Vergangenen Freitag wurde der 26. Nationale Kongress unserer Schwesterströmung in Pakistan “The Struggle” (Der Kampf) eröffnet. Zwei Tage lang diskutierten die pakistanischen MarxistInnen in der Iqbal Hall im Zentrum Lahores über die Perspektiven der Weltrevolution und die Aufgaben der MarxistInnen.

Obwohl die meisten Studierenden um diese Zeit des Jahres gerade ihre Klausuren schreiben und im Bundesstaat Süd-Punjab Regionalwahlen abgehalten wurden, war der Kongress ein voller Erfolg. Es nahmen exakt 2.193 ArbeiterInnen, GewerkschafterInnen, Studierende sowie Bauern und Bäuerinnen aus ganz Pakistan am Kongress teil. Dieses jährliche Großereignis ist für viele AktivistInnen zu einem politischen Fixpunkt geworden. Am Vortag hatten rund 1.000 GenossInnen den „roten Zug“ von Norden her genommen. Die Hälfte davon waren aus Kashmir, der Rest kam aus Peshawar und anderen Teilen Pukhtoonkhwa (früher bekannt als North West Frontier), Islamabad und Rawalpindi. Viele GenossInnen hatten die größten Opfer auf sich genommen und etwa ihre persönlichen Habseeligkeiten verkauft, um sich die Reise zum Kongress leisten zu können.

Internationale Gäste kamen aus Großbritannien, Belgien, Australien, Indien und Afghanistan. Wie ein Redner es ausdrückte: “Wir sind in erster Linie Mitglieder einer Internationale, und erst in zweiter Hinsicht AktivistInnen einer pakistanischen Organisation.“ Die Anwesenheit von 16 Gästen aus Indien war ein großer Schritt vorwärts, da in der Vergangenheit ihr Kommen immer wieder von den Behörden durch Visa-Probleme verhindert worden war. Die indischen Gäste wurden am Beginn des Kongresses von den Delegierten mit stehendem Beifall empfangen.

Bevor der Kongress zu tagen begann, erinnerte Genosse Lal Khan an den im Vorjahr verstorbenen Marxisten Ted Grant. Er würdigte ihn als einen Menschen, dessen Gedanken in vielerlei Hinsicht die pakistanischen MarxistInnen beeinflusst hatten. Der Kongress erhob sich zu einer Schweigeminute um dem großen alten Mann des Trotzkismus die letzte Ehre zu erweisen.
Danach wurden Grußadressen verlesen. Organisationen aus insgesamt 44 Ländern hatten Nachrichten nach Pakistan geschickt. Besonders herzlich wurde ein offener Brief von israelischen MarxistInnen aufgenommen.

Die erste Sitzung war der Diskussion der Weltperspektiven gewidmet. Alan Woods hielt das Einleitungsreferat: „Dies ist ein historisches Ereignis für den gesamten Subkontinent. The Struggle begann als ganz kleine Organisation, und heute tagt er im größten Saal von Lahore. Ich denke, dass wir uns kommendes Jahr in der Nationalversammlung treffen werden müssen!“
Alan Woods sprach über die allgemeine Weltsituation und konzentrierte seine Ausführung auf den Irak, den Mittleren Osten und die angedrohten Militärschritte gegen den Iran. Er betonte, dass sich die ImperialistInnen heute in einer ausweglosen Situation in Afghanistan befinden. Dies wiederum bedeute eine ernsthafte Bedrohung der Stabilität Pakistans. Die US-AmerikanerInnen übten extremen Druck auf die Regierung in Islamabad aus, sich am Krieg in Waziristan zu beteiligen, in dem die pakistanische Armee bereits 800 Tote zu beklagen hatte. Die Verluste unter der Zivilbevölkerung sind nicht abschätzbar hoch, was nur die anti-US-amerikanische Stimmung weiter anheizt.

Genosse Woods’ Einleitungsstatement wurde mit stehendem Beifall begrüßt. Es folgte eine intensive Diskussion. Der erste Redner war ein Genosse aus Indien, der vom Klassenkampf in seinem Land berichtete. Ihm folgte Damien Mc Arthur, der einen detaillierten Bericht über die Situation in Australien gab und auf die Interventionen des australischen Imperialismus im Pazifik (Fiji, Tonga usw.) einging. Genosse Maarten Vanheuverswyn aus Belgien berichtete von der Situation in Frankreich. Er stellte die diesjährige Bewegung als Teil einer Reihe von Klassenkämpfen dar, die wir in der jüngsten Vergangenheit überall in Europa gesehen haben.

