Saudi Arabien. Der Fall des verschwundenen Jamal Khashoggi liest sich wie ein schlechter Krimi: Der in den USA-lebende, saudische Journalist betrat am 28. September das saudische Konsulat in Istanbul, um Scheidungspapiere abzuholen. Er sollte das Gebäude nicht mehr lebend verlassen.
Wie türkische Behörden berichteten, wurde er dort gefoltert und ermordet, sein Körper zerstückelt und schließlich in Säure aufgelöst. Saudi-Arabien stritt zuerst jegliche Schuld ab. Erst 2 Wochen nach der Tat ließen sie türkische Ermittler in das Botschaftsgebäude, das ausgesprochen sauber und zufällig auch frisch ausgemalt war. Mittlerweile wurde der Mord durch die Saudis zugegeben, doch jegliche Verantwortung höherer Stellen dafür wird weiter abgestritten. Die blutigen Details verursachten einen weltweiten medialen Aufschrei; das saudische Regime samt seiner glänzenden Beziehungen zu westlichen Staaten rückt ins Licht der Aufmerksamkeit.
Der „liberale“ Kronprinz
Dass Saudi-Arabien eine blutige Diktatur ist, in der Frauen wegen „Hexerei“ oder Ehebruch hingerichtet werden, Regierungskritiker oftmals verschwinden oder inhaftiert werden und in dem Arbeit zu Sklavenbedingungen verbreitet ist, kommt ab und zu ans Licht – und doch wird es in der üblichen Medienberichterstattung gerne vergessen, oder verschämt im Nebensatz erwähnt.
Viel lieber schreibt man darüber, dass der ‚liberale‘ Kronprinz Mohammed bin Salman jetzt sogar Frauen erlaubt, ihre Luxusautos selbst zu steuern. Oder, wie das „Außenwirtschaft Update Saudi-Arabien“-Papier der Wirtschaftskammer Österreich (WKO) lobend erwähnt, dass jetzt „Kinos und Fitnessclubs für Frauen“ eröffnet werden, „in den Chefetagen saudischer Betriebe zunehmend Frauen finden“ und „auch in der staatlichen Verwaltung leitende Positionen mit Frauen besetzt“ werden. Wenn Sklavenarbeit von Frauen geleitet und politische Morde weiblich angeordnet werden, ist ja alles in Ordnung!
Der blutige Krieg im Jemen, den Saudi Arabien aus geopolitischen Interessen 2015 angezettelt hat, und der gerade dabei ist, die größte Hungersnot der Welt zu erzeugen, weil die Saudis bewusst Häfen für Lebensmittelzufuhr sowie Schulen und Krankenhäuser bombardieren, wird im WKO-Papier so beschrieben: Der Krieg „bindet weiter menschliche und finanzielle Ressourcen Saudi-Arabiens und seiner Alliierten“.
Geld stinkt nicht
Der Grund für diese ‚großzügige‘ Behandlung des saudischen Regimes durch die westlichen Staaten wurde von Donald Trump selbst genannt: „Wie gesagt, das ist in der Türkei passiert, und soweit wir wissen, ist Khashoggi nicht US-Bürger, oder? Er hat einen permanenten Aufenthaltsstatus, okay … Aber ob wir 110 Mrd. Dollar davon abhalten sollten, in diesem Land ausgegeben zu werden … das wäre nicht akzeptabel für mich.“
Angesichts der milliardenschweren Waffen- und Öldeals ist der US-Präsident unwillig, den Mord an Khashoggi zu akzeptieren.
Doch unsaubere Geldgeschäfte, an denen sichtbar wird, wie viel ‚Menschenrechte‘ wirklich wert sind, sind nicht auf die USA und den Nahen Osten beschränkt. Die EU beeilte sich, den Mord an Khashoggi mit Bestürzung festzustellen. Österreich, als EU-Ratsvorsitzführendes Land, brachte eifrig den Vorschlag ein, Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien zu unterbinden. Das EU-Parlament erließ eine Resolution darüber – die allerdings nicht bindend ist. Über mögliche Sanktionen gibt es noch keine Debatte. Und das, obwohl Sanktionen gegen geopolitische Feinde, etwa im Falle Russlands, immer so flott über die Bühne gehen!
2005 beschloss Österreich ein Gesetz, das unter anderem „Zusammenarbeit im wirtschaftlichen Bereich einschließlich industrieller, Erdöl-, Bergbau-, petrochemischer, Landwirtschafts-, Vieh-, Tourismus- und Gesundheitsprojekte“ mit den Saudis vorsieht. Obwohl es in Österreich eigentlich illegal ist, an ein kriegführendes Land Waffen zu verkaufen, wurden 2014/15 Waffen mindestens im Wert von 19,4 Mio € dorthin geliefert. Die Beschlüsse über solche Deals fallen in Ministerien hinter verschlossenen Türen. Das „Profil“ schrieb damals: „,Österreich ist eines der intransparentesten Länder Europas, wenn es um den Waffenhandel geht‘, sagt Pieter Wezemann, der als Analyst beim renommierten Stockholm Institute Peace Research Institute (SIPRI) arbeitet. ‚Selbst die Ukraine oder Rumänien sind besser‘“ (Profil, 7.9.16).
Gemeinsamen Werte
Indes blüht die saudisch-österreichische Freundschaft weiterhin. Während gegen Islam-Kindergärten in Österreich Stimmung gemacht wird und Kopftücher verboten werden sollen, ist auch nach dem Khashoggi-Vorfall die Schließung des 2012 gegründeten „König Abdullah Bin Abdulaziz International Centre für den interreligiösen und interkulturellen Dialog“ kein Thema für FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl.
Die Gründung des Zentrums wurde damals von FPÖ-Nationalratsabgeordneten Johannes Hübner so kommentiert: „Warum soll man sich nicht freuen, wenn ein Land, das Geld im Übermaß hat, sich dafür entscheidet, es hier in Österreich anzulegen?“ (Profil 28.1.15). Die guten Christen in der FPÖ sparen sich religiöse Streitigkeiten lieber für Gelegenheiten, wo man damit Hass gegen MigrantInnen und Rassismus schüren kann. In den sonnigen Höhen der millionenschweren Geldberge weht ein anderer Wind.
Der Mord an Khashoggi wirft endlich ein Licht auf die korrupten und grausamen Machenschaften der Herrschenden aller Länder der Welt. Zwischen ihnen gibt es keine ‚kulturellen Differenzen‘, sie sind sich einig in ihrem Streben nach Profit und Macht, dafür sind sie mal beste Freunde, mal Feinde.
Die ArbeiterInnen und Jugendlichen können in keinem Land darauf hoffen, dass diese Damen und Herren Kriege beenden oder Unrecht bestrafen – das passiert nur, wenn der Preis stimmt. ArbeiterInnen in Österreich, der Türkei oder Saudi-Arabien haben mehr miteinander gemeinsam, als mit ihren ‚eigenen‘ Kapitalisten und regierenden, das zeigt der Fall Khashoggi klar.