Die Beschäftigten des Krankenhauses in der Stadt Kilkis haben beschlossen das Gebäude zu besetzen und es unter ihrer Kontrolle weiterzuführen. Wir veröffentlichen hier einen Brief von Leta Zotaki, der Präsidentin der Gewerkschaft E.N.I.K. im Krankenhaus, und die Resolution einer Vollversammlung der Beschäftigten.

Grüße an euch alle!

Vielen Dank für euer Interesse und eure Unterstützung. Die Besetzung unseres Spitals in Kilkis durch die Beschäftigten begann am Montag, dem 20. Februar um 8.30 Uhr.

Bei dieser Besetzung geht es nicht nur um uns, die Beschäftigten des Krankenhauses von Kilkis. Es geht auch nicht rein um das öffentliche Gesundheitssystem in Griechenland, das vor dem Zusammenbruch steht. Wir befinden uns in diesem Kampf, weil mittlerweile die Menschenrechte und unsere Leben in Gefahr sind. Und diese Bedrohung richtet sich nicht nur gegen ein paar Länder oder einzelne soziale Gruppen, sondern gegen die unteren und mittleren Klassen in Europa, Amerika, Asien, Afrika und der ganzen Welt.

Was heute in Griechenland passiert, ist der Spiegel für die Zukunft Portugals, Spaniens, Italiens und allen anderen Ländern auf der Welt.

Die Beschäftigten des Krankenhauses in Kilkis und in den meisten anderen Krankenhäusern und Gesundheitszentren in Griechenland erhalten ihren Lohn nicht rechtzeitig, viele sehen ihre Löhne und Gehälter praktisch auf Null hinuntergedrückt. Einer meiner Kollegen wurde in die kardiologische Abteilung versetzt, wo er nun statt der bisher üblichen 800 Euro (ja, das ist sein Monatsgehalt) die Nachricht erhielt, dass er in diesem Monat keinen Gehalt bekommen würde, außerdem sei er noch verpflichtet 170 Euro an den Staat zurückzuzahlen! Andere KollegInnen bekamen nur 9 (neun) oder 4 (vier) Euro für diesen Monat ausbezahlt! Jene unter uns, die noch halbwegs einen Gehalt ausbezahlt bekommen, werden versuchen diese KollegInnen so gut es geht zu unterstützen.

Das ist ein Krieg gegen die Bevölkerung, gegen die ganze Gemeinschaft. Jene, die sagen, dass die griechische Bevölkerung für Staatsverschuldung Griechenlands verantwortlich sei, lügen. Das sind nicht unsere Schulden. Diese Verschuldung wurde von den Regierungen, die mit den Banken zusammenarbeiten um die Bevölkerung zu versklaven, verursacht.

Die Kredite an Griechenland werden nicht zur Auszahlung von Gehältern, Pensionen und öffentliche Dienstleistungen aufgewendet. Es passiert das genaue Gegenteil: Bei den Gehältern, Pensionen und den öffentlichen Dienstleistungen wird gekürzt, damit das Geld an die Banken gezahlt werden kann. Im Gegenteil zu dem, was immer behauptet wird, wollen die gar keine schuldenfreie Gesellschaft.

Sie verursachen die Schulden selbst (mit Hilfe der korrupten Regierungen und PolitikerInnen) und profitieren dann davon. Sie setzten in Griechenland einen Banker als Premierminister ein, um sicherzustellen, dass der “Job“ in ihrem Sinne ordentlich gemacht wird. Unser Premierminister Lucas Papademos wurde bisher nicht gewählt. Er wurde von der EZB und den Banken und mit Unterstützung der korrupten PolitikerInnen in Europa und Griechenland eingesetzt. Das ist es, was sie unter dem Begriff „Demokratie“ verstehen!

Die Schulden werden von den Bankern geschaffen, die Geld aus dünner Luft machen und die Zinsen einkassieren, nur weil unsere Regierung ihnen das Recht dazu gibt. Und sie erzählen uns tagein tagaus, dass du und ich und unsere Kinder und Enkelkinder für diese Schulden mit unserem persönlichen und nationalen Vermögen, mit unseren Leben bezahlen müssen. Wir schulden den Banken gar nichts. Im Gegenteil, sie schulden den Menschen einen großen Teil ihrer Profite, die sie nur dank der politischen Korruption erzielen konnten.

Wenn wir unsere Augen gegenüber dieser Realität nicht öffnen, werden wir bald alle versklavt sein und für 200 Euro oder weniger im Monat arbeiten müssen. Wenn wir überhaupt einen Job finden!

Keine medizinische Versorgung, keine Pension, obdachlos und hungrig, so geht es bereits vielen meiner MitbürgerInnen in Griechenland. Tausende leben auf der Straße und hungern.

Wir haben kein Interesse, die Realität in dunklen Farben darzustellen, aber das ist die Wahrheit. Dass wir in dieser Lage sind, ist nicht auf den einen oder anderen Fehler in der Fiskal- oder Geldpolitik zurückzuführen. Wir stehen am Beginn der hässlichen Phase eines langen Prozesses, der einem wohldurchdachten Plan folgt, ein Prozess, der vor Jahrzehnten startete! Wir müssen gemeinsam gegen diesen neoliberalen Plan ankämpfen. Und genau das machen wir jetzt in Kilkis und in so vielen anderen Städten.

