Am 2. September 2016 hat in Indien der größte Streik der Weltgeschichte stattgefunden. Lisa Auer berichtet.
Zwischen 150 und 180 Millionen ArbeiterInnen beteiligten sich am „All India Strike“ rund um die 12 Forderungen der großen Gewerkschaften des Landes an die Regierung. Diese beinhalten eine Erhöhung des Mindestlohns, eine Pension für alle ArbeiterInnen, den Stopp der Privatisierungen staatlicher Unternehmen und der stetigen Preiserhöhungen sowie die Bekämpfung der unternehmerfreundlichen Gesetzesänderungen.
Dieser massive Widerstand der Arbeiterklasse Indiens zeigt, dass sie bereit ist, sich gegen die ständigen Angriffe von der nationalkonservativen Modi-Regierung auf die Lebensbedingungen der lohnabhängigen Massen zur Wehr zu setzen. Beschäftigte aus sämtlichen Wirtschaftszweigen des Landes ignorierten die Drohungen der Ministerien und Unternehmensführungen und nahmen an der Streik-Aktion teil.
Obwohl elf Gewerkschaftsdachverbände nur zu nationalen sektoralen Streiks aufgerufen hatten, waren vor allem die Bundesstaaten im Süden Indiens generalstreikmäßig weitgehend lahmgelegt. Viele unorganisierte ArbeiterInnen in prekären Beschäftigungsverhältnissen und selbstständige KleinunternhemerInnen und Bauern schlossen sich dem Kampf an. Die Welle des Widerstands erfasste auch die großen Industriezentren Delhi, Pune, Mumbai und viele andere Millionenstädte. Schon seit Monaten bereiteten sich die Gewerkschaften auf den „All India Strike” vor. Auf der anderen Seite tat die herrschende Klasse alles die Kraft des Streikes im Vorfeld zu unterminieren. Medienkonzerne, Polizei, Gerichte sowie Konzernführungen stellten sich hinter die Anstrengungen der Regierung. Nur wenige Tage vor dem Streik machte der Finanzminister einer regimetreuen Gewerkschaft Zugeständnisse beim Mindestlohn, um die Streikfront aufzuspalten. Diese Demobilisierungsversuche blieben jedoch weitgehend erfolglos. Trotz des im globalen Vergleich hohen Wirtschaftswachstums verbessert sich die soziale Situation für hunderte Millionen nicht. Ein Viertel der Bevölkerung lebt von weniger als 1,25 Dollar pro Tag, jeder zehnte Todesfall ist auf fehlendes Trinkwasser zurückzuführen. Ein Viertel der Bevölkerung sind Analphabeten und nicht einmal die soziale Stigmatisierung durch das Kastenwesen konnte auf Basis des Kapitalismus überwunden werden.
Seit 2009 fanden 12 „All India Strikes” statt. Auch Studiereden führten heuer einen monatelangen Massenkampf. Im ganzen Land kommt es zu einem Anstieg von Demonstrationen, militanten Streiks und politischen Unruhen, wie aktuell im indisch besetzten Teil von Kaschmir. Streikaktionen, wie die am 2. September, sind zwar insofern von immenser Bedeutung, als dass sich die ArbeiterInnen des günstigen gesellschaftlichen Klassenverhältnisses und der daraus resultierenden Macht kollektiv bewusst werden. Der größte Streik der Geschichte der Menschheit war aber nur der Vorbote großer gesellschaftlicher Veränderungen in der Zukunft.