Am 21. November wurden zwei Stellungnahmen abgegeben, in denen das Ende des Islamischen Staates (IS) in Syrien erklärt wurde. Die erste stammt von Wladimir Putin während eines Treffens mit Bashir al-Assad in Sotschi, die zweite von Qassem Suleimani, dem Kommandeur der iranischen Quds-Brigaden (Islamische Revolutionsgarden), in beiden wurde erklärt, dass der „Terrorismus im Land besiegt wurde“. Von Roberto Sarti and Hamid Alizadeh.
Einen Monat zuvor war die Stadt Raqqa – die Hauptstadt des Islamischen Staates – von den von Kurden geführten Syrisch-Demokratischen Streitkräften (SDF) eingenommen worden. Diese Niederlage versetzte den Hoffnungen des IS auf die Errichtung ihres Kalifats den entscheidenden Schlag.
Zur gleichen Zeit eroberten loyale syrische Truppen und vom Iran unterstützte Milizen mit russischer Luftunterstützung die Stadt Deir Ezzor und alle übrigen wichtigen Städte am Euphrat in Richtung der irakischen Grenze. Der vom Westen gestützte islamistische Aufstand, aus dem der IS hervorging, ist jetzt in allen wichtigen Regionen zerschlagen worden. Von den Plänen des US-Imperialismus und seiner traditionellen Verbündeten im arabischen Raum, das Assad-Regime zu stürzen und den iranischen Einfluss in der Region einzuschränken, bleibt nichts übrig.
Die russische Intervention war das ausschlaggebende Element, das die Verhältnisse zuungunsten der US-Interessen verschoben hat. Als Ergebnis des Krieges ist Russland zu einem Gegengewicht zum Einfluss der USA aufgestiegen. Das unterstreicht die Grenzen des US-Imperialismus. Obwohl die USA immer noch die weltweit stärkste Macht sind, so sind sie doch durch eine Reihe interner Krisen gebunden, was ihren Handlungsspielraum einschränkt. In Syrien sind drei Mächte, die sich traditionell dem US-Imperialismus widersetzen – die kurdischen Milizen zusammen mit Russland und dem Iran – zu entscheidenden Faktoren vor Ort geworden. Da die USA nicht in der Lage waren direkt zu intervenieren, konnten sie nur einen gewissen Einfluss behalten, indem sie sich auf die kurdischen Milizen stützten und ihre Beziehungen zur Türkei, einem wichtigen NATO-Verbündeten, gefährdeten.
Die Türkei und die Kurden
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte sich ursprünglich an der Seite der USA in Syrien eingemischt, weil er das Land als ein Sprungbett zur Verwirklichung seiner Träume von einem modernen Osmanischen Reich benutzen wollte. Als er aber die bevorstehende Niederlage und die Unterstützung der Kurden durch die USA kommen sah, schloss er ein Abkommen mit Russland und dem Iran.
Als Dank für den Verrat an den vom CIA unterstützten islamistischen Gruppen gab Putin der Türkei genug Raum, um gegen die Kurden vorzugehen. Das kam nicht überraschend. Moskau interessiert nicht das Schicksal oder die Befreiung unterdrückter Völker, sondern die Durchsetzung seiner Rolle als Regionalmacht.
Gleichzeitig ist der islamistische Fundamentalismus in Syrien noch nicht entwurzelt worden. Al-Kaida kontrolliert immer noch die Provinz Idlib, ist aber der Türkei ausgeliefert, welche die Terrorgruppe aufgrund einer Vereinbarung mit Russland und dem Iran, aber zum Entsetzen der USA und Saudi-Arabiens, an der kurzen Leine hält. Erdogan unterstützt die Fundamentalisten als Faustpfand beim zukünftigen politischen Spiel um Syrien und um sie als Rammbock gegen die Kurden zu benutzen.
Ankara kann die Konsolidierung der kurdischen Autonomie in Syrien nicht zulassen. Die Türkei fürchtet die Konsequenzen innerhalb seiner eigenen Grenzen, wo mindestens 15 Mio. unterdrückte Kurden leben. Erdogan hat die Unterstützung der SDF durch die USA sehr kritisch betrachtet. Die USA hatten andererseits keine andere verlässliche Macht, um den IS in Syrien zu bekämpfen. Aber jetzt, wo sich der Bürgerkrieg dem Ende neigt, ist der US-Imperialismus bereit, die Zukunft der Kurden zu verraten, um dafür zu einer Beschwichtigungspolitik mit der Türkei zu kommen, welche wiederum gegen den Iran genutzt werden könnte.
