Eine revolutionäre Aufstandsbewegung der Jugend hält das Land schon seit fast 3 Monaten in Atem. Was als Protest nach dem Mord an Mahsa Jina Amini durch die verhasste „Moralpolizei“ begann, ist mittlerweile weit darüber hinaus gegangen. Die Unterdrückung hat schon hunderte Todesopfer gefordert, viele davon minderjährig, tausende wurden verhaftet, werden gefoltert und immer öfter auch zum Tode verurteilt. Von Florian Keller.

Das Regime hat kaum mehr eine Basis in der Gesellschaft und hat es daher auch bisher nicht geschafft, den Protesten Herr zu werden. Daher setzt es auch auf nationale Spaltung. Insbesondere in Kurdistan und Belutschistan ist die Unterdrückung besonders hart; seit Wochen werden auch gezielt Ziele im irakischen Kurdistan bombardiert. Das Ziel ist die Provokation einer Auseinandersetzung anhand nationaler Linien, um so die Bewegung zu spalten.

Doch bisher hat das keinen Erfolg. Das Ergebnis ist zunehmende Panik und Spaltung im Regime selbst: Der Generalstaatsanwalt hatte angedeutet, dass die Moralpolizei aufgelöst werden könnte (was nichts an den Gesetzen ändern würde, aber ein symbolisches Zugeständnis wäre). Andere hochrangige Regimevertreter hielten dagegen und kündigten an, dass es eine neue Kampagne zur Erziehung von „Keuschheit“ geben werde. Leaks von Diskussionen hochrangiger Regimevertreter aus dem Archiv des Staatssenders „Fars News“ zeichnen ein Bild der Unsicherheit und Abgehobenheit sowie von Konflikten innerhalb des Staatsapparates.

Doch für eine Revolution braucht es mehr als nur Entschlossenheit und Mut. Die zentrale Rolle der Arbeiterklasse im Sturz des Regimes wird immer deutlicher. Der Schah wurde 1979 durch einen Aufstand gestürzt, dem ein mächtiger Generalstreik vorausging, insbesondere die Ölarbeiter und Bankangestellten legten die Wirtschaft völlig lahm.

Der Zeitpunkt der Drucklegung dieser Zeitung fällt zusammen mit dem zweiten von drei Aktionstagen, die eine neue Stufe in der Bewegung repräsentieren. Ihr Ziel ist die Organisierung eines landesweiten Generalstreiks, der am 3. Tag, dem „Tag des Studenten“, in Massendemonstrationen münden soll. Und tatsächlich wurden an den ersten beiden Tagen neben Unis und Schulen in vielen Städten auch Geschäfte und einzelne Betriebe bestreikt. Was auch immer das letztendliche Ergebnis sein wird, es zeugt davon, dass die zentrale Rolle der Arbeiterklasse immer mehr erkannt wird.

Eine Erklärung der Haft Tapeh Zuckerarbeitergewerkschaft aus dem November, die durch ihre vergangenen Kämpfe eine große Bekanntheit und Autorität genießt, hält in diesem Sinne in einer längeren Erklärung auch fest:

„Aber auf Ebene der ganzen Gesellschaft und zu dem Zweck, dass die Bewegung jetzt und in der Zukunft an Stärke gewinnt, ist die Rolle der Arbeiterklasse in den Protesten von äußerster Wichtigkeit. Die Arbeiterklasse als größter und wichtigster Sektor der Gesellschaft hat die Macht, die Produktion zu stoppen, die wirtschaftlichen Arterien der kapitalistischen Herrschaft zu schließen. Wenn sie sich ihrer eigenen Position bewusst ist und ihren politischen Willen umsetzt, ist sie fähig, den Prozess des Kampfes gegen die kapitalistische Herrschaft zum Wohle der beraubten Massen anführen zu können.“

Dem stimmen wir voll und ganz zu. Was es im Iran wie überall braucht, ist eine revolutionäre Führung der Arbeiterklasse, die den Kampf gegen die kapitalistische Ausbeutung untrennbar mit dem Kampf gegen Unterdrückung von Frauen, nationaler Minderheiten, etc. verknüpft, um auf dieser Basis eine sozialistische Revolution organisieren zu können!

(Funke Nr. 209/6.12.2022)


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