Die soziale und ökonomische Krise in Griechenland hat Frauen besonders hart getroffen. Aber sie sind es auch, die das Rückgrat der solidarischen Initiativen und Widerstandsbewegungen sind, berichtet Kathrin Niedermoser.

Zweifelsohne sind die patriarchalen Gesellschaftsstrukturen in Griechenland um einiges ausgeprägter als beispielsweise in Österreich. Vor diesem Hintergrund trafen die Krise und ihre Folgen Frauen in Griechenland mit voller Wucht. Die Politik der Troika und der ehemaligen griechischen Regierung haben große Teile der Bevölkerung in Armut und Elend gestürzt, die griechische Wirtschaft in eine lange Rezession geschickt, sozialstaatliche Strukturen kaputt gespart und die Rechte von ArbeitnehmerInnen massiv eingeschränkt. Die nun seit 6 Jahren anhaltende Krise zeigt die strukturelle Benachteiligung von Frauen in Griechenland besonders deutlich auf. So sind Frauen überproportional von Arbeitslosigkeit und Armut betroffen. Jene von ihnen, die noch in Beschäftigung sind, arbeiten meist Teilzeit im Einzelhandel, der Gastronomie oder anderen Dienstleistungsbereichen, wo meist nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn von 581 Euro bezahlt wird. Vor allem für Alleinerzieherinnen und ältere ArbeitnehmerInnen ist es kaum mehr möglich sich selbst und ihre Kinder über Wasser zu halten.

Backup Familie

Mangels sozialstaatlicher Strukturen sind die Familien für viele Menschen in Griechenland zum letzten Anker geworden. Erwachsene Kinder ziehen wieder bei ihren Eltern ein, Großeltern werden von ihren Kindern aufgenommen. Viele Familien leben oft nur mehr von einem (männlichen) Einkommen oder der kleinen Pension der Großeltern. Durch die vorherrschenden klassischen Rollenklischees, die Überhöhung der Mutterrolle und die entlang der traditionellen Familienstrukturen organisierte, geschlechtsspezifische Arbeitsteilung sind es vor allem Frauen, die nun die Privatisierung gesellschaftlicher Aufgaben zu tragen haben. Die Krise bestimmt jedoch nicht nur den Alltag, sondern hat sich auch tief in die Beziehungen der Menschen zueinander eingeschrieben. So berichten feministische Beratungsstellen von einem massiven Anstieg von Gewalt und Konflikten in Familien. Die existenziellen Nöte und die Unsicherheiten, die viele Familien quälen, verstärken Abhängigkeitsverhältnisse und untergraben eine selbst bestimmte Lebensweise.
 
Selbstverteidigung

Vor diesem Hintergrund wundert es nicht, dass es Frauen waren, die sich als erstes abseits von bestehenden Strukturen wie Parteien oder Gewerkschaften organisierten. Ausgehend von den Auswirkungen der Krise auf das Alltagsleben wurden in den vergangen Jahren hunderte Solidaritätsinitiativen in Griechenland gegründet. Die Suppenküchen, Nachbarschaftskollektive, Gesundheitseinrichtungen,… müssen somit auch als Schritt betrachtet werden, gemeinsam im Kollektiv gegen die Verschiebung der Krisenauswirkungen ins Private und der Entsolidarisierung der Gesellschaft entgegenzutreten. Und so sind es heute Frauen, die maßgeblich die Strukturen dieser Initiativen aufrechterhalten. Sie verstehen ihre Arbeit nicht als Charity, sondern als Akt der Selbstverteidigung und als politische Projekte.
Auch in den Widerstandsbewegungen und aktuellen Kämpfen spielen Frauen eine zentrale Rolle wie etwa in der Protestbewegung gegen den Bau einer Goldmine auf der Halbinsel Chalkidiki. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel für die Militanz griechischer Arbeiterinnen ist der Arbeitskampf der 595 Frauen, die als Reinigungskräfte im Finanzministerium gearbeitet haben und im Herbst 2013 entlassen worden sind. Obwohl ihr Protestcamp mehrmals von einer berüchtigten Spezialeinheit der Polizei (MAT) angegriffen wurde, hielten sie stand und räumten das Camp erst nachdem die neue SYRIZA-Regierung ihre Wiedereinstellung zusagte.
Angesichts der bedeutenden Rolle von Frauen in den griechischen Widerstands- und Solidaritätsbewegungen erscheint die Tatsache, dass keine einzige Frau in der ersten Reihe der neuen Regierung sitzt besonders fatal. Aufgrund der tief verankerten patriarchalen Strukturen, die auch vor der griechischen Linken nicht halt machen, ist dies jedoch nicht verwunderlich. Umso mehr sollte die neue Regierung unter SYRIZA u.a. daran gemessen werden, ob sie die Bedingungen dafür schaffen kann, den Kampf von Frauen für ein selbst bestimmtes Leben zu erleichtern?


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