Am 27. November betonte Sarah Sanders, die Sprecherin des Weißen Hauses, dies als sie sagte, nachdem das Territorium des IS schrumpft, „sind wir in der Lage die Lieferung von militärischer Ausrüstung an bestimmte Gruppen einzustellen, was aber nicht die Beendigung der Unterstützung dieser einzelnen Gruppen bedeutet“. Sanders wiederholte damit die von Trump gemachte Aussage, der Präsident Recep Tayyip Erdogan in einem Telefongespräch erklärte, er habe Anweisungen herausgegeben, dass den syrisch-kurdischen YPG-Kämpfern keine Waffen ausgehändigt werden sollten. Die USA sind jetzt bereit, die Kurden fallenzulassen. Wie wir bereits des Öfteren betont haben, sind die Kurden nur Schachfiguren in einem größeren Spiel und wenn die USA die Wahl zwischen ihnen und der Türkei haben, werden sich für den NATO-Partner entscheiden.
Die Führer der YPG hatten gedacht, sie könnten die USA für ihre Zwecke benutzen, aber das Gegenteil geschieht jetzt. Einhundert Jahre nach der Balfour-Deklaration haben die kleinbürgerlichen und bürgerlichen Führer der Befreiungsbewegungen im Nahen und Mittleren Osten ihre Lektion nicht gelernt. Es spricht nichts dagegen, wenn eine revolutionäre Bewegung die Risse zwischen den imperialistischen Mächten nutzt, aber diese Taktik hat ihre Grenzen. Im Endeffekt kann die kurdische Befreiung nur mit revolutionären Mitteln erreicht werden, indem sie die Massen in Syrien, dem Irak, dem Iran und vor allem in der Türkei anspricht, um sämtliche dortigen Regierungen zu stürzen und ein sozialistisches Kurdistan als Teil einer sozialistischen Föderation im Nahen und Mittleren Osten zu errichten. Es war die Revolution im Westen Syriens, die in erster Linie ein Vakuum für das Anwachsen der kurdischen Bewegung schuf. Aber die Führer der verschiedenen kurdischen Fraktionen haben sich immer häufiger auf Vereinbarungen mit den Großmächten gestützt, anstatt eine revolutionäre Politik zu entwickeln, um sich mit dem Kampf der iranischen, türkischen, syrischen und irakischen Massen zu verbünden. Dadurch haben sie den Imperialisten auch wichtige Zugeständnisse gemacht.
In Syrien haben die Kurdenführer nicht nur Waffen von den USA erhalten, sondern den USA auch gestattet, mehr als ein Dutzend Militärstützpunkte im von den Kurden kontrollierten Gebiet zu errichten. Sie haben auch russischen und syrischen Streitkräften erlaubt, ihr Territorium zu betreten und bei verschiedenen Anlässen Verträge mit iranischen Stellvertretern und der irakischen Zentralregierung abgeschlossen. Die Absurdität dieser Politik erreichte ihren Höhepunkt während der Katar-Saudi-Krise, als einige PYD-Führer öffentlich eine Zusammenarbeit mit Saudi-Arabien unterstützten. Diese Fehler der kurdischen Führer schwächen nicht nur die kurdische Befreiungsbewegung militärisch, sondern auch politisch, weil sie die radikalsten Schichten, welche die imperialistische Einmischung der USA, Russlands und Saudi-Arabiens auf Schärfste ablehnen, zurückstoßen. Die kleinen Nationen sind Peanuts, wenn Großmächte Abkommen schließen. Und wenn die Zeit für ein Abkommen kommt, werden all diese Zugeständnisse genutzt, um zu versuchen, die kurdische Bewegung zu beherrschen.