In seiner Antwort beschäftigte sich Alan vor allem mit Afghanistan und dem Iran. Er warnte vor der sich entwickelnden chaotischen Situation in Afghanistan, die dramatische Auswirkungen auf den gesamten Subkontinent haben könnte. „Die Menschheit steht vor der Wahl: Sozialismus oder Barbarei. Entscheiden wir uns für den Sozialismus – auf der Grundlage einer geeinten ArbeiterInnenbewegung werden wir gewinnen!“

Arbeit unter den Massen

Eine Reihe von Dokumenten waren im Vorfeld des Kongresses diskutiert worden. Das erste bezog sich auf den Aufbau der Organisation, das zweite hieß „Die Massen erreichen“, das dritte handelte von den Perspektiven für Pakistan („Die sozialistische Revolution und Pakistan – Perspektiven 2007“) und schließlich ein Dokument zu internationalen Perspektiven, das in Buchform („Der Sozialismus des 21. Jahrhunderts“) herausgegeben wird.

Genosse Manzoor Ahmed sprach in der Sitzung über die Arbeit in Massenorganisationen. Er ging auf die Strategie und Taktik der pakistanischen MarxistInnen in Bezug auf die Massenbewegungen ein, insbesonders auf die Gewerkschaften und auf die Pakistan Peoples’ Party (PPP).

Im Zuge der sehr lebhaften Debatten sprachen eine Reihe von wichtigen AktivistInnen, u.a. Genosse Adil Khan, der Vorsitzende der JKNSF (Marxist), der eine sehr kämpferische Rede über die Situation der Jugend in Kashmir hielt.

Ghulam Abbas, einer der wichtigsten MassenführerInnen Pakistans, ergriff ebenfalls das Wort. Der Veteran der PPP hielt ebenfalls eine militante Rede, in der er den Sturz des bürgerlichen Staats als erste Bedingung für die sozialistische Revolution Pakistans nannte.

Ihm folgte Ilyas Khan, der ehemalige Generalsekretär der PPP-Jugend. Er spielt heute eine führende Rolle in der Bewegung der AnwältInnen in Multan. Es sprachen weiters Nazer Gondal, ein ehemaliger Gouverneur von Zentral-Punjab und Aktivist der PPP. Der Generalsekretär des Volksarbeitsbüros in Karachi, der über Arbeitskämpfe – und hier im speziellen über den siegreichen Konflikt bei Pakistani Steel – berichtete. Dieser Sieg war v.a. durch die Arbeit der PTUDC und von Genossen Manzoor ermöglicht worden.

Es folgten Kommissionen zu Gewerkschaftsarbeit, Jugendarbeit und zu der Arbeit unter den Frauen.

Am zweiten Tag sprach der ehemalige Generalsekretär der Kommunistischen Partei Pakistans Jam Saqi, der sich dem Struggle angeschlossen hat. Er merkte an, dass deren Kongresse immer von Spaltungen und Auseinandersetzungen geprägt waren. „Hier hingegen läuft alles sehr diszipliniert ab und es herrscht eine Homogenität der Ideen. Ich kam zu diesem Kongress als alter Mann mit schweren gesundheitlichen Beschwerden. Jetzt fühle ich mich jünger und gesünder denn je zuvor.“

Der Genosse Hamid Khan, ein bekannter Gewerkschaftsführer von Balutschistan, sprach über die Taliban und ging auf die Widersprüche zwischen den FundamentalistInnen und dem Geheimdienst ISI ein.

“Die Kräfte der Taliban und die Armee sind grundsätzlich fundamentalistische Kräfte. Es gibt eine künstliche Linie, die das Volk entzweit – wir lehnen diese Bruchlinie ab. Es gibt eine starke kulturelle Tradition, die die Völker von Pakistan und Afghanistan verbindet. Was in einem Land passiert, hat Auswirkungen auf das andere Land. Die Menschen stehen in Opposition zum US-Imperialismus, aber sie lehnen auch die fundamentalistischen ReaktionärInnen ab. In Afghanistan wehren sich die Leute gegen die Taliban, und selbst in Waziristan hat es lokale Aufstände der Bevölkerung gegen sie gegeben.“

Andere RednerInnen, wie Anwar Zeb aus Pukhtoonkwa, gingen ebenfalls auf die Situation der Grenzregion zu Afghanistan ein und stellte ein Verbindung zum Irak her. Er berichtete, dass 25 GenossInnen von Waziristan (dem Stammesgebiet an der pakistanischen Grenze zu Afghanistan) am Kongress anwesend seien – eine wichtige Entwicklung, die zeigt, dass es selbst in den abgelegendsten Orten möglich ist, eine revolutionäre Organisation aufzubauen, die in der Lage ist, den FundamentalistInnen die Stirn zu bieten.

