Der gestrige Tag begann sehr hoffnungsfroh, wie man in meinem Bericht sehen kann. Aber erst das was ich gestern erlebte machte mir klar, dass der Wahltag nur der Beginn eines langen und harten Befreiungskampfes der pakistanischen Menschen ist.

Gestern besuchte ich ca. 20 „gefährdete“ Wahllokale. Alle in einem Gebiet das von der MQM, der Partei die die Macht in Karachi und der gesamten Sindh ausübt. Die MQM ist eine islamitische Partei und die lokale Stütze des Musharraf Regimes.

Wenn ich sage die “Macht ausübt” muss man diesen Begriff wortwörtlich verstehen. In Theorie haben alle Parteien das Recht Wahlbeobachter in die Wahllokale zu senden. In dem Gebiet das ich besuchte hatte nur in einem fünftel der Wahllokale Wahlbeobachter von der PPP. Andere Oppositionsparteien trauten sich gar nicht hin. Diese Wahlbeisitzer sind unglaublich mutige Menschen. Sie werden misshandelt, auch Fälle von Entführung und Mord durch die Partei an der Macht kommen vor. Ein Mitarbeiter einer lokalen NGO erzählte mir, dass am Wahltag 15 PPP Wahlbeisitzer ermordet wurden. Insgesamt wurden 27 WahlbeisitzerInnen am Wahltag in den Wahllokalen ermordet, abgesehen von Folterungen, Entführungen,... Seit letzter Nacht fehlt von zwei PPP Aktivistinnen in Karachi jede Spur. Wir versuchten den Mangel an WahlbeisitzerInnen durch eine Art „fliegenden Streikposten“ in dieser „sensiblen Zone“ zu kompensieren.

Der Mangel an WahlbeisitzerInnen der PPP war nicht das einzige was ich sah: einige Wahllokale waren als Parteilokale der MQM geschmückt. Bereits ausgefüllte Wahlzettel lagen hier herum (natürlich MQM-Stimmen), warteten darauf gestempelt und damit offizialisiert zu werden, Identifikationsausweise für „WählerInnen die nicht auf der Wahlliste standen (in anderen Worten, Identitätsausweise für nicht existierende Menschen), Wahlzettel wurden in unversiegelten Koffern aufgewahrt. Einige Wahlfälschungen wurden durch unsere Präsenz und Intervention rückgängig gemacht. Ca. 900 gefälschte Wahlzettel konnten durch unsere Tätigkeit aus dem Verkehr gezogen werden.

Das schlimmste jedoch erlebten wir erst am Abend als wir zum zentralen Wahlauszählungsbüro des Wahlkreises NA 257 gingen. Was ich sah und fotografierte schlägt alles vorstellbare. Stöße von geöffneten Säcken mit Wahlzetteln liegen hier herum. Wahlergebniszettel werden in den Gängen des Gebäudes wahllos ausgefüllt oder geändert. Andere Orginalformulare werden vernichtet und weggeworfen. Aufgrund unseres Druckes und der Anwesenheit von lokalen Medienvertretern, wird ein lokaler Wahlkommissionsvorsitzender verhaftet und weggeschafft. Trotzdem - überrascht es ,dass der sozialistische PPP Kandidat Riaz Lund die Wahl offiziell verloren hat? Am Abend der Wahl, nach Auszählung von 50 der insgesamt 198 Wahlbezirke lag er mit 15.000 Stimmen vor dem MQM Kandidaten.

Erik De Bruyn, Karachi, February 19, 2008

Erik de Bruyn ist Unterstützer der marxistischen Strömung und war Kandidat der Linken für den Vorsitz der flämischen Sozialistischen Partei. Er erreichte ein Drittel der Wahlstimmen.

de rode voorzitter Blog of Erik De Bruyn

Anmerkung:
Das offizielle Ergebnis, das erst am 20. Februar veröffentlicht wurde lautet:
Sajid Ahmed (MQM) 134.448 Stimmen
Riaz Lund (PPP) 46.080 Stimmen
Zum Vergleich: bei den Wahlen von 2002 erreichte der Sieger der MQM 45.480 Stimmen. Sprich die MQM hat ihre „Wählerschaft“ verdreifacht.


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