Saudi-Arabien
Gleichzeitig bedeutet die Niederlage des US-Feldzuges in Syrien die Konsolidierung der Lage des Iran und seines traditionellen Verbündeten im Libanon, der Hisbollah. Dadurch kommt es zu neuen Widersprüchen und führt zu einer untragbaren Situation für das krisengeschüttelte saudische Königreich. Als Reaktion darauf startete Saudi-Arabien einen Angriff auf die libanesische Regierung, die stark von der Hisbollah beeinflusst wird. Die Saudis kidnappten Premierminister Saad Hariri und zwangen ihn während eines Besuches in Saudi-Arabien zurückzutreten, weil sie dessen Nachsicht mit der schiitischen Bewegung als Bedrohung empfanden. Die Saudis hofften damit, einen sektiererischen Konflikt im Libanon zu entfachen und gleichzeitig Israel dazu zu drängen, die Hisbollah anzugreifen. Die Arabische Liga folgte einem Vorschlag der Saudis und erklärte die Hisbollah zu einer „terroristischen Organisation“ und den Iran zu einer „regionalen Bedrohung“. Aber dieser Schritt hatte den gegenteiligen Effekt. Innerhalb des Libanons wendete sich die öffentliche Meinung, aus Sympathie mit der Hisbollah, auf das Schärfste gegen Saudi-Arabien. Mittlerweile wurde Saudi-Arabien auf internationalem Druck gezwungen, Hariri gehen zu lassen. Dieser nahm anschließend seinen Rücktritt zurück.
Gleichzeitig starteten die Saudis eine spektakuläre Militärallianz, „um die Welt vom islamischen Terror zu befreien“. Wenn es sich hier nicht um das Leben von Männern, Frauen und Kindern handeln würde, wäre eine derartige Aussage Mitbewerber für den Witz des Jahres 2017. Saudi-Arabien wurde auf den Prinzipien des Wahhabismus gegründet, eine der reaktionärsten Ideologien weltweit. Über Jahrzehnte haben die Saudis den islamistischen Terror finanziert und tun dies heute immer noch.
Das letzte Beispiel war die islamistische Terrorattacke, der 235 Menschen auf der Sinai-Halbinsel in Ägypten in einer Sufi-Moschee zum Opfer fielen. Sie wurde vom IS ausgeführt, der sehr enge Verbindungen zum saudischen Regime unterhält und durch Finanzmittel und Ressourcen, die Saudi-Arabien und andere prowestlichen Kräfte Islamisten im Bürgerkrieg in Syrien lieferten, gestärkt wurde. Jetzt sind diese Islamisten aus der Kontrolle ihrer früheren Herren geflüchtet.
Die von den Saudis errichtete Militärallianz hat nichts mit der Bekämpfung des Terrorismus zu tun. Genauso wie die übrige saudische Außenpolitik hat sie nur ein einziges Ziel: den Iran.
Saudi-Arabien ist aus dem syrischen Bürgerkrieg als der große Verlierer hervorgegangen. Dieses Ergebnis hat dazu geführt, dass Riad eine Haltung angenommen hat, die alles andere als nachlassend ist. Seine außenpolitischen Positionen sind ständig aggressiver geworden. Der Aufstieg von Mohammed bin Salman (MBS, wie er genannt wird), der Sohn des jetzigen Königs, ist ein Ausdruck davon. Als Außenminister startete MBS 2015 eine Militärintervention gegen die Huthi-Streitkräfte, die große Teile des Jemens kontrollierten. Als Folge des ohrenbetäubenden Schweigens des westlichen Imperialismus (und stillschweigender Unterstützung, die darin besteht, dass die Westmächte dem Königreich immer noch Waffen verkaufen) sind zehntausende Menschen der saudischen Aggression zum Opfer gefallen und mehr als drei Millionen auf der Flucht. Laut den Vereinten Nationen leben 80% der Jemeniten in einer humanitären Notlage.
Aber der Krieg im Jemen ist für die Saudis verloren und die Kriegsfronten haben sich im vergangenen Jahr kaum verändert. Vor zwei Wochen haben die Saudis ihren letzten verzweifelten Versuch unternommen, um den Spieß umzudrehen, als sie den Huthi-Verbündeten Abdullah Saleh überredeten, mit den Huthis zu brechen. Dieser Schachzug erwies sich als erfolglos, weil Saleh kurze Zeit später ermordet wurde und seine Truppen Sanaa räumen mussten. Diese Niederlage offenbart nur Saudi-Arabiens Schwäche, das zwar über eine der teuersten Armeen weltweit verfügt, aber nicht in der Lage war einem der ärmsten Ländern in der Welt seinen Willen aufzuzwingen. Jede Niederlage in dieser Region trägt zur weiteren Verschärfung der inneren Krise des Regimes bei, das wiederum immer wieder aufs Neue die Einsätze erhöht wie ein Spieler, der eine Pechsträhne hat.
