Kurdistan. Seit Ende Jänner greift die türkische Armee das hauptsächlich kurdisch besiedelte Gebiet Afrin im Norden Syriens an. Wie entwickelt sich die Situation und was sind die Perspektiven des kurdischen Widerstands? Von Martin Halder.

Etwa 200.000 Menschen lebten zu Beginn des Bürgerkrieges in dem Gebiet, welches von der militärischen Intervention betroffen ist. Mittlerweile sind es durch Flüchtlinge aus anderen Teilen Syriens weit mehr. Der Krieg hat nach verschiedenen Schätzungen schon fast tausend Tote gefordert, darunter auch viele Zivilisten. Doch dieser blutige Krieg ist den westlichen Massenmedien meist nur eine Randnotiz wert.

Die Heuchelei dessen wird richtig deutlich, wenn man sich anschaut, wie diese Medien im gleichen Atemzug Krokodilstränen über die Belagerung von Ost-Ghouta (Nahe der syrischen Hauptstadt Damaskus) vergießen. Weit davon entfernt neutral zu sein, widerspiegelt die Medienlandschaft die Interessen der politischen und wirtschaftlichen Vertreter, welche diesen Konflikt nicht in den Schlagzeilen wissen möchten. Es wird also zwischen Leid unterschieden, welches berichtenswert ist und jenes das man unter den Teppich kehrt.


In Ost-Ghouta geht es nämlich um den Angriff der mit Russland verbündeten syrischen Regierung, welche für die „Hölle auf Erden“ verantwortlich ist.

Im Fall der Türkei handelt es sich um ein Nato-Mitglied, welches die westlichen Medien nicht unnötig in ein schlechtes Licht rücken wollen. Die Angriffe finden sogar Unterstützung beim Nato-Generalsekretär Stoltenberg, der sich für das Recht auf Verteidigung ihrer Grenzen einsetzt – ein „schöner“ Ausdruck für die Rechtfertigung eines Angriffskrieges!

Der weitere Verlauf

Seit dem 20. Jänner greift das türkische Militär Afrin an. Erdogan weiß, dass große Verluste in diesem Krieg die Stimmung im eigenen Land gegen ihn befeuern würden. Deshalb führt das türkische Militär die Angriffe zusammen mit der „Freien Syrischen Armee“ (FSA) durch, bei denen es sich in Wirklichkeit um hauptsächlich islamistische-dschihadistische Gruppen und gekauften Söldner handelt. Die FSA wird dabei so eingesetzt, dass die Verluste der türkischen Streitkräfte gering gehalten werden.


Doch trotzdem erweist sich diese Militäroperation als eine Herausforderung für die Türkei. Zu Beginn meinten sie noch, dass die Einnahme Afrins nur ein paar Tage dauern würde. Nun dauert die Operation schon fast 2 Monate.

Die Kurden führen diesen Abwehrkampf mit vollem Einsatz, da sie um ihre Selbstbestimmung kämpfen – für sie geht es um alles. Dieser Abwehrkampf gegen die Großmachtfantasien des Möchtegern-Sultan kann nicht „neutral“ betrachtet werden.


In jedem Fall ist wichtig absolute Klarheit darüber zu haben, dass die herrschende Klasse – egal auf welcher Seite sie stehen mag – sich niemals ernsthaft für das Selbstbestimmungsrecht der Kurden interessiert. Die USA, Russland und auch Assad haben mehrmals bewiesen, dass sie Interessen unterdrückter Nationen nur als Spielball ihrer Politik sehen. Die Kurden haben nur einen potentiellen Verbündeten, auf den sie sich wirklich verlassen könnten: und dies sind die ArbeiterInnen und Armen der Region, aber auch in Österreich und der westlichen Welt. Und Ansatzpunkte für eine Solidarität der Unterdrückten gibt es zu Hauf: Im Iran gibt es bereits eine andauernde Bewegung der ärmsten des Landes gegen die Regierung und auch in der Türkei herrscht Erdogan lange nicht mehr so stabil wie früher, als der Wirtschaftsaufschwung anhielt und der Wohlstand stieg.

Der Kampf der Kurden für ein selbstbestimmtes Leben muss mit dem Kampf der Unterdrückten der ganzen Region gegen den Kapitalismus verbunden werden - das System, welches immer wieder die Basis für Krieg und Unterdrückung legt.


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