11.2021)


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