Es folgten Berichte aus den Kommissionen vom Vortag. Genossin Sadaf, die auf Einladung des Funke vor einigen Jahren in Österreich zu Gast war, sprach über die Arbeit unter den Frauen und berichtete vom Aktionstag am 8. März, an dem The Struggle in ganz Pakistan Flugblätter verteilt und Veranstaltungen organisiert hatte. Sie drängte darauf, mehr Frauen in die Organisation zu holen: „Die Situation der Frauen ist besonders schlecht. Wenn sie sich aber einmal organisiert haben, dann gehören sie zu den kämpferischsten Teilen der ArbeiterInnenklasse.“

Die Jugendkommission berichtete von einer geplanten Massendemonstration, die im September zum Thema Jugendarbeitslosigkeit abgehalten werden soll. Die GenossInnen haben die BNT, die Bewegung der jugendlichen Arbeitslosen, gegründet. Die Organisation mache überall im Land große Fortschritte.

Die abschließende Sitzung

Maarten Vanheuverswyn erstattete den internationalen Bericht der IMT, in dem er vor allem auf die Entwicklung der Strömung in Lateinamerika einging. Der Bericht wurde mit großem Interesse aufgenommen.

Alan Woods durfte die Schlussworte halten. Er betonte den qualitativen Sprung, den The Struggle in den vergangenen zwölf Monaten gemacht hat:

„Dieser Kongress ist ein entscheidender Wendepunkt für den Marxismus in Pakistan. Die Entwicklung der Organisation hat viele Jahre harter Arbeit bedurft. Jetzt können wir die Früchte dieser Arbeit ernten.

Jede Organisation macht, ebenso wie jeder Mensch, eine Entwicklung durch: Vom Embryo über die Kindheit und die Jugend zur Reife eines Erwachsenen. Trotz des großen Wachstums der vergangenen Jahre war die Organisation in mancher Hinsicht noch sehr zerbrechlich gewesen. Heute hat The Struggle tiefe Wurzeln in ganz Pakistan geschlagen. Die Vorgeschichte der Strömung ist abgeschlossen. Jetzt beginnt ihr damit, eine Massenorganisation aufzubauen, die den geschichtlichen Aufgaben gerecht werden kann. Das Wachstum des vergangenen Jahres war sehr wichtig, aber ihr seid noch immer zu klein angesichts dieser riesigen Aufgaben. 5.000 GenossInnen zu erreichen sollte ein moderates Ziel für das kommende Jahr sein.

Dieser Kongress ist völlig verschieden von jedem anderer politischen Konferenz in Pakistan. Auf den Konferenzen der bürgerlichen Parteien und der NGOs bekommen die Delegierten für die Teilnahme Geld. Auf unserem Kongress nehmen ArbeiterInnen, Bauern und Bäuerinnen, und Jugendliche die größten finanziellen Opfer auf sich, um teilnehmen zu können. Auf anderen Kongressen gibt es keine offene Diskussion über politische Ideen. Die wichtigen Diskussion finden hinter den Kulissen statt. Man streitet, wer welches Amt bekommen soll. Hier hingegen steht die politische Diskussion im Vordergrund.“

Alan begrüßte die große Zahl junger Delegierter, aber auch die wachsende Zahl von Veteranen der ArbeiterInnenbewegung, von GewerkschafterInnen und KommunistInnen, die nun der Organisation beitreten: „Wir knüpfen den Knoten der Geschichte neu.“ Er betonte die große Bedeutung der Anwesenheit von Jam Saqi, dem bekannten ArbeiterInnenführer und ehemaligem Generalsekretär der KP Pakistan.

Zum Abschluss erhob sich der Kongress zur Internationale. Viele Delegierte kamen aufs Podium, tanzten und riefen: „Inqlab, Inqlab, Socialist Inqlab!“ – Revolution, Revolution, Sozialistische Revolution!

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