Im Mai provozierte das Königreich einen Konflikt mit Katar und forderte von den Kataris, dass diese ihre Beziehungen zur Türkei und dem Iran abbrechen sollten. Ebenso wurden Medien wie das Onlinenews-Portal Middle East Eye und der Sender Al Jazeera geschlossen. Als Reaktion darauf tat Katar das Gegenteil und festigte seine Beziehungen zum Iran und zur Türkei. Während Donald Trump ursprünglich MBS bei seinen Bestrebungen unterstützte, machte er schnell eine Kehrtwende, als er herausfand, dass die USA einen bedeutenden Militärstützpunkt auf der Halbinsel haben. Katar ist kein Einzelfall. Die Krise des US-Imperialismus ist auch die Krise des saudischen Regimes, das immer vom Imperialismus abhängig war, um selbst überleben zu können. Die USA unterstützen Saudi- Arabien nicht gegen den Iran im Irak, stattdessen mussten die USA mit dem Iran ein Abkommen treffen, um ihren eigenen Rückzug aus dem Land zu sichern. In Syrien hat Trump von den Saudis unterstützte Helfer fallengelassen und taktiert mit einer Übereinkunft mit Russland. Im Jemen hat Trump jetzt offen für ein Ende des Krieges plädiert, was in erster Linie einer Niederlage für Saudi-Arabien gleichkommt. Jeder Versuch der Saudis, den Kampf in den Libanon zu übertragen, wird letztendlich zu dem gleichen Ergebnis führen.
Aber wenn die US-Amerikaner den Kampf nicht für Saudi-Arabien führen wollen, wer dann? Tatsache ist, dass das Königreich nicht über wirklich loyale Untertanen verfügt, aus diesem Grund hat es noch nie gewagt seine Armee in den Krieg zu schicken. Deshalb führt der Mangel an Unterstützung durch die USA zu einer existenziellen Bedrohung des Regimes.
Anfang November wurde auf Anordnung von MSB eine „Anti-Korruptions-Kampagne“ durchgeführt. Die meisten Gegner des Kronprinzen in der königlichen Familie wurden verhaftet. Das sind die ersten Zeichen für die zukünftigen Konflikte im Königreich. Die weltweite Wirtschaftskrise und die fallenden Ölpreise belasten die Patronagenetzwerke, die das Königreich seit seiner Gründung zusammengehalten haben.
Zum ersten Mal in den letzten zehn Jahren ist das Bruttoinlandsprodukt in den beiden ersten Quartalen 2017 zurückgegangen und der Internationale Währungsfonds prophezeit für dieses Jahr ein Nullwachstum. Um mit den steigenden öffentlichen Schulden fertig zu werden, plant MBS eine Reihe von Privatisierungen, u. a. den Verkauf von 5% an der Ölgesellschaft Aramco, deren Wert bei ungefähr zwei Billionen Dollar liegt. In dem Land, in dem 40% der Bevölkerung unter der Armutsgrenzen leben, hat die Regierung bereits die Löhne der öffentlich Beschäftigten um 15% sowie andere Beihilfen gekürzt. Und das alles passiert in einem Staat, welcher der weltgrößte Ölexporteur ist!
Das bereitet den Boden für eine explosive Situation. Neben der sunnitischen Bevölkerung ist die schiitische Minderheit im ölreichen Nordosten des Landes seit 2011 rebellisch gewesen und die städtische Jugend hat in steigendem Maße demokratische Rechte eingefordert.
Die außenpolitischen Niederlagen vergrößern diese Krise. Der Krieg im Jemen war teilweise eine Konzession an die Wahhabiten, er wird aber im Lande in der öffentlichen Meinung immer mehr als Katastrophe betrachtet. Zwischenzeitlich zielen MBS’ neuen “liberalen” Stellungnahmen darauf, Anklang bei der Jugend aus den Mittelschichten zu gewinnen. MBS möchte diese Schichten hinter der Monarchie vereinen, aber diese Kräfte stehen sich, aber auch der Monarchie selbst, völlig entgegengesetzt gegenüber.
Mit den Erlösen aus dem Verkauf der Aramco-Anteile wird Riad seine Militärausgaben erhöhen. Im Mai 2017 kam es zu einem Vertrag über Waffen und Verteidigungssysteme aus den USA im Wert von über 110 Mrd. Dollar. Bei seinem offiziellen Besuch bot Trump den Saudis für ihre Aktionen im Nahen und Mittleren Osten beinahe bedingungslose Unterstützung an. Das Regime versucht die Aufmerksamkeit von sich abzulenken und seine dominierende Position in der Region zurückzuerobern, aber es kämpft auf verlorenem Posten.
