Die Unternehmer sind sich einig: Die Beschäftigten sollen auf den hohen Preisen sitzen bleiben. Ein Arbeitskampf ist unausweichlich, um die Lohnverluste durch Inflation zu kompensieren und die steigende Ausbeutung einzubremsen. Emanuel Tomaselli über die Herbstlohnrunde.
Im Herbst verhandeln die Gewerkschaften Pro-Ge und GPA die Löhne und Bedingungen (Kollektivvertrag) für die 200.000 Metallarbeiter (inkl. Energie und Bergbau) in Österreich. Dieser Abschluss gilt als richtungsweisend für Lohnsteigerungen in allen anderen Branchen. Im Herbst wird in weiterer Folge die Sozialwirtschaft, der Handel (ab 24.10.), der öffentliche Dienst, die Brauereien und andere verhandelt.
Unternehmen stellen ihre Lage als extrem schwierig dar, um die Arbeiter zu entmutigen und einzuschüchtern. Die Verhandlungsführung der Metallarbeiter und -Angestellten trugen dem Rechnung und gehen mit der niederen Forderung von 11,6% in die Verhandlungen. Für die Kapitalisten ist die Forderung natürlich trotzdem „realitätsfremd“.
Aber die Löhne der Arbeiter verlieren jeden Monat an Kaufkraft, und ein Teuerungsausgleich ist bitter nötig. Daher waren auch schon die Kollegen beim Tiefkühlproduzenten Ardo in Großenzersdorf selbstständig in einen zweiwöchigen Streik getreten, um die Löhne in Eigenregie anzuheben.
Das Jammern ist des Kaufmanns Gruß
Die Industriellenvereinigung (IV) ist geübt im Vorfeld der Kollektivvertragsverhandlungen die Lage als extrem düster darzustellen. Christian Knill ist der Sprecher der Metaller-Kapitalisten und Co-Eigentümer eines internationalen Konzerns mit über 2.200 Beschäftigten. Er sagt, dass ein Drittel aller Unternehmen damit rechnet, im laufenden Geschäftsjahr Verluste zu schreiben. Diese Zahl hat die IV in einer selbst durchgeführten Umfrage unter ihren Mitgliedern in Erfahrung gebracht. Von über 1.200 Metaller-Betrieben beteiligten sich daran gerade mal 207. Diese Selbstauskunft über das künftige Geschehen ist also völlig unseriös, trotzdem übernehmen alle Medien unhinterfragt diesen Dreh. Knill warnt indes, dass ein hoher Lohnabschluss jedenfalls die Firmen überlastet und dass „die oberste Priorität die Sicherung der Arbeitsplätze haben muss, das ist die Kernaufgabe unserer Unternehmen.“
Tatsächlich ist die einzige Priorität der Unternehmen Profite für ihre Eigentümer und Manager zu machen, und Löhne und Profit stehen sich diametral gegenüber. „In den ersten sechs Monaten des Jahres 2023 betrug das Wachstum der nominellen Güterexporte 5,9%, getrieben wurde es von den Gütergruppen Maschinen (+15,8%), Fahrzeuge (+13,3%)“ erhob die Statistik Austria. In Wirklichkeit also blickt die Industrie in jeder Hinsicht auf ein Rekordjahr zurück. Der Umsatz der 250 größten heimischen Industriebetriebe stieg 2022 im Jahresabstand um 30,1%, und ihre Gewinne stiegen mit plus 69% mehr als doppelt so schnell. Energieversorger drücken diesen Wert nach oben, aber das Phänomen ist quer durch alle Industriezweige dasselbe: das Stahl- und Walzwerk Marienhütte bei Graz verzeichnete mit einem Gewinnplus von 1.341,1% den Rekordwert. (alle Daten: Industriemagazin)
Wenn die Gewinne in der ersten Jahreshälfte 2023 fallen, so tun sie es von einem historischen Höchstniveau. Dem Aluminiumkonzern AMAG etwa sind die Gewinne im ersten Halbjahr 2023 um 34,9% auf einen Nettogewinn von 51 Mio. € „eingebrochen“. Dies ist nach 2022 noch immer das zweithöchste Halbjahresergebnis der Konzerngeschichte! Das Industriemagazin jubelt: „2022 war ein Jahr der absoluten Rekorde für die österreichische Industrie (…) noch stärker als der Umsatz ist die Rentabilität der produzierenden Unternehmen im Vorjahr gestiegen.“
Mutig gestritten!
