Ende Jänner griff die türkische Armee die kurdische Enklave Afrin in Syrien mit Bombardements und später auch durch Bodentruppen an. Eine Stellungnahme von Hamid Alizadeh und Florian Keller.


Die Vorbereitungen zum Krieg dazu liefen seit Monaten. Türkische Kräfte hatten das Gebiet systematisch zusammen mit der sogenannten „Freien Syrischen Armee“ (in Wirklichkeit einer Koalition hauptsächlich islamistisch-dschihadistischer Gruppen und gekauften Söldnern) umstellt. Schließlich griffen sie, unterstützt von massiven Luft- und Artillerieangriffen an.


Für Erdogans Regime ist eine unabhängige kurdische Region an der Grenze zur Türkei eine Bedrohung, denn es stärkt die Bewegung der unterdrückten kurdischen Minderheit in der Türkei. Erdogan hat nie verheimlicht, dass sein Hauptziel in Syrien ist, die kurdische Bewegung zu besiegen, die durch die PYD, eine Schwesterorganisation der PKK, geführt wird. So wird auch in der Türkei massiv Kriegspropaganda betrieben. Doch was nicht gesagt wird, sind die geostrategischen Interessen, die sich für Erdogan darüber hinaus ergeben: Afrin ist das Tor zu Aleppo, das die zweitgrößte Stadt in Syrien ist und immer das Handels- und Industriezentrum des Landes war. Für den türkischen Imperialismus ist Aleppo das Tor in die arabische Welt.


Die Massenmedien im Westen berichten nur sehr zögerlich von diesen Ereignissen, und wenn sie es tun, immer mit einer aufgesetzten „Neutralität“, die nichts anderes ist als eine stumme Zustimmung für Erdogans Angriffskrieg. Die „Kreuzritter für Freiheit und Demokratie“ verschließen ihre Augen vor der Tatsache, dass in Afrin 200.000 Männer, Frauen und Kinder der Gnade der türkischen Armee ausgeliefert sind. Washington hat die kurdischen Kräfte benutzt, um den IS zu bekämpfen. Vor einigen Tagen bereits haben sie ihre Hände in Unschuld gewaschen. Major Adrian Rankine-Galloway, ein Pentagon-Sprecher, sagte über Afrin am 16. Januar: „Wir betrachten [die Kurden dort] nicht als Teil unserer „Defeat ISIS“ Operation, welche wir durchführen. Wir werden sie nicht unterstützen. Wir haben nichts mit ihnen zu tun.“ Natürlich haben die EU-FührerInnen, die dreckige Geschäfte mit Erdogan machen um verzweifelte Flüchtlinge aufzuhalten, nichts dazu gesagt.


Das letzte Puzzleteil war Russland, welches von der PYD etwa vor einem Jahr nach Afrin eingeladen wurde, als Schutz gegen die Aggressionen der Türkei. Aber nach einer Reihe von Verhandlungen, hat sich Russland dazu entschieden, seine Kräfte zurückzuziehen. Kurz darauf hat die Türkei ihren Einsatz gestartet.


Wie immer sind die „kleinen Nationen“ lediglich Kleingeld in den Spielen und Kämpfen zwischen den Großmächten. Wenn sie nicht mehr gebraucht werden, haben die Großmächte keine Skrupel, sie zu zerstören oder es anderen zu erlauben. Sowohl die USA, Russland als auch der Iran und das Assad-Regime haben den kurdischen Kräften zu verschiedenen Zeiten ihre Unterstützung versprochen. Sogar Erdogan stützte sich bis 2014 auf die kurdische Bewegung, bis die HDP [kurdisch linke Partei in der Türkei, Anm.] eine Bedrohung für seine Macht wurde. Aber die herrschende Klasse hat keine permanenten Freunde oder Feinde, nur permanente Interessen und keiner der Herrscher im Nahen Osten will ein unabhängiges Kurdistan, welches die irakischen, syrischen und iranischen Staatsgebilde bedrohen würde. Was nun passiert deutet an, in welche Richtung sich die Situation in den übrigen Regionen Syriens entwickeln wird, die von den KurdInnen kontrolliert werden.


Das kurdische Volk kann nur auf sich selbst und die unterdrückten ArbeiterInnen und Armen der Region vertrauen. Die Rojava- Revolution entstand als Teil der ursprünglichen syrischen Revolution und hatte nur Erfolg wegen ihren revolutionären und demokratischen Methoden, die breite Schichten der ArbeiterInnen und Armen der Region ansprach. Das sind dieselben Methoden, die nun Afrin retten können. Denn Erdogan ist in Wirklichkeit viel schwächer, als er zugeben möchte. Er kann nicht einmal Opposition in Worten gegen diesen Krieg dulden! Hunderte KriegsgegnerInnen wurden bereits festgenommen. In Wirklichkeit will Erdogan mit brutaler Kriegsführung gegen die KurdInnen möglichst weitere Verzweiflungstaten und Angriffe in türkischen Städten provozieren, um die türkische Gesellschaft in einer aufgesetzten „nationalen Einheit“ zu drängen, um seinen wackeligen Thron nicht zu verlieren.


Was es als erstes braucht, ist ein Aufruf und eine allgemeine Mobilisierung der kurdischen Massen in der Türkei, im Irak und im Iran: Ein Aufruf zu Massendemonstrationen und Streiks in allen kurdischen Gebieten, für ein Ende des brutalen, einseitigen Krieges gegen die KurdInnen. Zweiten sollte ein Aufruf an alle ArbeiterInnen und Armen dieser Länder geschickt werden, sich den kurdischen Massen in ihrem Kampf gegen die reaktionären Herrscher anzuschließen, insbesondere in der Türkei, aber auch in Syrien, im Irak und im Iran. Die nationalistische Begeisterung, „gegen die Terroisten“ einen Krieg zu führen, ist trotz ihrer Dominanz in Wirklichkeit sehr oberflächlich. Gerade die türkische Arbeiterklasse leidet immer mehr unter wirtschaftlichen Problemen und Erdogans Diktatur. Die kurdische Befreiungsbewegung könnte durch ein internationalistisches, sozialistisches Programm die türkischen ArbeiterInnen für sich gewinnen.


Schlussendlich ist es die Pflicht der Führung der Arbeiterbewegung im Westen, das verbrecherische Verhalten der westlichen Regierungen zu enthüllen. Diese sind Teil der Verbrechen von Erdogans Regime. Kurdinnen und Kurden sterben durch (oft im Westen produzierte) Waffen, die Erdogan von dem Geld finanziert, das er für seine Wachhundtätigkeit an der EU-Außengrenze kassiert!
Der Kampf des kurdischen Volkes für das Recht frei nach ihren Wünschen in einer Heimat zu leben, ist der Kampf aller ArbeiterInnen und der Jugend gegen die Kapitalistenklasse, welche die Menschheit in die Barbarei zerrt.


• Nieder mit dem Krieg gegen die KurdInnen!
• Nieder mit Erdogans Regime von Mördern und Dieben!
• Nieder mit dem Imperialismus!
• Für das Recht der kurdischen Massen, über ihr Schicksal selbst zu entscheiden!
• Hoch die internationale Solidarität!


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