Die israelische Marine hat am heutigen Tag in internationalen Gewässern einen Hilfskonvoi angegriffen, der den blockierten Gaza-Streifen mit humanitären Gütern versorgen wollte. Die Erstürmung der zivilen Schiffe in einer Kommandoaktion hat letzten Meldungen zufolge mindestens 19 Menschenleben gekostet. In einer weniger neutralen Sprache formuliert: die Isreal Defense Force (IDF) hat mindestens 19 Zivilisten ermordet! Die Folgen für die Stabilität der internationalen Beziehungen sind unabsehbar.

Ein Hollywood-Thriller könnte die Dramatik der letzten 48 Stunden nicht im geringsten einfangen: Seit mehreren Wochen bereitete die Organisation „Free Gaza“ (mit deren politischen Programm - insofern so etwas überhaupt existiert - der Autor dieser Zeilen keinesfalls politisch übereinstimmt) eine Durchbrechung der Blockade des Gaza-Streifens vor. Seit der Machtübernahme der Hamas im Gaza-Streifen blockiert die israelische Regierung gemeinsam mit dem ägyptischen Regime den Gaza-Streifen. Die UNO hat bekannt gegeben, dass Israel nur die Einfuhr von 25% der lebensnotwendigen Güter in den Gaza-Streifen erlaube. Eine Reihe von ca. 25 Parlamentsabgeordneten aus ganz Europa hat sich dem Versuch der Blockadedurchbrechung angeschlossen und reiste nach Zypern, von wo die kleine Flotte in See Richtung Gaza stechen wollte. Die griechisch-zypriotisch Behörden hinderten die Parlamentsabgeordneten mindestens zweimal, die Schiffe zu betreten. Der Schriftsteller Henning Mankell schaffte es hingegen, auf eins der Schiffe zu gelangen.

Am Wochenende gab die israelische Regierung bekannt, dass sie die Schiffe nicht bis zur Küste von Gaza vordringen lassen würde. Der Ministerpräsident sprach von einer „politischen Provokation“ (heutzutage kann offenbar bereits die Lieferung humanitärer Güter eine politische Provokation sein). Die AktivistInnen von „Free Gaza“ ließen es darauf ankommen und stachen in See, wobei sie ihren Abfahrtszeitpunkt so wählten, dass sie die Gewässer vor Gaza bei Tageslicht erreichen. Man war sich offenbar der Gefahr bewusst, dass Israel einen Piratenakt plante, der aber wenigstens vor den Augen der Weltöffentlichkeit passieren sollte.

Am Morgen des heutigen Tages, des 31. Mai 2010 überfielen dann die Marinetruppen des israelischen Staates die unter türkischer Flagge fahrenden Schiffe noch in internationalen Gewässern 64 Kilometer vor der Küste und töteten dabei nach letzten Meldungen mindestens 19 Menschen. Der sofort hereinbrechenden Empörung in aller Welt suchte man durch die Behauptung beizukommen, dass die Schiffe auch Waffen transportiert hätten. Für wie blöd hält die isrealische Regierung eigentlich die Welt? Als George W. Bush dem irakischen Regime den Besitz von Massenvernichtungswaffen unterstellte, war zwar auch niemand so recht davon überzeugt, aber immerhin baute man sehr sorgfältig eine kolossale Lügengeschichte auf. Aber wer bitte soll glauben, dass sich 25 Parlamentarier aus ganz Europa an Bord einer Kriegsmaterialienlieferung nach Gaza begeben wollen? Natürlich wird der Mossad jetzt ausreichend Zeit haben, um einige Pistolen und Gewehre auf den von Israel entführten Schiffen zu platzieren und dies hübsch zu photograpieren. Bloß: der Schaden ist bereits angerichtet.

In Istanbul versuchten empörte Menschen das israelische Konsulat zu stürmen und konnten nur von der Polizei daran gehindert werden. Die türkische Regierung, traditionell einer der Verbündeten Israels in der Region, sah sich unter dem Massendruck im eigenen Land gezwungen, ihren Botschafter aus Tel Aviv abzuziehen und warf Israel vor, „unschuldige Zivilisten ins Visier“ genommen zu haben. Die griechische Regierung, eigentlich mit anderen Problemen konfrontiert, unterbrach das Programm gemeinsamer Marinemanöver. Die arabische Liga wird noch heute abend tagen, um ihre Reaktion auf das israelische Massaker zu beraten.

Der isrealischen Regierung musste bewusst sein, dass ihre Aktion den ganzen Nahen Osten ins Chaos stürzen muss. Sie musste massive innenpolitische Gründe haben, um diesen barbarischen Akt durchzuführen. Die Arbeiterbewegung in aller Welt sollte an die israelischen Arbeiter appellieren, gegen das Verhalten ihrer Regierung in einen Proteststreik zu treten.

Miriam Van den Nest
SJ Alsergrund / Wien


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