Die USA und die EU planen eine Militärintervention in Libyen. Hintergründe beleuchtet Fred Weston.

In Libyen herrscht de facto Bürgerkrieg. Teile der Armee haben sich den Aufständischen angeschlossen, die Revolution ist längst bewaffnet. Aber Gaddafi will bis zum letzten Blutstropfen an der Macht festhalten und ist bereit das ganze Land in den Abgrund zu stürzen.

Heuchelei des Imperialismus

Angesichts eines solchen Szenarios läuten bei den imperialistischen Weltmächten die Alarmglocken. Deshalb machen die Druck auf Gaddafi, damit dieser endlich zurücktritt. Die Krise in Libyen und der damit verbundene Anstieg des Erdölpreises droht das ohnedies schwache Wachstum der Weltwirtschaft zu gefährden. Eine neuerliche Rezession ist unter diesen Umständen nicht auszuschließen.

Das ist der wahre Grund, warum sich der Westen nun angesichts des “humanitären Desasters” in Libyen besorgt zeigt. Der UNO-Sicherheitsrat hat bereits einstimmig Sanktionen gegen Gaddafis Regime beschlossen. Das inkludiert ein Waffenembargo und das Einfrieren von Gaddafis Vermögen im Ausland.
Die USA und Großbritannien überlegen die Möglichkeit eine Flugverbotszone über Libyen zu errichten, wie dies einst gegen den Irak der Fall war. Die USA haben Kriegsschiffe in die Region entsandt, und die britische Regierung plant die Verlegung von Kampfjets auf die RAF-Basis Akrotiri in Zypern.
Es wird mittlerweile offen eine militärische Intervention diskutiert.

Die Heuchelei des Westens kennt in diesem Fall keine Grenzen. Bis zuletzt haben die USA und europäische Staaten hervvoragende politische und ökonomische Beziehungen zu Gaddafi gepflogen. Libyen wurde als Bündnispartner im “Krieg gegen den Terror” gesehen. In dem Dokument Congressional Budget Justification, Foreign Operations FY 2009 Budget Request brachte die US-Administration ihre Anliegen klar zum Ausdruck:
“…die USA werden Arbeitsbeziehungen mit Libyens Sicherheitskräften herstellen, die helfen werden die Kooperation im Kampf gegen den Terror zu verstärken. US-Militärausbildungs- und –trainigsgelder werden für die Ausbildung von libyschen Sicherheitskräften verwendet, um lebendige Beziehungen mit libyschen Offizieren nach einer 35jährigen Pause wiederherzustellen.”
“Dies schließt Trainigsprogramme im Sinne der Demokratie und der Menschenrechte mit ein, die libysche Offiziere in den USA besuchen sollen.”

2008 erhielt Gaddafi von den USA $333,000 aus den Geldern des Programms IMET - International Military Education and Training (für 2009 waren weitere $350,000 budgetiert), damit Libyen “auf weapons of mass destruction verzichtet; die rasch anwachsende terroristische Bedrohung durch al-Qaeda in Libyen und der gesamten Region bekämpft; und eine rechtsstaatliche Praxis sowie militärische Dienste unterstützt, die internationalen Normen entspricht.” (Quelle: http://www.state.gov/t/pm/ppa/sat/c14562.htm).

Die EU und Russland waren um keinen Deut besser. Allein 2009 haben laut einem EU-Bericht europäische Staaten Gaddafi militärische Ausrüstung im Wert von 344 € zur Verfügung gestellt. Russland unterzeichnete 2010 einen Vertrag mit Libyen, der die Lieferung von Waffen in der Höhe von 1,3 Mrd. € vorsah. Und plötzlich wollen diese Damen und Herren, dass Gaddafi geht. Kein Wunder, wenn der Diktator in Tripolis die Welt nicht mehr versteht und sich von seinen einstigen Freunden verraten fühlt.

Militärintervention

Die USA und die EU überlegen derzeit auch eine Militärintervention in Libyen. Sie wollen die Krise in Libyen zum Vorwand nehmen, um in Nordafrika einen Fuß auf den Boden zu bekommen, nachdem ihr Einfluss durch die Revolutionen in Tunesien und Ägypten erschüttert wurde. Ihr wichtigstes Anliegen dabei ist nicht das Wohlergehen der libyschen Bevölkerung sondern die Sicherstellung des Zugangs zu den Erdölfeldern des Landes und der Schutz der Interessen westlicher Konzerne, die in Libyen tätig sind.

Die meisten multinationalen Erdölkonzerne operieren heute in Libyen. Der Einbruch der Erdölproduktion im Zuge der revolutionären Erschütterungen ist dem Westen ein Dorn im Auge. Eine Folge ist der stark steigende Erdölpreis.

Doch was die Großmächte wohl genauso besorgt macht, ist die Tatsache, dass sich die revolutionäre Situation in Libyen durch Gaddafi Festhalten an der Macht derart zugespitzt hat, dass sich großte Teile der Armee dem Aufstand angeschlossen haben. In vielen Teilen des Landes hat das alte Regime seine Macht vollständig eingebüßt. Dadurch droht der Westen seinen politischen Einfluss auf Libyen zu verlieren.

Befreiung

SozialistInnen auf der ganzen Welt lehnen eine imperialistische Intervention unter dem Deckmantel einer “humanitären Aktion” entschieden ab. Doch auch die revolutionäre Bewegung in Libyen selbst hat sich eindeutig gegen eine solche Invasion ausgesprochen. So meinte Hafiz Ghoga, Sprecher des in Benghazi neu gegründeten “Nationalen Libyschen Rates”: “Wir sind ganz klar gegen eine Intervention von außen. Der Rest von Libyen wird vom Volk selbst befreit werden … und Gaddafis Sicherheitstruppen werden vom libyschen Volk ausgeschaltet.”

JournalistInnen, die in die befreiten Gebiete in Libyen gereist sind, berichten von riesigen Transparenten mit der Aufschrift “Nein zu einer Intervention von außen”. Die Menschen lehnen auch Waffen seitens der USA ab. Sie verstehen nur zu gut, dass eine Invasion durch NATO-Kräfte, selbst wenn diese von den Vereinten Nationen abgesegnet würde, ihrem Kampf nur schaden kann.

Sie durchschauen längst das Spiel des Westens, der kein Problem mit Gaddafis despotischem Regime hatte, solange dieses fest im Sattel saß. Folter und politisch motivierte Morde in Libyen waren schon damals gang und gäbe, was die “demokratischen” Staaten aber nicht daran hinderte mit dem Regime in Tripolis Geschäfte abzuschließen. Sie verkauften Waffen an Libyen und bildeten seinen Sicherheitsapparat aus, der nun gegen die Bevölkerung zum Einsatz kommt.

Gaddafi zu stürzen, ist die Aufgabe der libyschen Bevölkerung selbst. Die USA und die EU würden mit einer Intervention nur versuchen den Jugendlichen, ArbeiterInnen und Arbeitslosen den Sieg zu stehlen. Es ist unsere Aufgabe dem Imperialismus im eigenen Land einen Strich durch diese Rechnung zu machen.


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