Afghanistan steckt in einer Spirale aus Elend, Hunger und Unterdrückung. Florian Keller berichtet.
Schon vor der Machtübernahme der Taliban haben eine Dürre und der Krieg hunderttausende Menschen in Flüchtlingslager im eigenen Land getrieben, wo sie unter unvorstellbaren Bedingungen im Dreck, ohne fließendes Wasser, ohne Dach über dem Kopf und ohne genügend Essen kaum überleben. Schon vor der Machtübernahme der Taliban hatten laut Welternährungsprogramm der UN 80% der Bevölkerung nicht genügen zu Essen.
Alleine diese Zahl reicht aus, um das alte Regime zu charakterisieren: Es war nichts anderes als ein Netzwerk aus bestochenen Warlords, korrupten Politikern und Geschäftsleuten, die das Land in den Diensten des amerikanischen und europäischen Imperialismus über zwei Jahrzehnte verwalteten. Dafür wurden sie von westlichen Besatzungstruppen und Milliarden an Steuergeldern europäischer und amerikanischer ArbeiterInnen an der Macht gehalten und haben sich selbst enorm bereichert, während die Massen im Land hungerten. Man braucht sich nicht zu wundern, dass dieses Regime den Taliban nichts entgegensetzen konnte, obwohl diese selbst in breiten Teilen der Bevölkerung verhasst sind.
Doch jetzt hat sich die Situation noch einmal extrem verschlimmert. Mit der Machtübernahme der Taliban ist die Wirtschaft des Landes völlig zusammengebrochen. Hunderttausende Menschen haben ihre Arbeitsstelle verloren, Banken stehen vor dem Bankrott und können kein Bargeld mehr auszahlen. Mittlerweile haben 93% der Bevölkerung nicht genügend zu essen, 14 Mio. Menschen leiden unter extremem Hunger, etwa 1/3 der Bevölkerung!
Nieder mit dem Imperialismus und den Taliban
Die Taliban, die mithilfe einer anderen Gruppe an imperialistischen und regionalen Mächten an die Macht gekommen sind (Russland, China, Iran und Pakistan), haben dem nichts entgegenzusetzen. Sie stützen sich auf brutale Unterdrückung, etwa wenn Frauen dagegen auf die Straße gehen, dass ihr Zugang zu Arbeitsstellen, Schulen und Universitäten massiv eingeschränkt werden soll.
Das Land ist völlig von ausländischen Hilfszahlungen abhängig. Und die westlichen Mächte lassen es das spüren, indem sie den wirtschaftlichen Muskel als Waffe nutzen, um Einfluss auf die neue Taliban-Regierung zu nehmen: Eine Geberkonferenz hat zwar über eine Milliarde US-$ gegen den Hunger gesammelt, die aber als politisches Druckmittel vor den Taliban zurückgehalten wird. Dabei sind Themen wie Frauenrechte, Demokratie etc. nur Schlagworte, die von den westlichen Regierungschefs für das Publikum im eigenen Land in den Raum geworfen werden.
Worum es wirklich geht, drückte der deutsche Außenminister Heiko Maas aus: „Die Ankündigung einer nicht-inklusiven Regierung war ein taktischer Fehler der Taliban“ sagte er und fügte hinzu: „Diese Entscheidung wird es für uns schwieriger machen, mit ihnen Kontakt zu unterhalten.“ Im Klartext gesprochen: Eine „inklusive Regierung“ würde im Sinne von Maas und Co. bedeuten, dass die korrupten Marionetten des alten Regimes einen Platz neben den rückständigen und korrupten neuen Machthabern finden würden. So eine „Machtteilung“ war in Wirklichkeit schon vor dem Abzug der US-Truppen in Verhandlung. Für die afghanische Bevölkerung wäre das kein Schritt nach vorne.
Die Taliban bekommen durch diese Blockade von Hilfslieferungen in Wirklichkeit sogar die Möglichkeit, dass sie politisch durchschnaufen können: Sie können die Verantwortung und den Unmut der Massen ablenken, indem sie sich als Opfer des westlichen Imperialismus präsentieren, der die Bevölkerung aushungert.
Die letzten Jahrzehnte haben gezeigt: Nur wenn die afghanischen Massen zusammen mit denen der Nachbarländer ihr Schicksal in die eigenen Hände nehmen, kann der jahrzehntelange Teufelskreis aus imperialistischer Unterdrückung, Fundamentalismus und Elend durchbrochen werden. Es ist die Aufgabe von ArbeiterInnen und Jugendlichen in Europa, die Bedingungen dafür zu schaffen, indem wir die zynische Machtpolitik unserer eigenen Regierungen bekämpfen, die genau wie die Taliban für die Erreichung ihrer Ziele über die Leichen der afghanischen Zivilbevölkerung gehen. Daher:
- Gegen jede wirtschaftliche Blockade Afghanistans!
- Nieder mit allen imperialistischen Mächten, die Afghanistan in den letzten Jahrzehnten zusammen zerstört haben!
- Nieder mit dem Talibanregime, es lebe die Revolution der afghanischen Arbeiter und Bauern!
- Hoch die internationale Solidarität!
(Funke Nr. 197/30.9.2021)