Die Krise, in der sich der ANC, die seit dem Ende der Apartheid in Südafrika herrschende Partei, befindet, hält weiter an – die Arbeiterklasse steht nicht abseits. Paul Ziermann berichtet.

Ende März versuchte Zuma seine innerparteilichen GegnerInnen durch die Ablöse des Finanzministers Pravin Gordhan und 20 weiterer Funktionäre zu schwächen. Gordhan steht innerhalb des ANC (African National Congress) für jene Fraktion, die sich gegen Zuma und seine Machenschaften stellt. Im Zentrum der Kritik stehen dabei Zumas enge Verbindungen zur indischen Gupta-Familie, die unter anderem Südafrikas einzige Uranmine besitzt und aktuell in arger wirtschaftlicher Bedrängnis steht, da die Banken die Konten dieses Familienkonzerns eingefroren haben. Gordhan stellte sich offensiv gegen diese spezifische mafiöse Symbiose von Politik und einer Kapitalgruppe. Dabei verfolgt er keinerlei prinzipienfesten, ehrlichen Motive. Der Konflikt zwischen Zuma und Gordhan ist primär der Konflikt zwischen verschiedenen Gruppen des südafrikanischen Kapitals, die mitten in einer verallgemeinerten Krise begonnen haben, sich gegenseitig zu zerfleischen. Gordhan repräsentiert dabei die Interessen der alten weißen ökonomischen Elite und der internationalen Finanzmärkte, Zuma jene der aufstrebenden schwarzen Bourgoisie.

Die Reaktion der Massen

Während die internationalen Ratingagenturen auf Zumas neuesten Coup reagierten, indem sie Südafrikas Staatsschuldentitel auf Ramschniveau hinabstuften, kam es zu Massenprotesten der Bevölkerung. Die südafrikanischen Massen haben genug von den Ränkespielen des Kapitals und dem Ausverkauf des Landes. Die Entlassung Gordhans und die Wiedereinsetzung Molefes, der zuvor seinen Posten als Chef des staatlichen Erdölkonzerns wegen Korruption räumen musste, waren nur weitere Tropfen auf den heißen Stein.

Die zunehmende gesellschaftliche Isolation der herrschenden Elite zeigte sich schon bei den Regionalwahlen im August 2016, als der ANC empfindlich Stimmen verlor. Kaum eine Woche vergeht, in der Zuma nicht mit Rücktrittsforderungen oder Protesten konfrontiert ist. Im vergangenen Herbst kam es zu den größten Studierendenprotesten seit dem Ende der Apartheid (wir berichteten). Präsident Zuma setzt dabei auf Repression und Populismus.

Ein Versuch Zumas, sich aus seiner gesellschaftlichen Isolation heraus zu manövrieren, war die Ankündigung, die südafrikanische Wirtschaft grundlegend zu verändern, indem z. B. GroßgrundbesitzerInnen ohne Entschädigungen enteignet werden sollten. Der Charakter dieses Vorschlages ist jedoch nicht antikapitalistisch, sondern allein dem Machtkampf innerhalb der südafrikanischen Bourgeoisie geschuldet.

Wie ernst zu nehmen Zumas Ankündigungen tatsächlich sind, zeigt die Tatsache, dass die Abgeordneten der Linkspartei „Economic Freedom Fighters“ (EFF) ihn beim Wort nahmen und am 28. Februar einen Antrag auf eben jene kompensationslosen Enteignungen in der Nationalversammlung einbrachten. Dieser wurde jedoch von der ANC-Mehrheit wegen „Verfassungswidrigkeit“ abgelehnt.

Abseits von dem schweren Konflikt zwischen den beiden Kapitalgruppen wissen beide Teile der führenden Kaste im ANC, dass sie mit einer weiteren Spaltung des ANC alles riskieren. Nur die tiefe Verankerung und Tradition des ANC aus dem Anti-Apartheidskampf sind es, die dem südafrikanischen Kapitalismus seine heute noch vorhandene Rest-Stabilität verleihen.

