Die Medienheuchlerei über Bürgerkrieg erreichte mit dem Kampf um Aleppo seinen Höhepunkt. Assad wird als teuflischer Tyrann, die fundamentalistischen Rebellengruppen als heldenhafte Befreier dargestellt.Von Lisa Auer.
Aleppo wurde nach blutigen Kämpfen vollständig von der Regierung zurückerobert. Die Regierungstruppen wurden dabei von Assads Verbündeten Russland und dem Iran militärisch unterstützt. Der Sieg war ein harter Schlag ins Gesicht der westlichen Großmächte. Diese unterstützen schon seit Beginn der syrischen Revolution islamistische Milizen, um das Regime zu stürzen und so ihre Interessen in der Region durchzusetzen. Aus diesem Umstand wird klar ersichtlich: das Entsetzen über die Massaker in Aleppo ist keineswegs moralisch begründet.
Von der Revolution zur Konterrevolution
Angesichts des Vorbilds der Revolutionen in Tunesien und Ägypten und wirtschaftlichen Abstieg für einen Teil der Menschen war es nicht verwunderlich, dass sich auch Syrien 2011 der arabischen Revolution anschloss. Tausende Menschen, vor allem Jugendliche und Arme, gingen auf die Straße und demonstrierten für Demokratie und bessere Lebensverhältnisse. Aufgrund der massiven Unterdrückung durch das Assad-Regime und der Intervention des Westens und seiner Verbündeten ging die Entwicklung sehr schnell in Richtung bewaffneter Auseinandersetzungen. Durch das Fehlen einer revolutionären Partei und das Fehlen einer organisierten Teilnahme der Arbeiterklasse an der Bewegung wurde die syrische Revolution erstickt und verwandelte sich in ihr Gegenteil.
Die USA und verbündete Mächte witterten ihre Chance, das Land ihrem Imperialismus zu unterwerfen und so dem bisher geduldeten Regime Assads ein Ende zu bereiten. Der Westen, aber auch Saudi Arabien und Katar begannen so, die reaktionärsten Milizen finanziell zu unterstützten. Dies brachte ihnen zwei Vorteile. Einerseits wurden die progressiven revolutionären Kräfte immer weiter zurückgedrängt und andererseits das gegnerische Regime bedroht.
Machtsphären
Ein großer Teil der syrischen Bevölkerung, welcher anfangs auf Seiten der Revolution stand, wandte sich aus Angst, die Assad-Regierung könnte von einer noch reaktionäreren Terrorgruppe gestürzt werden, wieder der Regierung zu oder sah überhaupt keine Hoffnung mehr. Dies kann als ein Erfolg des Westens verbucht werden, die arabische Revolution in Syrien zu unterbinden. Assad brauchte Verbündete im Kampf gegen den inneren Feind, die islamistischen Rebellen, und den Unterstützern ebendieser Gruppen. Russland und der Iran unterstützten Assad von Anfang an. Die Verbündeten hatten schon vor dem Bürgerkrieg Einfluss in der Region. Die Abhängigkeit von ihnen hat sich also in den letzten Jahren für Assad lediglich verstärkt.
Die Strategische Situation war von Beginn an sehr klar. Die USA und der Westen wollten nach einer Reihe von Demütigungen in der arabischen Revolution offensiv ihre Interessen wieder auf die Tagesordnung bringen. Putin war gezwungen, zur Unterstützung des syrischen Regimes zu intervenieren, um die einzige russische Basis im Nahen Osten zu bewahren. Durch die Schwäche der USA wurde für Russland aus dieser Defensive eine Chance. Syrien ist nicht nur Putins (Wieder-)Eintrittskarte in die große Weltpolitik. Es ist auch geostrategisch und wirtschaftlich bedeutsam als Knotenpunkt zwischen Arabischer Halbinsel und Kleinasien/Europa.
