Die Antworten der österreichischen Linken zur Frage des Ukraine-Krieges reichen von allgemeinen Forderungen nach Frieden bis zur Beschwörung der Neutralität. Warum pazifistische Gemeinplätze keine Lösung für die Arbeiterklasse bieten, argumentieren Christoph Pechtl und Felix Bernfeld.
Die Führung der SPÖ hat vollständig vor dem Militarismus kapituliert, unterstützt Sanktionen gegen Russland und argumentiert die Erhöhung des Militärbudgets auf 1% des BIPs. Der Kampf gegen diese Politik ist eine zentrale Aufgabe der Linken, wenn sie nicht hinter den Karren des österreichischen Kapitals gespannt werden will. Doch wie sieht es in der Linken zu dieser Frage aus?
Pazifismus und Sanktionen
Die Sozialistische Jugend stellt sich in dieser Frage nicht gegen die Mutterpartei. Sie schließt sich zwar nicht den Aufrüstungsforderungen an, bleibt aber bei der Berufung auf die allgemeine Vernunft: „Eine militärische Auseinandersetzung kann nie die Antwort auf bestehende Spannungen sein“, so der SJÖ-Vorsitzende Paul Stich.
In der Praxis führt dies ausschließlich zu zahnlosen Appellen an die internationale Politik, den Konflikt friedlich beizulegen: „Einstellung aller Kämpfe […], Wiederaufnahme der Verhandlungen über eine friedliche Lösung.” Sowohl Putin als auch die NATO haben kein Problem mit der Forderung nach Einstellung der Kampfhandlungen, allerdings jeweils unter ihren eigenen Bedingungen. Wir dürfen uns keine Illusionen machen: Alle Imperialisten kennen nur ihre eigenen Interessen, Profite und Einflusssphären, die sie mit allen ihnen passenden Mitteln durchzusetzen versuchen. „Die Antwort auf bestehende Spannungen“ wird im Kapitalismus ab einem gewissen Punkt immer die Form kriegerischer Auseinandersetzungen annehmen.
Der Pazifismus verkennt den Klassencharakter des Krieges, weshalb er schließlich im Lager der eigenen Herrschenden endet: „Österreich muss ohne Rücksicht auf den österreichischen Bankensektor dort sanktionieren, wo es Putin wehtut”, erklärte Paul Stich auf einer Demonstration, die die SJ gemeinsam mit ukrainischen Nationalisten organisierte. Doch Sanktionen, selbst ihre vermeintlich „linke“ Spielart, die sich auf das Eigentum russischer Oligarchen konzentrieren, sind Teil der Kriegsführung und helfen Putin dabei, die russische Arbeiterklasse im Korsett der nationalen Einheit hinter sich zu versammeln.
Die Funke-Strömung kämpft in der SJ für eine marxistische, internationalistische Position zum Ukraine-Krieg, für die klare Ablehnung des Krieges, des europäischen Militarismus, für die Entlarvung der Lügen der NATO und der EU sowie die Enteignung der Raiffeisenbank, die sich in den letzten Jahren in der Ukraine und Russland eine goldene Nase verdient hat.
Auch Fridays for Future (FfF) äußert sich ohne jeglichen Klassenstandpunkt zum Krieg und fordert ein Importverbot von russischem Öl und Gas: „Das Geschäft mit Öl und Gas befeuert Kriege weltweit!“ Doch dies würde keineswegs ein sofortiges Ende des Kriegs bedeuten. Im Gegenteil: Ein Ende von der Abhängigkeit von russischem Öl würde konkret eine verstärkte Abhängigkeit von Öl aus Saudi-Arabien bedeuten, das seit 2015 einen Krieg im Jemen führt, in dem bereits über 370.000 Menschen getötet wurden. Als treuer westlicher Verbündeter hat Saudi-Arabien jedoch keine wirtschaftlichen Sanktionen zu befürchten, was die Heuchelei der EU und USA gut auf den Punkt bringt und klar macht, dass man sich mit der Forderung nach Sanktionen direkt in das imperialistische Lager des Westens begibt.
Die Frage der Neutralität
Die Kommunistische Jugend (KJÖ) und die Junge Linke (JL) zeigen sich hin- und hergerissen, nachdem die KPÖ auch in Graz auf die Neutralität Österreichs pocht. Die JL meint in ihrem Podcast, dass man trotz aller Kritik als Linke für die Neutralität sein muss. Die KJÖ hingegen erklärt in einem Social-Media-Post richtigerweise die Farce der österreichischen Neutralität – von den Waffenexporten der „Glocks“, über die Lieferung von Helmen und Treibstoff an die Ukraine bis hin zu neu stationierten Truppen am Balkan. Schließlich blieben sie jedoch leider an der politischen Oberfläche stehen und beschränkten sich darauf, eine „wirkliche“ und „wahre“ Neutralität einzufordern.
MarxistInnen müssen jedoch die tieferliegenden ökonomischen Ursachen untersuchen und herausstreichen. Auf dem Weltmarkt ist Österreich an den deutschen Imperialismus gekettet und versucht wiederum selbst schwächere Länder an sich zu binden. Österreich ist ein kleines, doch imperialistisches Land mit starken Interessen auf dem Balkan sowie in Russland und der Ukraine. Eine „wirkliche“ Neutralität stünde den Profitinteressen des heimischen Kapitals diametral entgegen. Sich hauptsächlich auf diese Forderung zu konzentrieren, schürt daher Illusionen, dass die bürgerlichen Parteien Österreichs „sich auch anders hätten entscheiden” können. Lenin kritisierte während des Ersten Weltkriegs die Forderungen von „Entwaffnung“ und „permanenter Neutralität“, die vor allem von SozialistInnen in kleinen Staaten erhoben wurde. Seine Antwort war: „Natürlich ist solches Streben reaktionär und auf nichts als Illusionen gegründet, denn die kleinen Staaten werden so oder anders vom Imperialismus in den Strudel der Weltwirtschaft und der Weltpolitik hineingezogen.“ Dies bestätigt sich auch heute mit der österreichischen Beteiligung am Ukraine-Krieg in gut abgestimmter Arbeitsteilung (um die offizielle „Neutralität“ nicht zu verletzen) mit der EU.
Wir dürfen der Jugend und Arbeiterklasse keinen Sand in die Augen streuen. Machen wir Schluss mit Illusionen in bürgerliche Verhandlungstische und Neutralität. Unsere Positionierung muss ein kompromissloser Internationalismus sein. Die Aufgabe der österreichischen RevolutionärInnen ist es, die Heuchelei der eigenen Herrschenden zu entlarven, die sich als BewahrerInnen von Freiheit und Demokratie darstellen wollen.
(Funke Nr. 202/22.3.2022)