Die Gründung von SAFTU

Mit der Gründung eines neuen kämpferischen Gewerkschaftsdachverbandes, der South African Federation of Trade Unions (SAFTU), hat der Widerstand gegen die Regierung und das Kapital nun eine neue Dimension erreicht.

SAFTU hielt ihren Gründungskongress von 21. bis 23. April. 1384 Delegierte aus 24 Gewerkschaften nahmen daran teil. Sie repräsentierten etwa 700.000 ArbeiterInnnen, was SAFTU zum zweitgrößten Gewerkschaftsdachverband Südafrikas macht. Eine maßgebliche Kraft dabei ist die Gewerkschaft der Metallarbeiter (NUMSA), die bereits 2014 wegen ihrer unbeugsamen Haltung aus dem größten südafrikanischen Gewerkschaftsverband COSATU ausgeschlossen wurde. NUMSA allein hat 350.000 Mitglieder und sieht sich selbst als marxistisch-leninistische Kraft. Sie entzog der Kommunistischen Partei Südafrikas ihre Unterstützung, da diese an der Koalition mit dem ANC und den damit verbundenen Ministerposten festhält. Gegenüber den EFF, einer Linksabspaltung des ANC, kritisiert sie die undemokratischen Strukturen der Partei und die mangelnde Radikalität ihrer politischen Forderungen. Die EFF erreichten bei den letzten Parlamentswahlen im Jahr 2014 6,4 Prozent und sind damit auf Anhieb die drittstärkste politische Kraft im Parlament geworden.

Die Abschlusserklärung des Gründungskongresses von SAFTU ist ein kämpferisches antikapitalistisches Dokument. Die UnterzeichnerInnen – die sich selbst als internationalistisch und antiimperialistisch definieren – argumentieren, dass der Kapitalismus in der Krise steckt und ein Ausweg aus ihr nur durch eine demokratisch organisierte Bewegung der ArbeiterInnen zur Überwindung des Kapitalismus selbst erreicht werden kann. Sie fordern eine Verstaatlichung der Schlüsselindustrien (besonders in der Förderung von Bodenschätzen) und des Bankwesens. Auch stellt sich das Dokument eindeutig gegen alle Spaltungsmechanismen wie Sexismus und Rassismus. Wie stark die Gründung von SAFTU als neue Gewerkschaft die herrschende Klasse und die reformistischen SystemerhalterInnen verunsichert, zeigen die plumpen Versuche, diesen neuen Gewerkschaftsdachverband zu zerstören. So hat etwa die Gewerkschaft FEDUSA angekündigt, SAFTU wegen vermeintlicher Namensgleichheit zu verklagen. Die Panik der alten Gewerkschaften erklärt sich durch ihre eigene unrühmliche Rolle. So stellte sich der Präsident von COSATU öfter demonstrativ hinter Zuma.

Perspektiven

Der Schlüssel zur Lösung der wirtschaftlichen und politischen Krise in Südafrika liegt bei den ArbeiterInnen. Der ANC ist längst nicht mehr die Partei, die im Interesse der Massen agiert. Dies erklärt auch die panische Angst der Herrschenden vor einer Spaltung des ANC, ist er doch das letzte Instrument, die Massen ruhig zu halten. Genau diese gilt es nun zu mobilisieren. Gegen die Regierung Zuma, gegen Korruption und Misswirtschaft, aber auch gegen das System, das hinter der derzeitigen Krise steckt, den Kapitalismus an sich. Hierfür braucht es ein revolutionäres Programm. Die Gründungserklärung von SAFTU ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Im aktuellen Konflikt innerhalb der Bourgoise setzt die SAFTU auf die Kraft der Massen und droht mit der Besetzung öffentlicher Institutionen und Ministerien durch die Arbeiterbewegung. Sie unterstützt dabei keine Fraktion des Kapitals, sondern sagt: „SAFTU ruft die ArbeiterInnen auf, sich bereit zu machen! Die Zeit des Theoretisierens bei gleichzeitigem Stillstand ist vorbei! Verteidigt unser Land! Verteidigt die Zukunft unserer Kinder! Zieht euch eure Laufschuhe und Jogginganzüge an – und vergesst nicht eure roten T-Shirts und Mützen.”


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