Die Parlamentswahlen am 25. Jänner brachten den linken Wahlsieg. Ein Ende des Austeritätsregimes wird es aber nur geben, wenn SYRIZA antikapitalistische Maßnahmen setzt. Eine Analyse der jüngsten Entwicklungen in Griechenland von der Funke-Redaktion.
Der Wahlsieg von SYRIZA war ein harter Punch in die Magengrube des Austeritätsregimes, das seit Beginn der Krise in der EU herrscht. In ihren ersten Ankündigungen hat die neue Regierung in Athen betont, dass jetzt die Wahlversprechen (das „Programm von Thessaloniki“) umgesetzt werden. In den Wochen nach der Wahl konnte SYRIZA damit auch ihre Unterstützung in der Bevölkerung zusehends ausbauen. Griechenlands Finanzminister sprach schon vom Ende der Troika. In ganz Europa hat dieser Wahlsieg die Linke beflügelt. In Spanien demonstrierten 300.000 Menschen in Solidarität mit SYRIZA und für eine linke Wende im eigenen Land.
Unmittelbar nach den Wahlen haben wir geschrieben: „Die Bilanz der ersten beiden Tage seit dem Regierungsantritt ist beachtlich (Privatisierungsstopp usw.) und voll zu unterstützen. Doch diese Reformen sind eine offene Herausforderung an das griechische Kapital und die Troika. Der offene Konflikt ist unter diesen Umständen vorprogrammiert. In gutem Einvernehmen mit diesen Kräften ist dieser Weg nicht zu beschreiten. Früher oder später wird SYRIZA vor der Entscheidung stehen: Ergreifen wir Maßnahmen gegen die Verfügungsgewalt der KapitaleigentümerInnen und zur Überwindung des Kapitalismus oder nicht? Um diese Frage kann sich Tsipras nicht ewig herumschwindeln.“
Das Abkommen
Und die Gegenreaktion ließ nicht lange auf sich warten. Griechenland braucht frisches Geld, damit es seine Gläubiger weiter zahlen kann. Und diese Situation nutzte die EU, allen voran Deutschlands Finanzminister Schäuble, um SYRIZA die Grenzen ihrer Politik aufzuzeigen. Dass SYRIZA in diesem Konflikt mit der Troika die Massen hinter sich weiß, zeigte sich bei den Großdemos unter dem Motto „Wir lassen uns nicht erpressen!“ Im entscheidenden Moment ging Tsipras aber vor dem Druck aus Berlin und Brüssel in die Knie. Das sogenannte Abkommen zwischen Griechenland und der Eurogruppe ist ein beinhartes Diktat, das im Großen und Ganzen die Austeritätspolitik festschreibt. Griechenland kann einseitig keine der Maßnahmen, die ihr bisher von der Troika (die jetzt in „die Institutionen“ umbenannt wird) aufgezwungen wurden, rückgängig machen. Alle Änderungen vom bisherigen „Reformprogramm“ müssen von der EU genehmigt werden. Einmal mehr zeigt sich, welchen Stellenwert der demokratische Wille der Bevölkerung hat, wenn er den Interessen der Gläubiger entgegensteht. Wenn sich die Regierung in Athen nicht dem Diktat der EU gebeugt hätte, wäre das Land pleite. Ein Verhandler sagte: „Ohne ein Abkommen, hätten wir sofort Kapitalverkehrskontrollen einführen müssen, das Land wäre zusammengebrochen.“ Jetzt bekommt Athen für vier weitere Monate Geld. Bis dahin ist für Tsipras & Co. der Spielraum im Kampf gegen die humanitäre Krise jedoch extrem gering.
Damit ist die ursprüngliche Strategie von Tsipras völlig gescheitert. Er ging davon aus, er könne einen Keil zwischen Frankreich, Italien u.a. einerseits und Deutschland andererseits treiben. Deshalb auch der Besuch bei Werner Faymann in Wien. Doch er wurde überall nur mit hohlen Worten abgespeist. Keine Regierung wollte seine Forderung nach einem Schuldenschnitt und einer Überbrückungsfinanzierung unter völlig geänderten Regeln unterstützen.
