Genosse Amin, aktives Mitglied der Jugendorganisation Progressive Youth Alliance (PYA) in Karachi, wurde am 14. Juli 2020 aus seiner Wohnung in der Shah Faisal Colony in Karatchi von den Rangers (einer paramilitärischen Einheit in Pakistan) entführt. Bis heute weiß fast niemand, wo er sich befindet, offensichtlich nicht einmal die Polizei oder der Oberste Gerichtshof in Pakistan.
Was ist passiert?
Am 14. Juli um 14 Uhr wurde das Wohnhaus von Dutzenden Rangers überfallen, die ohne jeden Durchsuchungsbefehl und auf keinerlei gesetzlicher Grundlage gewaltsam in das Gebäude eindrangen. Sie bedrohten seine Schwester Sairo Bano (die auch ein Mitglied der PYA ist) und seine Mutter mit wüsten Drohungen, bevor sie ihn entführten.
Die Familie fragte nach den Vorwürfen gegen ihn und dem Grund für den Überfall, aber ihnen wurde nicht geantwortet. Stattdessen wurden auch sie überwältigt und das ganze Haus durchsucht. Später ging Amins Familie zur Polizei, aber die örtliche Polizeiwache lehnte es ab, ihre Beschwerde aufzunehmen oder mitzuteilen, wo sich Amin sich befand. Wegen dieser Situation ist seine Mutter in einem kritischen Gesundheitszustand.
Nachdem alle Voraussetzungen dafür erfüllt sind, hat die Familie beim Obersten Gericht auch beantragt, dass Amin einem Richter vorgeführt werden muss. Aber das Gericht hat die Anhörung hinausgezögert, die normalerweise nach dem Gesetz eine dringende Angelegenheit wäre. Die Anhörung wurde jetzt für den 7. August angesetzt.
Trotz der Einschüchterung und Warnungen durch die Staatsmacht gab es in den vergangenen Tagen viele Proteste in verschiedenen Städten im ganzen Land. Eine große Protestkundgebung wurde am 21. Juli in Karatchi organisiert. Dort nahm eine große Zahl an politischen und Menschenrechtsaktivisten teil. Sie verlangten die Freilassung von Amin und anderen Menschen, die von den Rangers und anderen Sicherheitsbehörden im ganzen Land entführt worden sind.
Gefoltert werden oder sterben
Das Leben von Amin und vielen anderen, die in verschiedenen Teilen des Landes entführt worden sind, hängt an einem seidenen Faden. In vielen früheren Fällen sind Opfer der Rangers während ihres Gewahrsams schwer gefoltert worden. Viele haben dabei auch ihr Leben verloren. Viele werden von der herrschenden Klasse auch dazu gezwungen, spezifischen politischen Parteien beizutreten. Wenn sie das ablehnen, werden sie bedroht und schwerer Verbrechen angeklagt. Oftmals schmachten sie dann für den Rest ihres Lebens im Gefängnis.
Während immer mehr Menschen in extreme Armut und Entbehrung gestoßen werden, nehmen die Repressionen des Staatsapparates immer weiter zu. Das geschieht, um politische Entwicklungen zu verhindern, die die systematische Ausplünderung durch die herrschende Elite und ihr luxuriöses Leben gefährden könnte. Solche Entführungen sind in Pakistan „normal“ und tatsächlich zu einem blühenden Geschäft für das Personal in den staatlichen Sicherheitskräften geworden. Die Opfer werden in Pakistan „Verschwundene Personen“ genannt. In den letzten Jahren waren es bereits Tausende.
Viele Opfer werden schwer gefoltert und dann dazu gezwungen, schwere Verbrechen zu gestehen, ohne jemals vor einem Gericht zu erscheinen. Die Familien der Opfer werden andauernd schikaniert und weibliche Familienmitglieder sind in einigen Fällen sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Um die Opfer freizulassen, werden hohe Bestechungsgelder von den Familien der Opfer verlangt. In einigen Fällen wurde den Familien auch mitgeteilt, dass die Verschwundenen nicht gefoltert würden, wenn sie eine bestimmte Summe zahlten. Es wird der Familie aber kein Kontakt zum Opfer gewährt, nicht einmal per Telefon. Ebensowenig wird jemals mitgeteilt, wo sich das Opfer befindet. Es gibt viele Berichte aus der Vergangenheit, wonach die Leichen der Opfer, die während der Folter gestorben sind, nur gegen große Bestechungsgelder an die Familien übergeben wurden. Viele Ältere Angehörige der Opfer sind wegen dieser Barbarei auch an Herzinfarkten gestorben.
