Von Tsipras bis Trump werden „Eliten“ angegriffen und Erfolge eingefahren. Ob dies der österreichischen Linken aus der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit heraushelfen kann, fragt sich Sandro Tsipouras.
Unter Populismus versteht man eine politische Strategie, die darauf setzt, sich als einzigen Ausdruck des sogenannten „Volkswillens“ zu profilieren, der vom korrupten „Establishment“, den „etablierten Parteien“ bzw. der „Elite“ missachtet werde. Die Krise des Kapitalismus, die weltweit zu sinkenden Lebensstandards und damit zu einem Vertrauensverlust gegenüber der bürgerlichen Demokratie geführt hat, bietet den Nährboden, auf dem populistische Bewegungen derzeit einen Aufschwung erleben, sei es in einer linken Variante, vertreten von Bernie Sanders, PODEMOS in Spanien oder SYRIZA in Griechenland, oder von rechts, wie in Gestalt der FPÖ, AfD oder Donald Trumps.
Der Erfolg dieser Strategie rührt daher, dass sie sich eine unbestreitbare Wahrheit zunutze macht: Tatsächlich wird überall auf der Welt Politik im Interesse einer kleinen Minderheit und gegen die überwältigende Mehrheit gemacht. Das wird der Mehrheit immer deutlicher bewusst, und an diesem Bewusstsein knüpft der Populismus an. Der Hass aufs Establishment, auf den sich jede populistische Bewegung stützt, hat reale Gründe.
Auch in Österreich soll nun daran angeknüpft werden. So arbeitet Hofdichter Robert Misik derzeit an einem Buch über die „radikale politische Erneuerung“, die Bundeskanzler Christian Kern für Österreich und die SPÖ anstrebe. Das geplante Pamphlet reiht sich mit Kerns zahnloser CETA-Kritik und seinen vagen Aussagen über Arbeitszeitverkürzung und Maschinensteuer in eine Reihe populistischer Seifenblasen ein. Auch der grüne Nationalratsmandatar Peter Pilz fordert derzeit, wie schon in der Vergangenheit des Öfteren, ein Umschwenken seiner Partei auf einen linkspopulistischen Kurs, um den Rechtspopulismus der FPÖ zu bekämpfen.
Der linke Populismus von seinen bürgerlichen Gegnern nur allzu gern in die Nähe des Marxismus gerückt – PODEMOS mit Venezuela, SYRIZA mit der Sowjetunion und sogar Christian Kern mit Klassenkampf assoziiert. Dabei handelt es sich um einen Irrtum. Wo die Gegensätze in der Gesellschaft so zugespitzt sind wie jetzt, ist nackter Populismus eine Möglichkeit, die bürgerliche Demokratie wenigstens noch eine Zeit lang aufrecht zu erhalten. In den USA und Griechenland zeigt sich, dass bürgerliche Politik nur noch dann gemacht werden kann, wenn sie in Worten der Unterdrückung der gesellschaftlichen Mehrheit Rechnung trägt und ihren Hass auf die Unterdrücker ausdrückt. Gerade weil Tsipras und Trump sich als Volkstribune darstellen, sind sie als einzige in der Lage, jene scharfen Angriffe auf die Arbeiterklasse umzusetzen, die die Bourgeoisie in der Krise braucht.
Die soziale Basis des Populismus drängt auf einen Bruch mit den herrschenden Verhältnissen. Ob dieser Bruch möglich wird, ist aber nicht zuletzt die Frage nach einer bewussten revolutionären Strömung mit gesellschaftlicher Verankerung.