Gestern Nacht wurde ein Abschluss bei den KV-Verhandlungen der Metalltechnischen Industrie bekanntgegeben. Eine erste Stellungnahme der Funke-Redaktion.

Die IST-Löhne (das heißt die ausgezahlten Löhne aller Beschäftigten) werden um 5,4% + 75€ angehoben. Die verhandelnden Gewerkschaften Pro-Ge und GPA heben hervor, dass das „bis zu 8,9%“ sein können – im Durchschnitt sind es 7,44%. Doch es gibt hier nichts schönzureden, wir müssen die Dinge beim Namen nennen: Der Abschluss bedeutet bei derzeit über 11% Inflation einen saftigen Reallohnverlust. Das ist das Ergebnis einer verhandelten, kampflosen Niederlage.

Der Schmäh der „rollierenden Inflation“

Noch bei der Betriebsrätekonferenz in St. Pölten am Mittwoch (02.11.) wurde von den Gewerkschaftsspitzen betont, dass die sogenannte „Rollierende Inflation“ abgegolten werden soll (die im November 7,23% beträgt) und dass es darüber hinaus eine Beteiligung an der exorbitant gestiegenen Produktivität des letzten Jahres geben muss (jeder Beschäftigte erwirtschafte im vergangenen Jahr im Durchschnitt 11,3% mehr!). Betont wurde: Die Forderung nach 10,6% sind gerecht. Selbst an diesem selbstgesteckten Ziel der Gewerkschaftsführung gemessen ist dieses Ergebnis eine Niederlage, liegt die Lohnerhöhung doch für einige Gehaltskategorien sogar unter der derzeitigen rollierenden Inflation – ganz zu schweigen vom „gerechten Anteil“ an der Produktivitätssteigerung.

Doch was hilft es einem Arbeiter, dass die Inflation in allen Monaten des letzten Jahres „durchschnittlich“ 7,23% betragen hat, wenn die Preise in den Geschäften heute 11% höher sind als im Vorjahr? Dabei ist noch gar nicht berücksichtigt, dass gerade Nahrungsmittel, Energie, Treibstoffe, Mieten etc. die Preistreiber sind – also gerade die Dinge, für die wir ja den größten Teil unseres Einkommens aufwenden müssen!

Was heißt das alles konkret? Schon in den letzten Monaten konnte man sich als Metaller von seinem Lohn ein Zehntel weniger leisten als letztes Jahr. Der KV-Abschluss bedeutet, dass für den allergrößten Teil der Beschäftigten dieser Reallohnverlust einzementiert wird. Nicht einmal im November wird man sich die Dinge leisten können, die man sich letzten November von seinem Lohn kaufen konnte – und mit jedem Monat, jeder Woche der Preissteigerungen wird das Geld im kommenden Jahr noch schneller aufgebraucht sein.

Wenn die Chefverhandler von Pro-Ge und GPA Rainer Wimmer und Karl Dürtscher in dieser Situation den Abschluss noch mit den Worten kommentieren, „wir haben Reallohnverluste verhindert“, dann ist das für die Arbeiterinnen und Arbeiter nichts anderes als ein Schlag ins Gesicht.

Urabstimmung jetzt, Kampf in den Betrieben vorbereiten

Wimmer meinte zu den Verhandlungen: „Auch wenn manchmal die Fetzen fliegen, die Sozialpartnerschaft funktioniert.“ Doch dieser Abschluss zeigt das genaue Gegenteil: Die Methoden der Sozialpartnerschaft sind tot – oder besser gesagt untot: Sie saugen jedes Leben aus der Arbeiterbewegung genau in dem Moment, in dem es am dringendsten einen entschlossenen, gemeinsamen Kampf bräuchte, um die dauernde Erosion des Lebensstandards aufzuhalten.

In den letzten Wochen wurde immer wieder festgehalten, dass „die Kolleginnen und Kollegen in den Betrieben so fest hinter uns stehen wie lange nicht mehr“. Mit dieser kampflosen Niederlage droht jetzt das Gegenteil: eine wachsende Individualisierung, wo alle versuchen, sich auf Kosten der anderen einen noch halbwegs akzeptablen Lohn zu sichern. Ein Ansteigen der Spaltung, des Rassismus, der Entsolidarisierung droht. Alle klassenbewussten Arbeiterinnen und Arbeiter, alle kämpferischen Betriebsräte und GewerkschafterInnen müssen in der kommenden Zeit ihre Energie darauf richten, diese drohende Dynamik zu durchbrechen.

Was können geeignete Mittel dafür sein? Der erste Ansatzpunkt dazu ist die Forderung nach einer Urabstimmung über den Abschluss. Alle Arbeiterinnen und Arbeiter haben das Recht, ihre Meinung zu sagen: Reicht dieser Abschluss oder reicht er nicht? Der beste Ort, das zu diskutieren und danach darüber abzustimmen, ist eine Betriebsversammlung: erst vor einer Woche haben tausende Beschäftigte bei Betriebsversammlungen darüber abgestimmt, ob sie bereit dazu sind, Kampfmaßnahmen zu ergreifen. Warum sollte jetzt das Ergebnis der Verhandlungen nicht vorgestellt und abgestimmt werden?

Die Gewerkschaftsführung kann über Resolutionen, Unterschriftenlisten etc. unter Druck gesetzt werden, so eine Urabstimmung in ganz Österreich anzusetzen. Doch wie wir mittlerweile wissen, reicht es nicht, auf Signale von oben zu warten: Nur wenn im einzelnen Betrieb, von unten begonnen wird, und nicht mehr einfach auf bessere Zeiten gewartet wird, wird sich etwas bewegen! Im privaten Sozialbereich ist es z.B. gelungen, in 10 Betrieben in Wien selbstorganisierte Urabstimmungen über den letzten KV-Abschluss 2020 durchzuführen. (siehe: https://derfunke.at/aktuelles/gewerkschaft/11787-sozialbereich-es-muss-wieder-nach-vorne-gehen)

Das ist auch die beste Vorbereitung auf die kommende Zeit: Denn wenn es über den KV nicht „im Geldbörserl raschelt“, wird der Klassenkonflikt in den Betrieben selbst ausgetragen werden. Die einzige Frage ist, ob das auf einer „Jeder gegen Jeden“-Basis oder durch gemeinsame Kämpfe in den Betrieben passieren wird.

Dieser Abschluss ist nicht zuletzt eine Warnung auch an die Beschäftigten der anderen Bereiche, die gerade verhandeln – die Eisenbahner, den Sozialbereich, den Handel. Es braucht eine andere Art der Gewerkschaftspolitik – und auch eine andere Gewerkschaftsführung und andere Betriebsräte, wenn diese nicht fähig sind, mit der Zeit zu gehen. Der Kapitalismus steckt in seiner tiefsten Krise. Die Sozialpartnerschaft ist tot, lang lebe der Klassenkampf! Schick uns Berichte aus deinem Betrieb, stärke den klassenkämpferischen Pol und schließ dich dem Funke an!


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