MBS versucht die Initiative zu behalten, indem er ständig die Tagesordnung neu diktiert Aber er ist nicht in der Lage die Krise zu lösen und so werden ihn die Ereignisse früher oder später einholen. Alle Kräfte der saudischen Gesellschaft ziehen in verschiedene Richtungen, was zu einem Auseinanderreißen des Regimes führen kann. Wir beobachten momentan den Beginn des Niedergangs Saudi-Arabiens, wie wir es kennen.
Iran
Falls der westliche Imperialismus versucht hat, den iranischen Einfluss zu schmälern, dann hat er damit das genaue Gegenteil erreicht. Der Iran hat nie mehr Einfluss in Syrien, dem Irak und dem Libanon gehabt als heute. Das ist das direkte Ergebnis des Auseinanderbrechens der regionalen Ordnung, wie sie der Region von den USA nach der Zerstörung des irakischen Staates und der Niederlage Saddam Husseins aufgezwungen wurde. In diesem Vakuum steigt der Iran auf, um mit der Türkei zur wichtigsten Macht in der Gegend zu werden.
Israel war der Ansicht, an seinen Nordgrenzen einen Gleichgewichtszustand mit Assad und der Hisbollah geschaffen zu haben, aber mit dem Aufstieg der vom Iran gestützten Stellvertreter in Syrien, wurde dieses Gleichgewicht radikal gestört. Israel hat versucht nicht mit in den syrischen Bürgerkrieg hineingezogen zu werden, aber vor einigen Wochen sah es sich gezwungen, seine Einmischung zu steigern, als es einen iranischen Militärstützpunkt südlich von Damaskus bombardierte. Die Möglichkeit der Schaffung von iranischen Militär- und Marinestützpunkten und iranischen Waffenfabriken an Israels Grenze stellen eine starke Bedrohung für das israelische Regime dar.
Zusammen mit Saudi-Arabien und den USA wollen die Israelis den Iran „zurückrollen“. Saudi-Arabien hat bereits mehrere öffentliche Annäherungsversuche in Richtung Israel unternommen. Obwohl diese beiden Länder keine diplomatischen Beziehungen unterhalten, haben sie zugegeben, dass sie über ihre Geheimdienste in Kontakt stehen und Israels Verteidigungsminister Lieberman hat die Notwendigkeit für eine neue „baldige“ Kriegsfront im Libanon gefordert.
Zusammen mit Trump versuchen diese Herren die Uhren auf die Zeit vor dem Irakkrieg, der weltweiten kapitalistischen Wirtschaftskrise und der Arabischen Revolution zurückzudrehen. Trump hat gegenüber Obamas Politik im Nahen und Mittleren Osten eine 180 Grad Wende vollzogen, als ob diese einzig und allein auf Obamas persönlichen Vorlieben basiert hätte und nicht durch strategische Interessen des US-Imperialismus diktiert worden wäre. Zuerst erhöhte er die Unterstützung für die syrischen „Rebellen“ und führte einen kläglichen Raketenangriff auf einen verlassenen Militärstützpunkt in Syrien durch. Aber es änderte sich nichts. Letztendlich musste er mit Russland eine Vereinbarung über Syrien treffen. Auch im Jemen unterstützte er anfänglich MBS’ brutalen, aber hoffnungslosen Krieg. Jetzt aber wurde er gezwungen, das sofortige Ende des Krieges zu fordern.
Trump versucht auch den Atomvertrag mit dem Iran auszuhebeln, aber es ist klar, dass die anderen Weltmächte ihm dabei nicht folgen werden. Denn schließlich war der Vertrag mit dem Iran kein beliebiges Stück Papier, sondern die Formalisierung eines Prozesses, der in der Region stattgefunden hatte. Es waren die formale Anerkennung des wachsenden iranischen Einflusses vor Ort und die Erfordernisse des US-Imperialismus, damit zurecht zu kommen.