Zum jetzigen Zeitpunkt geht es nicht darum um Spenden zu bitten. Es kann sein, dass dies in ein paar Monaten oder gar Wochen notwendig wird, wenn die Lage noch schlechter wird. Was wir derzeit am meisten benötigen, ist moralische Unterstützung und Öffentlichkeit. Lokale Kämpfe auf der ganzen Welt müssen ausgeweitet werden und massive Unterstützung erhalten, wenn wir diesen Krieg gegen dieses korrupte System gewinnen wollen. Wenn es für euch irgendwelche Möglichkeiten gibt, die Nachricht über unseren Kampf zu verbreiten, dann wäre das eine große Hilfe für uns!

Wir können uns nicht genug für eure Gedanken und Worte bedanken. Eure Solidarität ist von großer Bedeutung für uns.

Ihr könnt mit uns über die folgende Email-Adresse Kontakt aufnehmen: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!

Eure,
Leta Zotaki,
Direktorin der radiologischen Abteilung des Krankenhauses von Kilkis,
Mitglied der Allgemeinen Versammlung der Beschäftigten,
Präsidentin der E.N.I.K. (Gewerkschaft der ÄrztInnen im Nationalen Griechischen Gesundssystem von Kilkis)
26. Februar 2012




Resolution der Vollversammlung der Beschäftigten vom 5. Februar

"Die ArbeiterInnen des Γ.Ν. (Allgemeinen Krankenhauses) von Kilkis, ÄrztInnen, Pflegekräfte und der Rest der Belegschaft, die an der Vollversammlung teilgenommen haben, beschließen:

1. Wir stellen fest, dass die gegenwärtigen und anhaltenden Probleme des E.S.Y. (Nationales Gesundheitssystem) … Teil einer viel weiter reichenden, generell gegen die Bevölkerung gerichteten Regierungspolitik und einer dreisten globalen neoliberalen Politik sind.
(…)

5. Die Beschäftigten des Allgemeinen Krankenhauses von Kilkis antworten auf den zunehmenden Totalitarismus mit Demokratie. Wir besetzen das öffentliche Krankenhaus und stellen es unter unsere direkte und umfassende Kontrolle. Das Krankenhaus von Kilkis wird fortan selbst organisiert sein und die einzig legitime Macht, um Verwaltungsentscheidungen zu treffen, wird die Allgemeine Belegschaftsvertretung sein.

6. Falls die Regierung weiterhin ihre Verpflichtungen gegenüber den Spital ignorieren sollte, werden wir gezwungen sein, die Öffentlichkeit darüber zu informieren und die Lokalregierung zur Unterstützung auffordern. Aber wesentlich wichtiger wird es sein, dass uns die Bevölkerung auf jede erdenkliche Weise unterstützt: (a) damit unser Spital überleben kann; (b) das Recht auf eine öffentliche und freie Gesundheitsversorgung gesichert ist; (c) beim Sturz der derzeitigen Regierung und jeder neoliberalen Politik, egal von woher sie kommt, durch einen gemeinsamen Kampf der Bevölkerung; (d) eine tiefe und strukturelle Demokratisierung, welche es der Bevölkerung … erlaubt, Entscheidungen für ihre eigene Zukunft zu treffen.

7. Die Gewerkschaft der Beschäftigten des Krankenhauses von Kilkis beginnt mit dem 6. Februar, den Betrieb aufrechtzuhalten. Es werden aber nur Notfälle in unserem Spital behandelt, bis schließlich alle Arbeitsstunden bezahlt wurden und unsere Gehälter wieder auf dem Niveau sind, auf dem sie waren, bevor die Troika (EU – EZB – IWF) eintraf. In der Zwischenzeit – wohl wissend, was unsere gesellschaftliche Mission und unsere moralische Pflicht ist – werden wir die Gesundheit der BürgerInnen schützen, die in unser Spital kommen und freie medizinische Behandlung allen gewähren, die es benötigen.

8. (…) Die Generalversammlung wird täglich stattfinden und wird das zentrale Forum sein, um Entscheidungen zu treffen hinsichtlich des Personals und des Krankenhausbetriebs.

Wir rufen die ArbeiterInnen aus allen Bereichen, die Gewerkschaften und fortschrittlichen Organisationen auf sich mit uns solidarisch zu zeigen. Außerdem fordern wir die Medien auf die Wahrheit über unser Anliegen zu berichten. Wir sind entschlossen weiterzumachen, bis die Verräter, die unser Land und unsere Bevölkerung verkaufen, gehen! Entweder Sie oder Wir!

Wir rufen die Beschäftigten in anderen Bereichen des öffentlichen und privaten Sektors und die Mitglieder der fortschrittlichen Organisationen und ArbeiterInnenorganisationen auf unserem Beispiel zu folgen, damit unsere Mobilisierung zu einem umfassenden Widerstand der ArbeiterInnen und der Bevölkerung wird und zu einem Aufstand gegen die wirtschaftliche und politische Elite, die heutzutage unser Land und die ganze Welt unterdrückt."


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