Unsere griechische Schwesterzeitung „Revolution“ veröffentlichte am 21.7. folgende Stellungnahme. Anschließend eine Analyse der militärischen Spannungen zwischen dem griechischen und türkischen Staat im südöstlichen Mittelmeer und der Gefahr eines Krieges in Europa, von Ilias Kyrousis.

Die Navtex-Veröffentlichung der Türkei über seismische Untersuchungen in Gebieten zwischen Kreta und Kastelorizo – in griechischem Gewässer – und die militärischen Spannungen zwischen dem griechischen und türkischen Staat die daraus entstehen, sind ein weiteres Kapitel im jahrelangen reaktionären Konflikt zwischen der griechischen und türkischen Bourgeoisie.

Dieser Konflikt ist nicht unserer!

Es stoßen die griechischen, türkischen und die anderen Kapitalisten der Region zusammen, um ihre profitgetriebene Kontrolle über Erdgasvorkommen zu sichern, mit dem „patriotischen“ Vorwand die sogenannten „nationalen souveränen Interessen“ zu schützen. Es darf keine Duldung und keine Unterstützung der werktätigen Massen und der Jugend gegenüber der griechischen herrschenden Klasse und ihrem reaktionären Kräftemessen mit der ebenso reaktionären türkischen Bourgeoisie geben. Wir müssen entschlossen dafür kämpfen, dass kein Schuss fällt, dass kein Tropfen Blut im Konflikt ihrer „ausschließlichen Wirtschaftszone“ (AWZ) vergossen wird. Gleichzeitig darf es kein Vertrauen in die Friedensappelle der Imperialisten der USA, der NATO und der EU geben.

Nur die internationale Solidarität und ein gemeinsamer antimilitaristischer Kampf des griechischen und türkischen werktätigen Volkes kann ein mögliches Blutvergießen in der Region verhindern. Die kommunistischen und Arbeiterparteien in Griechenland, der Türkei und der anderen Länder im südöstlichen Mittelmeer haben die historische Pflicht UMGEHEND internationalistische, antimilitaristische Initiativen zu ergreifen. Die einzige Lösung für Frieden und Wohlstand am Mittelmeer ist der Sturz des Kapitalismus und die Vereinigten Sozialistischen Staaten von Europa, des Nahen Ostens und Nordafrikas!


Wie konnte es dazu kommen?

Der zugespitzte Konflikt zwischen dem griechischen und türkischen Kapitalismus ist nicht nur ein regionales Phänomen, sondern Teil des weltweiten imperialistischen Kräftemessens. Der Kapitalismus befindet sich in der Krise, die Weltwirtschaft steuert einer neuen Rezession entgegen und je kleiner der „Profitkuchen“ wird, desto härter wird der imperialistische Kampf um Rohstoffe, Märkte und Handelsrouten. Der Konflikt im südöstlichen Mittelmeer ist weder neu noch in seiner Form besonders. Ähnliche Konflikte können wir im Pazifischen Ozean, Afrika, Asien und auf der ganzen Welt beobachten.

Für das Zuspitzen des Konflikts hat einerseits die ökonomische und militärische Schwächung des amerikanischen Imperialismus eine wichtige Rolle gespielt (1960 wurde den USA 40% des weltweiten BIP zugeschrieben, 2017 nur noch 24,06%), und andererseits die Stärkung anderer imperialistischer Staaten wie Russland und China. Die geschwächte Stellung der USA in Teilen der Welt führte dazu, dass regionale imperialistische Kräfte in den Vordergrund rücken. Der amerikanische Imperialismus kann nicht mehr die Interessen ihrer Verbündeten sicherstellen oder dafür garantieren. Charakteristisch dafür ist das Beispiel der Türkei, welche aufgrund der gegensätzlichen Positionen zu den kurdischen Kämpfern in Nordsyrien am Rande eines Bruches mit den USA steht.

Zu diesem Zeitpunkt ist ein globaler bewaffneter Konflikt fast ausgeschlossen, aufgrund der enormen Gefahr durch Massenvernichtungswaffen und der Angst der herrschenden Klasse vor möglichen revolutionären Auswirkungen in einem destabilisierten System. Die Zuspitzung des imperialistischen Kräftemessens führt jedoch zu regionalen bewaffneten Konflikten. Solange die griechische und türkische Arbeiterklasse die Herrschaft des Kapitals in ihren Ländern nicht stützt, bleibt die Gefahr eines imperialistischen Krieges zwischen diesen bestehen.

Die Ursachen der Konfrontation der griechischen und türkischen Bourgeoisie

Die jahrelange Konfrontation zwischen dem griechischen und türkischen Kapitalismus deeskalierte ein wenig nach dem bewaffneten Zwischenfall um die Imia-Inseln in der Ägäis von 1996. Ein Grund dafür war die Intervention des amerikanischen Imperialismus, welcher keinen Nutzen in einem militärischen Konflikt sah und stattdessen nach ökonomischer Annäherung strebte und Zugeständnisse an die herrschenden Klassen der beiden Länder machte.

Keine der grundsätzlichen Fragen dieser Konfrontation wurde dadurch aber gelöst. Die Frage nach der Besetzung Zyperns durch die Türkei, die türkischen Minderheiten in Thrakien, der Territorial- und Grenzstreit im Mittelmeer und die Frage nach der ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) der beiden Länder, blieben ungeklärt.