Seit langem ist etwa eine Pipeline geplant, die Europa und die Türkei mit Erdgas aus Katar versorgen soll. Ein Teil der Route läge in Syrien. So lange Assad also an der Macht ist, kann sich Russland sicher sein, das seine Stellung auf dem europäischen Markt nicht gefährdet ist. Das europäische Kapital sucht dagegen einen Kompromiss, der seine wirtschaftlichen und strategischen Interessen nicht gefährdet. Um „Menschenrechte“ geht es dabei niemandem.
Heuchelei des Westens
Wie künstlich nun die Empörung über die Schlacht in Aleppo ist, kann man an etlichen Beispielen erkennen. Bezeichnend ist unter anderem der Umgang mit der dschihadistischen al-Zenki- Bewegung. Mitte Juli 2016 wurde ein Video veröffentlicht, auf dem ein Mitglied den 11 oder 12 jährigen Abdullah Issa auf grausamste Art und Weise enthauptet. Daraufhin sagt einer der Männer, sie seien schlimmer als der IS. Trotzdem wurden Mitglieder diese Bewegung im Vorfeld dazu immer wieder als „moderate Rebellen“ präsentiert.
Einerseits versuchen die kapitalistischen Medien, sich mit Entrüstung über die grausame Rolle Assads im Bürgerkrieg zu überbieten, auf der anderen Seite schweigen sie zu den nicht weniger schlimmen Gräueltaten der islamistischen Gruppierungen. Ob der Tod von ZivilistInnen erwähnenswert ist oder nicht, hängt für die Boulevardmedien eben davon ab, ob es die Opfer russischer Kriegsführung sind oder nicht. Syrien ist das Schachbrett des Imperialismus, auf dem die zwei Machtblöcke für die Interessen ihrer jeweiligen herrschenden Klasse ihre Partie ausfechten. In diesem schmutzigen Spiel um Einfluss ist Russland zusammen mit dem Iran momentan in einer weitaus besseren Position.
Schrecken ohne Ende
Die Lage in Syrien zeigt wie skrupellos die Wirtschaftsmächte der Erde um ihre Einflusssphären im Nahen und Mittleren Osten kämpfen - ein Kampf, der auf den Schultern der Arbeiterklasse, der Kinder und Jugendlichen ausgetragen wird. Hunderttausende Todesopfer forderte der Krieg bisher. Wer sich in Sicherheit bringen konnte, ist mit aller Wahrscheinlichkeit für den Rest seines Lebens schwer traumatisiert.
Ein baldiges Ende dieses Schreckens scheint jedoch unwahrscheinlich. Die Grundlagen eines fortschrittlichen Lebens in der Region wurden zerstört und vielen bleibt keine andere Wahl, als eine oft lebensbedrohliche Flucht auf sich zu nehmen. Die kürzlich beschlossene Waffenruhe wurde wieder gebrochen und auch die für Ende Jänner geplanten Friedensgespräche zwischen Rebellengruppen und Regierung in Kasachstan stehen auf mehr als wackeligen Beinen. So lange auch nur eine beteiligte Macht mehr durch Frieden als durch Krieg zu verlieren hätte, wird das grausame Schlachten weitergehen, egal was für humanitäre Gründe vorgeschoben werden. Es ist also völlig sinnlos, in diesem Krieg eine moralischere Seite zu bestimmen.
Was zu tun ist
Und obwohl so viele Menschen mit Schrecken und Mitleid auf die Gräueltaten in Syrien schauen und ehrlich helfen wollen, bleiben ihnen die Hände gebunden. Es muss nun unsere Aufgabe sein, die herrschende Klasse im eigenen Land an den Pranger zu stellen. Immerhin fallen die in Österreich hergestellten Waffen, die im Krieg eingesetzt werden, nicht vom syrischen Himmel. Es ist wichtig zu erklären, dass das Blutbad in Syrien dem, einem Kapitalismus inhärenten, Drang zur Expansion geschuldet ist. Die Kriege werden nicht aufhören, solange es Nationalstaaten gibt, deren besitzende Klassen entgegengesetzte wirtschaftliche Interessen hegen.