Mit Menschenleben zu spielen ist ein dreckiges Geschäft
Die Gerichte, Strafverfolgungsbehörden und politischen Parteien sind entweder hilflos oder Teil dieses schmutzigen Geschäftes, das mit dem Leben von Meschen im ganzen Land spielt – und Amin ist einer von ihnen. Jeder, der seine Stimme gegen diese Ungerechtigkeit erhebt, die die Sicherheitskräfte an den Tag legen, wird als Verräter gebrandmarkt, mit Anklagen wegen „Aufruhr“ bedroht oder im schlimmsten Fall selbst entführt.
Schon die Gesetze in Pakistan sind extrem repressiv – eine Folge des britischen Imperialismus, der sie zur Unterdrückung der Kolonialvölker einführte. Heutzutage ist die Staatsrepression aber weit über diese Grenzen hinausgegangen und macht die Rechtsordnung zu einer Farce. Sie ist heute nur noch ein Feigenblatt zur Verhüllung der staatlichen Verbrechen.
Die nackte Barbarei ist im ganzen Land zur Tagesordnung geworden. Der Staat, die Gerichte und andere Institutionen sind so verrottet, korrupt und degeneriert, dass sie völlig nutzlos geworden sind. Der Staat nutzt dabei die Unterstützung von imperialistischen Mächten wie den USA und anderen westlichen Ländern. Die Finanzhilfen des IWF und der Weltbank tragen auch zur barbarischen Repression bei.
Die Krise aller politischen Parteien in Pakistan ist sehr tief und die herrschende Klasse hat heute, im Gegensatz zur Vergangenheit, keine Partei mehr zur Verfügung, die auch nur den Hauch des Vertrauens in einen Teil der Massen besitzt. Auch der Versuch, von oben neue Parteien zu schaffen, wird nicht mehr begeistert aufgenommen, wie das früher der Fall war, speziell nach dem dramatischen Scheitern der PTI, die jetzt angeblich das Land regiert (Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit, die Partei des Premierministers Imran Khan, Anm. d. Ü.). Unter diesen Bedingungen steigt der Druck gegen politische Aktivisten, die gegen diese Zustände aufbegehren, und die Staatsrepression nimmt vorher ungeahnte Ausmaße an.
Deine Solidarität ist gefragt!
Wir rufen die arbeitenden Menschen und Jugendlichen auf der ganzen Welt. inbesondere alle Genossinnen und Genossen in allen Ländern dazu auf, gegen diese barbarischen Verbrechen des pakistanischen Staates zu protestieren. Du kannst folgendes tun:
- Briefe und Emails an die pakistanischen Botschaften in den verschiedenen Ländern schicken, entweder persönlich oder im Auftrag deiner Organisation
- Proteste organisieren, diese auf Video aufnehmen und auf Social Media mit den unten angeführten Hashtags posten
- Kommentare und Infos auf Social Media posten, auf denen man den Premierminister Pakistans, die DG Rangers Sindh und den Innenminister Pakistans markiert
- Diskussionen über diese Barbarei in deiner Umgebung oder in deinem Betrieb über die Verbrechen des pakistanischen Staats organisieren
Wir fordern die sofortige Freilassung des Genossen Amin. Sollte es eine Anklage gegen ihn geben, so muss er unverzüglich einem Gericht vorgeführt werden. Wir fordern auch die Freilassung aller anderen Personen, die von den Sicherheitskräften in Pakistan entführt wurden bzw. unverzügliche Gerichtsverfahren, falls Anklagen vorliegen. Das ist ein grundlegendes demokratisches Recht jedes Menschen und wir müssen für dieses Recht kämpfen.