Die Arbeiter haben keine Einsicht in die Geschäftsbücher ihrer Betriebe. Wenn jetzt im September und Oktober der Chargendurchlauf in den Produktionshallen heruntergefahren wird, wissen die Arbeiter nicht, ob dies Teil der Angstmacherstrategie der Manager ist, oder die Anarchie der kapitalistischen Märkte wieder eine neue tiefe Krise gebärt.
Was wir jedenfalls wissen ist, dass ein Unternehmen Arbeiter nicht aus sozialen Gründen beschäftigt, sondern nur weil er Profit für es erwirtschaftet. Solange man in der Firma beschäftigt ist, wirft man Profit ab. Wenn dies nicht mehr der Fall ist, werden Arbeiter in Kurzarbeit geschickt, entlassen oder der Betrieb schließt. So sind die Gesetze des Marktes. Durch Lohnverzicht können wir dem Markt nicht entgegentreten, sondern nur durch Gegenmacht. Wenn Unternehmen mit Entlassungen und Abbau drohen, gilt es darum zu kämpfen, die Wahrheit offenzulegen, indem man die Geschäftsbücher öffnet.
Für eine offensive Strategie!
Im letzten Jahr kamen die Metaller-Unternehmen mit einer Lohnanpassung von durchschnittlich 7,44% bei einer Inflation von 11% im Oktober billig davon, sie selbst erhöhten ihre eigenen Profite um ein Mehrfaches. Egal welch neue Krisen über die Arbeiter und ihre Familien hereinbrechen werden, die unmittelbarste Krise die es jetzt zu lösen gilt, ist, den Kaufkraftverlust der Löhne auszugleichen und der sich ständig steigernden Ausbeutung der Arbeiter einen Riegel vorzuschieben. Im Vergleich zum Reallohn im Herbst 2022 arbeiten Metaller heute pro Monat 2,5 Tage gratis. Um dies umzukehren wird es notwendig sein, einen Arbeitskampf zu organisieren.
Gewerkschaften und Betriebsräte legen keinen offensiven Gegenplan vor. Sie hoffen einer harten und offenen Auseinandersetzung mit den Kapitalisten irgendwie zu entgehen. Die Gewerkschaftsspitze hofft mittels eines neuen „Konjunkturpaketes“, einer anderen Zinspolitik der europäischen Zentralbank etc. den Konflikt zwischen Kapital und Arbeit abdämpfen und die Inflation eindämmen zu können. Wir denken es wäre besser, Arbeiter über die wahre Ausgangslage aufzuklären und an die Kraft der solidarischen Arbeiterklasse zu appellieren. Ohne die Zustimmung der Arbeiterklasse dreht sich in diesem Land nämlich kein Rädchen, und dies ist der stärkste Hebel den wir haben.
Mutige im Betrieb müssen sich zusammenschließen und die Räume hinter den BR dicht machen, so dass dieser unter dem Druck der Geschäftsführungen nicht umfallen kann, sondern gestützt wird vom Zusammenhalt der Kollegen.
Es gilt Taten zu setzen, indem man massenhaft auf die kommenden Betriebsversammlungen geht, dort Fragen stellt und redet. Man kann Anträge an die vorgelegten Resolutionen der Gewerkschaft stellen oder eigene verfassen. Die Ardo-Arbeiter in Groß-Enzersdorf zeigten noch etwas: Man kann selbstständig in den Streik treten und täglich darüber abstimmen, ob man weiterstreikt oder ein Verhandlungsergebnis akzeptiert. So kann man das Kräfteverhältnis zwischen den Bossen und den Beschäftigten am besten abtesten – und am meisten für die Arbeiter rausholen. Nützen wir die Kollektivvertragsverhandlungen, um allgemein in die Offensive zu kommen, jeder und jede kann dazu im eigenen Betrieb was beitragen, der Mutlosigkeit an der Gewerkschaftsspitze etwas entgegenzusetzen.
(Funke Nr. 217/26.9.2023)