Nach dem Regierungssturz in Algerien kommt die Region nicht zur Ruhe: Am 11. April 2019 stürzten die sudanesischen Massen den Diktator Omar Al-Bashir, der für 30 Jahre das Land beherrschte.

Wie es auch in anderen Ländern seit Beginn des arabischen Frühlings geschehen ist, hat die Armee unverzüglich versucht, das Machtvakuum zu füllen. Der Militärische Übergangsrat (Transitional Military Council, TMC) – ein selbsternanntes Gremium von Spitzen der Armee und der Sicherheitsdienste – erklärte den ehemaligen Präsidenten für abgesetzt und ernannte seinen Vizepräsidenten, Ahmed Awad Ibn Auf, zum vorläufigen Staatsoberhaupt.

Die Massen, die aus den Niederlagen der ersten Welle der arabischen Revolution gelernt haben, ließen sich jedoch nicht täuschen, strömten auf die Straßen, widersetzten sich der Ausgangssperre und verlangten von der Armee, sich zurückzuziehen. Ibn Auf war binnen 24 Stunden gezwungen, zurückzutreten. Er fiel als zweites Staatsoberhaupt in drei Tagen und wurde durch den Generalleutnant Abdel Fattah al-Burhan ersetzt.

Die Massenproteste setzen sich unbeirrt fort. Im besetzten Stadtzentrum der Hauptstadt Khartoum organisieren sie in Schichten selbstständig Straßenreinigung, Kinderbetreuung, Nahrungs- und ärztliche Versorgung und sorgen für Sicherheit. Selbst Soziales wie Hochzeiten, Feiern und übertragene Fußballspiele findet statt. Die arbeitenden Massen sind wahrhaftig weitaus besser dazu imstande, die Gesellschaft zu organisieren, als die parasitäre Elite, die das Land jahrzehntelang beherrscht hat.

Das Selbstvertrauen wächst

Der TMC ist gezwungen, sich als Unterstützer der Revolution darzustellen – nicht zuletzt, weil sich die normalen Soldaten der Armee mit der Bewegung solidarisieren. Er hat politische Gefangene aus der Haft entlassen und am Samstag, den 20. April, eine Reihe von Topmitgliedern der Partei Bashirs verhaftet und den Ex-Diktator selbst ins Kobar-Hochsicherheitsgefängnis in Khartoum gebracht.

Die ständigen Kampferfolge – der Sturz zweier Staatsoberhäupter in drei Tagen und die Festnahme Bashirs – geben der Revolution ein ungeheures Selbstvertrauen. Doch die Führung der Bewegung, der Gewerkschaftsverband SPA, der ‚mittelständische Berufe‘ ÄrztInnen, JournalistInnen, AnwältInnen u.ä. organisiert, weiß mit diesen Erfolgen nichts anzufangen. Anstatt die Macht zu ergreifen, ließ sie sich auf Verhandlungen mit dem TMC ein, zu denen es gar keinen Anlass gibt. Zudem wurden diese Verhandlungen von irgendwelchen Leuten geführt, die niemand gewählt hatte und die von niemandem kontrolliert wurden.

Zwischen den Anmaßungen des TMC, der unbedingt an den Futtertrögen der Macht verbleiben will und deshalb eine „gemeinsame, zivile und militärische Regierung“ fordert, und dem Druck der Massen, die jede Verbindung zum alten Regime zerstören wollen, wird die SPA hin- und hergerissen. Zunächst kündigte sie an, am Sonntag, den 21. April, wollte sie ihre KandidatInnen für einen zivilen Übergangsrat vorstellen, die den Sudan während der nächsten „vier Jahre (!) unter dem Schutz der Streitkräfte regieren“ sollte. Diese KandidatInnen wurden nicht vorgestellt. Stattdessen hat die SPA die Verhandlungen abgebrochen und zu einer Ausweitung der Proteste aufgerufen.

Diese schwankende Führung läuft Gefahr, die Fehler der Tamarod-Bewegung in Ägypten zu wiederholen. Auch damals wussten die FührerInnen nicht, was sie mit der Macht anfangen sollten, übergaben sie dem Militär und wurden daraufhin zu politisch Verfolgten. Die Massen des Sudan haben nicht die Zeit, darauf zu warten, dass sie von Vertretern des alten Regimes ihr Recht erhalten, sie müssen in die Offensive gehen und es sich nehmen, bevor die Konterrevolution sich zum Gegenangriff rüsten kann. Die Massen können sich nur auf die eigenen Kräfte stützen. Sie müssen das ganze Bashir-Regime dem Erdboden gleichmachen und es durch einen Staat der Arbeiter, Bauern und Armen ersetzen. Am allerwichtigsten ist aber, dass sie den sudanesischen Kapitalismus abschaffen, der den Völkern des Landes nichts als endloses Elend gebracht hat.


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