Am 23. Juni fand in Wien im Zuge der Kampagne „Worte reichen nicht“ und als Vorbereitung auf die Kollektivvertragsverhandlungen im Herbst eine Demonstration des privaten Sozialbereichs (SWÖ) statt. Von der Stimmung im Bereich und den nötigen Vorbereitungen auf einen heißen Herbst berichtet Sarah Ott.
Ca. 400 Beschäftigte folgten dem Aufruf der Gewerkschaften GPA und vida und forderten in einer kämpferischen Demo bessere Arbeitsbedingungen und höhere Löhne im privaten Gesundheits- und Sozialbereich (SWÖ). Aus vielen Betrieben wurde berichtet, dass die Mobilisierung aber deutlich schwieriger war als bei der letzten KV-Runde. Die negativen Auswirkungen des letzten 3-Jahres-Abschlusses sind noch immer spürbar. Viele fragen sich, warum sie auf die Straße gehen sollten, wenn dann ja doch nichts passiert. Im Frühjahr 2020 wurde eine kämpferische Streikdynamik abrupt unterbrochen, als das Verhandlungsteam der Gewerkschaften diesen Abschluss mit den Arbeitgebern unterzeichnete. Die Enttäuschung gegenüber der Gewerkschaft ist bis heute groß.
Trotzdem ist klar, dass sich etwas ändern muss, denn wie in vielen Reden gesagt wurde, die Situation der Beschäftigten verschärft sich immer mehr. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass wir es schaffen, die Kontrolle über unsere Arbeitskämpfe zu erlangen.
Das habe ich auch in meiner Rede bei der Auftaktkundgebung betont:
„Wir brauchen Mitentscheidung. Wir müssen entscheiden, ob wir genug gekämpft haben, oder ob wir weiter machen wollen. Und wir müssen Druck ausüben, damit wir Kontrolle über unsere Arbeitskämpfe haben. Wir können dabei auch Druck auf die Arbeitgeber ausüben und zeigen, dass wir uns nicht mit irgendwelchen Peanuts abspeisen lassen werden. Wir wollen eine Urabstimmung über Verhandlungsergebnisse und notfalls machen wir diese Urabstimmungen auch einfach wieder selbst.“
Nach dem Abschluss 2020 fanden in über 10 Betrieben selbstorganisierte Urabstimmungen statt. Heuer gilt es, das auszuweiten. Es braucht eine gemeinsame Vorbereitung und Organisation solcher Abstimmungen, ein gemeinsames Medium, um diese durchzuführen, und einen Plan, wie die Ergebnisse kommuniziert und veröffentlicht werden. Dies gilt es über den Sommer vorzubereiten. Basisorganisationen wie „Sozial aber nicht blöd“ oder die Aktionsgruppe von BetriebsrätInnen, die auch die Demo organisiert haben, können hier eine wichtige Rolle spielen und Urabstimmungen in den Betrieben vorbereiten.
Aber nicht nur die Kontrolle über unsere Arbeitskämpfe, sondern auch den notwendigen gemeinsamen Kampf aller im Herbst verhandelnden Bereiche habe ich in meiner Rede hervorgehoben:
„Der Kapitalismus ist in einer absoluten Krise und es gibt niemanden, der uns einfach so höhere Löhne oder bessere Bedingungen geben wird, sondern das sind alles Dinge, die wir uns erkämpfen werden müssen. Die momentane Inflation betrifft uns alle und bedeutet, dass es für viele, gerade in den Bereichen, wo besonders schlecht bezahlt wird, ganz, ganz schwierig wird, sich das Leben überhaupt noch leisten zu können, und man sich trotz eines extrem anstrengenden und fordernden Jobs überlegen muss, ob man jetzt Lebensmittel kauft oder heizt. Und das kann so nicht sein! Im Herbst werden nicht nur wir, sondern auch viele andere Bereiche verhandeln. Die Frage ‚Wie können wir uns das Leben noch finanzieren?‘ betrifft uns alle. Und das bietet auch die Chance hier solidarisch zu sein und mit den anderen Branchen gemeinsam zu kämpfen. Wenn wir, der öffentliche Dienst, der Handel, die Metaller, wenn wir alle gemeinsam auf der Straße sind, dann steht dieses Land still. Es ist wichtig, dass wir diese Solidarität untereinander aufbauen!“
Nur wenn wir uns nicht spalten lassen, werden wir unsere Lebens- und Arbeitsbedingungen verbessern können. Die Bürgerlichen haben für unsere Anliegen nur Verachtung über. Sie nennen uns hysterisch, wenn w ir aufgrund der Inflation nicht mehr wissen, wie wir unser Leben bestreiten sollen. Bundeskanzler Nehammer spricht gar davon, dass uns als Alternative „nur Alkohol oder Psychopharmaka“ bleiben werden. Das ist an Zynismus kaum zu überbieten. Die einzige Antwort, die wir ihm geben können, ist es, gemeinsam zu kämpfen und notfalls auch mit Streiks zu beweisen, dass ohne uns in der Gesellschaft alles stillsteht.
Die Autorin ist Betriebsrätin beim Verein LOK und Funke-Aktivistin
(Funke Nr. 205/13.7.2022)