Die US-Administration hatte vielleicht angenommen, dass sie nach der Niederlage des IS eine günstige Gelegenheit beim Schopf packen könnte, um gegen den Iran vorzugehen. Aber die Lage im Nahen und Mittleren Osten basiert nicht auf den Feigheitsgrad des einen oder anderen US-Politikers. Trump hat trotz seiner ganzen Arroganz ein kleines Problem. Im Kontext der weltweiten Wirtschaftskrise, der Schuldenkrise, einer wachsenden Stimmung gegen das Establishment in den USA, der Krise des politischen System in den USA und nach den katastrophalen Abenteuern im Irak und in Afghanistan (wo die Lage seit der Invasion von 2001, nebenbei gesagt, festgefahren ist), können die USA keine bedeutsame Anzahl von Streitkräften im Nahen und Mittleren Osten stationieren. Deshalb muss er sich auf Allianzen mit krisengeschüttelten Regimes und Kräften verlassen, die ihre eigenen Interessen verfolgen, die aber nicht immer mit denen der USA in Einklang stehen.
In der Zwischenzeit haben der Iran und dessen Stellvertreter ihre Position als stärkste politische und militärische Macht verankert. Sie verfügen über hunderttausende kampferprobter Soldaten, die Gebiete vom Persischen Golf bis zum Mittelmeer, im Iran, im Irak, in Syrien und im Libanon halten. Kein anderes Regime im Nahen und Mittleren Osten kann sich rühmen, einen ähnlichen Einfluss auszuüben und deswegen kann der Iran nicht ignoriert oder einfach „zurückgerollt“ werden.
Die Beschränkung der US-amerikanischen Macht hinterließ im Nahen und Mittleren Osten ein Vakuum, das teilweise von Russland und teilweise vom Iran gefüllt wurde. Aber keine der Regionalmächte hat die Stärke, Washington vollständig zu ersetzen, obwohl sie es sich alle wünschen. Mit dem Aufstieg des Iran, der eine existenzielle Bedrohung des Regimes in Riad und zu einem gewissen Maße des Regimes in Jerusalem darstellt, wird es wahrscheinlich zu weiteren Spannungen kommen und der Konflikt wird sich in der gesamten Region wiederholen.
Mohammad Bin Salman, der den Konflikt außerhalb seiner eigenen Grenzen dringend braucht, hat versucht einen Konflikt im Libanon, einem Land mit 4,3 Mio. Einwohnern, das durch die Aufnahme von 1,5 Mio. syrischen Flüchtlingen instabiler geworden ist, anzuheizen. Das israelische Regime bereitet sich ebenfalls auf einen Krieg mit dem Libanon vor, aber die Hisbollah hat bereits im Krieg von 2006 die israelische Armee zurückgeschlagen. Jetzt, elf Jahre später, ist die Hisbollah sowohl militärisch als auch bei ihrem Ansehen in der Bevölkerung wesentlich stärker. Der Druck der Saudis auf den Libanon hat ausschließlich den Effekt gehabt, dass die Beliebtheit der Schiiten-Bewegung im Lande gewachsen ist.
Wenn sich also die Imperialisten an einem neuen offenen Konflikt beteiligen, werden sie ähnliche Ergebnisse erleben wie in Syrien. Solange die verschiedenen despotischen Regimes an der Macht bleiben, wird sich dieses Schreckensszenario für die Völker im Nahen und Mittleren Osten verschlimmern. Der einzige Ausweg aus diesem Dilemma ist der Sturz dieser Regimes. Diese Aufgabe müssen die ArbeiterInnen und die Armen in diesen Ländern übernehmen. Die Arabische Revolution von 2011 gab uns einen Einblick von dem, was möglich ist.
Nur eine Lösung auf der Grundlage der Klassenunabhängigkeit für die Interessen der unterdrückten Massen, jenseits von Religion, Volkszugehörigkeit und Sprache kann den Nahen und Mittleren Osten aus dem Albtraum von Reaktion und Blut, in dem die Region gegenwärtig verstrickt ist, befreien.
Es ist die Aufgabe der MarxistInnen in der Region dies geduldig zu erklären und eine Kraft aufzubauen, die in der Lage ist, sich in die unvermeidlichen Massenbewegungen der Zukunft einzubringen. Im Iran (2009), in Ägypten (2011) und in der Türkei (2013) zeigte sich, über welche immense Macht die ArbeiterInnen in diesen drei Schlüsselländern verfügen. Es ist diese Macht, wenn sie richtig angegangen wird, die der Hölle auf Erden, welche die Imperialisten für die Völker im Nahen und Mittleren Osten geschaffen haben, endgültig ein Ende bereiten kann.