Interne Opposition
Dass Tsipras diesem Abkommen zugestimmt hat, hat in der griechischen Linken eine heftige Debatte ausgelöst. Auch wenn die Führung der SYRIZA dies als wichtigen Teilerfolg verkauft, weil man Zeit gewonnen und ein wenig mehr Spielraum habe, werden derzeit die Stimmen in den Reihen von SYRIZA lauter, die Tsipras scharf kritisieren. Großes Aufsehen hat vor allem Manolis Glezos erregt. Er gilt als lebende Ikone des Befreiungskampfes gegen die Nazis im Zweiten Weltkrieg und vertritt SYRIZA im EU-Parlament. Der 92jährige Glezos hat das Abkommen als „Schande“ bezeichnet. Er entschuldigte sich sogar bei der griechischen Bevölkerung, dass er die Illusion, die seine Partei in eine für Griechenland positive Verhandlungslösung geschürt hat, mitgetragen hat. Wenn es die Entscheidung gibt zwischen Freiheit und Unterdrückung, dann wähle er die Freiheit. Glezos fordert sogar die Basis auf, zu reagieren, bevor es zu spät ist. Es brauche einen außerordentlichen Parteitag, um dieses Ergebnis zu diskutieren.
Kurz vor Redaktionsschluss hat auch der Liedermacher Mikis Theodorakis, die Stimme des Widerstands gegen die Militärjunta in den 1970ern, öffentlich Tsipras aufgefordert das Nein von Schäuble mit einem Nein zu beantworten!
Die Kritik an der Politik der SYRIZA-Führung wird am pointiertesten von der Kommunistischen Strömung in SYRIZA, der griechischen Sektion der IMT, vorgebracht. Sie ist mit zwei GenossInnen im Zentralkomitee vertreten und hat von Anfang kritisiert, dass die Strategie von Tsipras einer Illusion gleichkommt, weil es auf dem Weg der Verhandlungen mit der EU (oder den einzelnen EU-Staaten) keine Lösung für die Staatschuldenkrise geben kann. Diese Prognose hat sich jetzt zu hundert Prozent bestätigt.
In ihrer Stellungnahme zum Abkommen mit der EU schreiben sie: „Dieses Abkommen kommt einer völligen Kapitulation gleich. Es bedeutet eine Verlängerung des Memorandums und steht im völligen Widerspruch zu dem Mandat, dass die Regierung am Wahltag von den ArbeiterInnen und den Armen erhalten hat.“ Der Text ruft die Abgeordneten, die sich der Linken Plattform in SYRIZA zugehörig fühlen, dazu auf, im Parlament gegen die Unterzeichnung dieses Abkommens zu stimmen. Bei Redaktionsschluss haben sich drei Abgeordnete öffentlich gegen das Abkommen ausgesprochen (u.a. Kouvelakis, der ein wichtiger Exponent des linken Flügels rund um Minister Lafanzanis ist). Lafanzanis selbst hat gesagt, dass es keine Abstriche vom Programm von Thessaloniki geben dürfe.
Reform oder Revolution
In Griechenland stellt sich jetzt die Frage, ob die Linksregierung die Austerität im Großen und Ganzen akzeptiert, oder ob sie bei der Umsetzung ihres Programms zur Lösung der humanitären Katastrophe einen Bruch mit diesem Regime in Kauf nimmt.
Aus unserer Sicht gibt es für die griechische ArbeiterInnenklasse nur einen Ausweg aus der Krise. Dieser läuft auf eine soziale Revolution und den Sturz des Kapitalismus hinaus. Dazu müssen die Massen aber selbst zum Motor der sozialen Veränderung werden, sich in den Betrieben und Stadtvierteln organisieren und für die Umsetzung eines Programms kämpfen, mit dem die Macht des griechischen und des internationalen Kapitals gebrochen werden kann. Das Programm der Kommunistischen Strömung in SYRIZA zielt genau darauf ab. Unsere Aufgabe ist es diese Strömung zu stärken. In den kommenden Monaten steht der Kampf zwischen Reform und Revolution in der griechischen Arbeiterbewegung auf der Tagesordnung.
24. Februar 2015