Zwei Explosionen auf Öltankern und der Abschuss einer US-Aufklärungsdrohne durch den Iran zeigten, wie sehr sich der Konflikt zwischen den USA und dem Iran zugespitzt hatte. Florian Keller analysiert die Hintergründe.
Mag man den Veröffentlichungen des Weißen Hauses glauben, dann schrammte am 20. Juni der Nahe Osten nur knapp an einer neuen kriegerischen Auseinandersetzung vorbei. US-Präsident Trump hätte bereits autorisierte „Vergeltungsschläge“ gegen den Iran wieder zurückgezogen, weil er eine hohe Anzahl von Opfern nicht für eine angemessene Antwort auf den Abschuss einer unbemannten Drohne gehalten hätte. Ob diese Aussagen tatsächlich stimmen, ist nicht nachzuprüfen. Doch dass es gewichtige Kräfte in den USA gibt, die auf einen Krieg mit dem Iran drängen, ist mit diesem Zwischenfall sehr deutlich geworden.
Warum setzen die USA den Iran unter Druck?
Der Iran und seine regionale Macht ist der herrschenden Klasse in den USA ein Dorn im Auge – dabei sind sich auch alle einig. Aber wie dieses „Problem“ neutralisiert werden sollte, darüber gibt es unterschiedliche Ansichten innerhalb der herrschenden Klasse der USA. Unter dem Präsidenten Obama sahen sich die USA wegen ihrer immer schwächeren Position im Nahen Osten genötigt, einen Kompromiss auszuverhandeln – der „Atomdeal“, der verhindert hat, dass der Iran Atombomben produzieren kann, gleichzeitig aber die wirtschaftlichen Sanktionen gegen das Land beendete.
Für die Falken im US-Staatsapparat, die auf eine direkte Konfrontation mit dem Iran setzten, war dieser Deal ein rotes Tuch. Sie setzen darauf, die eigenen Interessen im Zweifelsfall direkt mit Hilfe der militärischen Macht durchzusetzen. Insbesondere der Nationale Sicherheitsberater John Bolton drängt schon länger darauf, endlich Feuer und Eisen im Irankonflikt sprechen zu lassen. Und mit der Präsidentschaft von Trump bekam diese Fraktion auch durch die Unterstützung der wichtigsten regionalen Verbündeten der USA in der Region, Saudi-Arabien und Israel, wieder Oberwasser.
Diese fürchten den wachsenden Einfluss des Iran in der Region, insbesondere nach der weitgehenden Niederlage der von ihnen unterstützten islamistischen Milizen im syrischen Bürgerkrieg und dem Sieg der iranisch-unterstützen Kräfte im Irak im Kampf gegen den IS. Die Regierung Netanjahu in Israel hat so selbst schon wiederholt Luftschläge in Syrien angeordnet, um den Einfluss des Iran einzudämmen.
Doch besonders Saudi-Arabien sieht sich immer weiter in die Ecke getrieben. Das Land führt im Jemen einen blutigen Krieg gegen die Houthis, denen Saudi-Arabien vorwirft, vom Iran unterstützt zu werden. In diesem Krieg sind bereits zehntausende Zivilisten gestorben und Millionen durch eine Blockade vom Hungertod bedroht. Doch gegen dieses ärmste Land des Nahen Ostens schafft es das mit dem modernsten Kriegsgerät ausgerüstete saudische Militär (trotz massiver Unterstützung insbesondere durch die USA und Großbritannien) seit Jahren nicht, einen Sieg zu erringen. Noch immer kontrollieren die Houthis Gebiete, in denen ca. 70% der Bevölkerung des Jemens leben. So in eine Sackgasse gedrängt, machen die Herrschenden in Saudi-Arabien und Israel massiven Druck, dass sich die USA direkt in den Konflikt mit dem Iran einschalten.
Krieg mit dem Iran?
Doch für die USA ist die Situation nicht so einfach. Eine Invasion des Iran ist konkret so gut wie ausgeschlossen: Eine Invasion wäre nicht nur mit riesigen Kosten (in Zeiten extrem angespannter Staatsfinanzen) und massivem Widerstand im eigenen Land verknüpft. Um den Iran in einem konventionellen Krieg besiegen zu können, müssten massive Truppenkontingente aus anderen Weltregionen zusammengezogen werden, was die Position der USA gesamthaft gewaltig schwächen würde. In der Region selbst stehen hunderttausende dem Iran treue Milizionäre bereit, die solche Pläne noch einmal extrem erschweren würden. In Wirklichkeit sind so nur begrenzte Luftschläge und Kommandooperationen eine realistische Option, doch selbst in so einem Fall wären die Folgen nicht absehbar: Der Iran könnte in so einem Fall die Straße von Hormuz sperren, ein Nadelöhr des internationalen Ölhandels, was unabsehbare Folgen für die Weltwirtschaft hätte.
Daher beschränkt sich Trump bisher auch auf massiven wirtschaftlichen Druck: Vor über einem Jahr, im Mai 2018, kündigte er einseitig den Atomdeal auf. Das hat für den Iran schwerwiegende Folgen, denn Unternehmen, die mit dem Iran Geschäfte machen, können in den USA dafür verklagt werden. Der Iran ist dadurch de facto von den internationalen Finanzströmen abgeschnitten.
Revolutionäre Bewegung im Iran
Am meisten leiden unter diesen Sanktionen die ArbeiterInnen und Armen im Iran: Während die Mullahs und Kapitalisten natürlich Mittel und Wege finden, ihren verschwenderischen Lebensstil weiterzuführen, explodieren die Preise für Grundnahrungsmittel, Benzin und andere Güter des täglichen Gebrauchs. Fleisch wurde so beispielsweise selbst nach offiziellen Angaben (die heillos untertrieben sind) um 57% teurer, Milchprodukte um 40% und Mieten um 20%! Dass die iranische Führung jetzt nach über einem Jahr angekündigt hat, sich ebenfalls nicht mehr an den Atomdeal halten zu wollen, beweist daher in Wirklichkeit, dass sie mit allen Mitteln versucht haben, den Deal zu retten – um die Wirtschaft und damit ihre eigene Haut zu retten.
Denn die iranischen Massen haben damit begonnen, gegen die Unterdrückung und soziale Ungleichheit zu kämpfen. Besonders letztes Jahr verging kein Tag ohne Demonstrationen, etwa von ArbeiterInnen, die gegen immer geringere Löhne (oder gleich deren Nichtauszahlung) streikten und demonstrierten, oder Bauern, die gegen das Missmanagement und die Korruption des Regimes im Angesicht einer Dürre auf die Straße gingen. Der Iran ging in großen Schritten auf eine soziale Revolution zu
Indem sie sich nun als Kämpfer gegen den Imperialismus präsentieren, können sich die Herrschenden im Iran eine Atempause verschafft, denn nach Jahrzehnten der blutigen Kriege, Staatsstreiche und Sanktionen der USA in der Region ist die Ablehnung des Imperialismus in der Bevölkerung extrem tief verankert. Es gilt daher umso mehr für Linke und ArbeiterInnen hierzulande, den Kampf gegen die eigenen Herrschenden und ihre Interessen aufzunehmen. Das ist selbst in Österreich, das keine Truppen gegen den Iran aufmarschieren lässt, zentral – verdienen sich doch Glock und Co. mit Waffenlieferungen in die Region eine goldene Nase.
Nein zur Kriegstreiberei, Imperialismus raus aus dem Nahen Osten!
(Funke Nr. 175/Juli 2019)