Die Lage der iranischen Arbeiterklasse verschlechtert sich stetig weiter. Gegen diese Missstände kommt es zu ständigen Protesten, doch was der Bewegung fehlt, ist eine revolutionäre Führung. Von Julian Lechner.

Am 21. April hat im Iran ein Streik im Öl-Gas-Sektor begonnen, an dem sich in nur kurzer Zeit andere Branchen wie die Arbeiter in den Minen und der Stahlproduktion beteiligten. Die Streiks wurden vom „Rat für die Organisation von Protesten der Öl-Vertragsarbeiter und Vertragsarbeiterinnen“ ausgerufen. Sie fordern 10 Ruhetage im Monat, eine Lohnerhöhung von 79% und einen Mindestlohn von 20 Millionen Toman (ca. 450 Euro). Bei den Arbeitenden staut sich die Wut und in den letzten fünf Jahren gab es mehrere Wellen von Streiks und Protesten, während die Bevölkerung immer noch Armut und Unterdrückung ausgesetzt ist. Mit der Ausweitung des Streiks haben sich auch die Forderungen verändert, welche nun auch Verbesserung der Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, der Qualität der Pendlerdienste, der Lebensmittelqualität und die Verkürzung der täglichen Arbeitszeit von 10 auf 8 Stunden umfasst. Die Arbeitenden des Ölsektors bauen auf ihren Erfahrungen und rufen zur Bildung von Streikkomitees auf.

Obwohl das Regime hart gegen die Aufstände im vergangenen Jahr vorging, haben die Herrschenden im Iran noch lange nicht gesiegt. Die Arbeiterklasse beteiligte sich nicht massenhaft an dieser Bewegung, weil es keine sichtbare Führung gab, die eine Alternative zum Regime darstellen konnte. Während des Aufstands wurde es zeitweise ruhig um die seit Jahren schwelende Streikbewegung, doch jetzt verschafft sich die Arbeiterklasse wieder durch ihre Forderungen Gehör. Die Inflation hat die vorher bereits krisengeschüttelte iranische Wirtschaft endgültig gegen die Wand gefahren. Durch das Erstarken des Dollars und die hohen Auslandszinsen wurden die Währungsreserven des Regimes aufgebraucht. Der Toman hat innerhalb eines Jahres die Hälfte des Wertes verloren. Dazu kommt noch eine Energieknappheit, obwohl der Iran über die zweitgrößten Gasreserven der Welt verfügt. Für die Arbeiterklasse hat sich die Situation endgültig zugespitzt, als es zu einer Mindestlohnerhöhung um nur 27% kam.

Mit dem Ausbruch des Streiks wendet sich die Jugend solidarisch mit Aufrufen an die Arbeiterklasse. Revolutionäre Jugendgruppen aus mehr als 32 Städten fordern unter anderem die Zerstörung der Islamischen Republik und setzen sich für die Schura-Herrschaft (selbstverwaltete Räte) und Frauenrechte ein. Der fortschrittlichste Teil der Jugend tritt sozialistisch und kommunistisch auf. An einigen Universitäten sind kommunistische Plakate zu sehen, auf denen „Sozialismus für immer“, „Brot, Arbeit, Freiheit – Schura-Herrschaft“ und „Die einzige Rettung ist der bewaffnete Aufstand der iranischen Massen“ steht.

Nach fünf Jahren landesweiter Streiks und mehreren Aufständen sind die Bedingungen nicht nur reif für einen Generalstreik, sondern auch für den Sturz der Islamischen Republik. Die Bewegung wird jedoch dadurch geschwächt, dass es keine klare Führung mit einem revolutionären Programm gibt, das die Massen vereinen, und den landesweiten Streik zu einem Generalstreik ausweiten könnte. Es ist auch notwendig, die Frage der Islamischen Republik zu stellen – der Sturz des Mullah-Regimes durch die Arbeiterklasse und die unterdrückten Massen wäre der erste Schritt zur sozialistischen Revolution im Iran.

(Funke Nr. 214/24.05.2023)


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