Südafrika. Die Krise des ANC ist mit der Wahl Cyrill Ramaphosas zum neuen Vorsitzenden alles andere als gelöst. Daniel Ghanimi berichtet.
Jacob Zuma wurde 2007 im Rahmen der Konferenz von Polokwane zum Vorsitzenden der Partei. Auf dieser Konferenz setzte sich der linke Flügel des ANC zusammen mit COSATU, dem größten Gewerkschaftsdachverband Südafrikas, und der Kommunistischen Partei gegen den damals amtierenden Vorsitzenden und Kandidaten des rechten Flügels Thabo Mbeki durch. Heute, zehn Jahre nach dem Sieg der Linken bei Polokwane, ist von der klassenkämpferischen Euphorie von 2007 nichts mehr übrig.
Innerhalb des ANC tobt gegenwärtig ein Machtkampf zwischen zwei bürgerlichen Fraktionen, von denen keine die Interessen der lohnabhängigen Massen Südafrikas vertritt. Auf der einen Seite steht Cyril Ramaphosa, einer der reichsten Unternehmer des Landes und Vertreter des Großbürgertums, auf der anderen Seite Zuma als Vertreter einer aufstrebenden neuen Bourgeoisie rund um den reichen Gupta-Clan, der sein massives Vermögen vor allem dem Uran- und Goldabbau verdankt.
Im Rahmen der 54. ANC-Konferenz, die von 16. bis 20. Dezember in Soweto stattfand, wurde ein Kompromiss zwischen diesen beiden Flügeln geschaffen, um eine Parteispaltung zu verhindern – es waren gleich viele KandidatInnen aus beiden Lagern vertreten. Das Kräftegleichgewicht wurde auch bei den Wahlergebnissen deutlich. Cyril Ramaphosa gewann die Wahl mit 2440 Delegiertenstimmen, ein verschwindend kleiner Vorsprung gegenüber Nkosazana Dlamini-Zuma – Zumas Ex-Frau sowie frühere Außen und Innenministerin –, die nur 179 Stimmen weniger hatte.
Dieser Deal zwischen den beiden politischen Fraktionen der herrschenden Klasse hat die Partei zwar in eine Sackgasse geführt, bringt ihnen jedoch kurzfristig einige Vorteile. So wird der korruptere Zuma-Gupta-Flügel nicht aus der Partei ausgeschlossen und kann sich weiter aus den Staatskassen bedienen, während die GroßkapitalistInnen rund um Ramaphosa aufatmen können, da eine Spaltung des ANC – das zentrale Instrument der herrschenden Klasse Südafrikas, die Massen ruhig zu halten – vorerst verhindert wurde.Doch diese Stabilität wird nicht lange halten, da mit diesem faulen Kompromiss die Basis für die Lähmung der Partei und für massive innerparteiliche Konflikte geschaffen wurde.
Die Konferenz hat weitere Konsequenzen. Durch sie kommt es zum Einzug der reaktionärsten Schichten in die höchsten Parteigremien. Als Beispiel dafür dienen David Mabuza und Ace Magashule. Mabuza, dessen politische Anfänge in der ländlichen Provinz Mpumalanga liegen, gilt seit der Wahl als zweitmächtigster Mann im ANC. In seiner Heimatprovinz hat er den Ruf eines brutalen Warlords, dem die bezahlte Ermordung seiner politischen GegnerInnen nachgesagt wird. Magashule war Vorsitzender des ANC in der Provinz Freistaat und fiel in seiner 23-jährigen Amtszeit vor allem durch die Verwicklung in unzählige Korruptionsskandale und die Manipulation der Parteistrukturen auf.
Ramaphosas Ankündigung, die Korruption zu bekämpfen, wird von den bürgerlichen Medien gefeiert. Sie sehen ihn als „Hoffnungsträger“, der mit den Machenschaften Zumas und des Gupta-Clans aufräumt. Doch der konzernfreundliche Milliardär, der am Marikana-Massaker – der blutigen Niederschlagung des MinenarbeiterInnenstreiks im Jahr 2012 mit 47 Toten – beteiligt war, wird die Probleme der Massen nicht lösen: Er engagiert sich für die Einschränkung des Streikrechts und für die Einführung eines mickrigen gesetzlichen Mindestlohns.
Doch die klassenkämpferische Energie der Ausgebeuteten und Unterdrückten Südafrikas wächst ständig an. Mit der Linkspartei „Economic Freedom Fighters“ und der South African Federation of Trade Unions (SAFTU), einem marxistisch geprägten Gewerkschaftsverband mit revolutionärem Programm, haben die südafrikanischen ArbeiterInnen der korrupten herrschenden Klasse den Kampf angesagt. Vor allem SAFTU fordert eine Verstaatlichung der Schlüsselindustrien (besonders in der Förderung von Bodenschätzen) und des Bankwesens, spricht von der Notwendigkeit der Überwindung des Kapitalismus durch die demokratisch organisierte ArbeiterInnenklasse und mobilisiert gegen Rassismus und Sexismus – Spaltungsinstrumente, die im Dienste des Kapitals stehen.