All diese Konfliktfelder sind nun mit einem Paukenschlag wieder auf der Tagesordnung gelandet. Der Grund dafür ist die Entdeckung von Erdöl und -gas im südöstlichen Mittelmeer und die Verwertung dieser durch Großkonzerne. Für die türkische herrschende Klasse ist die Nutzung dieser Rohstoffe von großem Wert, sie will ihre Abhängigkeit vom Import russischen und iranischen Erdöls beenden. Auf der anderen Seite ist die Perspektive eines EU-Beitritts der Türkei im Moment nicht realistisch und die Strategie der griechischen Bourgeoisie zur Verhinderung eines türkischen EU-Beitritts kann nicht mehr genutzt werden. Das semi-bonapartistische Regime Erdogans wird immer schwächer und mit den wachsenden wirtschaftlichen Problemen des türkischen Kapitalismus wächst die Existenzangst in Teilen der türkischen Bevölkerung. Ihre Bourgeoisie hat einen nationalistischen Aufschrei nötig, um den Blick der empörten Massen auf das Ausland zu lenken.

Die großen Töne der türkischen Bourgeoisie bedeuten aber nicht, dass der griechische bürgerliche Staat sich nur in der Defensive befindet. Die Behauptung der griechischen Bürgerlichen, dass diese sich im Gegensatz zur Türkei an das internationale Recht halten, ist schlicht gelogen. Die herrschen Klassen beider Länder legen das internationale Recht gemäß ihren eigenen Interessen aus. Die griechische herrschende Klasse möchte mit einem ökonomischen und militärischen Bündnis mit Zypern, Israel und Ägypten ihre AWZ und folglich die Nutzung der dort vorkommenden Rohstoffe sichern.

Ist ein griechisch-türkischer Krieg möglich?

Sowohl die griechischen als auch die türkischen Bürgerlichen sind sich der Folgen eines Kriegs in der aktuellen Situation bewusst. Der türkische Kapitalismus befindet sich seit 2018 in einer schweren Krise, ein möglicher Krieg könnte die empörten Massen zu revolutionären Handlungen führen. Für den griechischen Kapitalismus würde er eine wirtschaftliche Katastrophe bedeuten. Ein Krieg gilt zu diesem Zeitpunkt für fast ausgeschlossen, das bedeutet aber nicht, dass langfristig die herrschenden Klassen diesen ausschließen (können). Wie in der Vergangenheit werden bewaffnete Konflikte immer wieder als Mittel zur Bekämpfung revolutionärer Situationen und des verschärften Klassenkampfes genutzt.

Die Perspektive eines griechisch-türkischen Krieges bleibt solange präsent, wie der Kapitalismus diese Länder korrumpiert und so die imperialistischen Interessen aufrechterhalten werden. Nur ein gemeinsamer, antikapitalistischer und internationalistischer Kampf der griechischen und türkischen Arbeiterklasse kann eine friedliche Zukunft für die Völker der Region bringen.

Die notwendige Antwort der Arbeiterklasse

Die Arbeiterklasse beider Länder hat nichts von der Nutzung der Rohstoffe im südöstlichen Mittelmeer zu gewinnen. Den Profit werden große Konzerne und eine Hand voll Kapitalisten einfahren. Es lohnt sich einen Blick auf Staaten mit vielen Rohstoffquellen zu werfen (Saudi-Arabien, Iran, Algerien, Nigeria), um zu verstehen, dass eine kleine oligarchische Gruppe den Reichtum anhäuft und der Großteil der Bevölkerung in Verelendung lebt. Jeder bewaffnete Konflikt zur Verteidigung „unserer“ herrschenden Klasse und ihrer Interessen muss von der Arbeiterklasse entschieden zurückgewiesen werden.

Die griechische Sektion der IMT begrüßt die gemeinsame Stellungnahme der Kommunistischen Parteien Griechenlands und der Türkei, welche eine richtige politische Richtung einschlägt: den Antikapitalismus und den proletarischen Internationalismus! Die zwei Parteien müssen in der nächsten Zeit konkrete und praktische Initiativen ergreifen, welche den Kernaussagen ihrer gemeinsamen Stellungnahme gerecht werden. Es müssen gemeinsame Kampagnen und Interventionen zur Stärkung des Bewusstseins der Arbeiterbewegung in Griechenland, der Türkei und der Region geplant und umgesetzt werden. Mit koordinierten antiimperialistischen Massenprotesten und der Durchführung von Arbeiterkonferenzen, kann die Arbeiterbewegung eine kämpferische Antwort auf die reaktionäre Politik der Bourgeoisie der beiden Länder geben. Unsere Standpunkte sind klar:

  • Nein zum kapitalistisch-imperialistischen Kräftemessen, dem nationalistischen Hass und den militärischen Spannungen im südöstlichen Mittelmeer!
  • Nieder mit den „patriotischen“ herrschenden Klassen und deren Herrschaft!
  • Raus mit den amerikanischen und europäischen Imperialisten aus der Region! Sofortiger Austritt Griechenlands und der Türkei aus den politischen, wirtschaftlichen und militärischen Institutionen und Mechanismen der NATO, der EU usw.!
  • Die werktätigen Völker des südöstlichen Mittelmeers trennt nichts voneinander
  • Auf zum solidarischen Kampf für den Sozialismus in Griechenland, der Türkei, Zypern und im gesamten südöstlichen Mittelmeer!

 


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