Technologie-Branche. Die 44 Milliarden Dollar Übernahme von Twitter durch den reichsten Mann der Welt, dem Apartheid-Profiteur Elon Musk, zeigt auf, wie Soziale Medien der Willkür einiger weniger narzisstischer Kapitalisten und Monopole unterworfen sind. Die Krise des Kapitalismus hat eine enorme Spekulationsblase im digitalen Technologiebereich geschaffen, aber auch die Internetriesen haben eine große Belegschaft, die es zu organisieren gilt.

Einst bildete das Internet die Grundlage einer utopischen Vision einer demokratischeren Gesellschaft, in der jeder Mensch auf egalitäre Weise Zugang zu allen Informationen hätte und globale Kommunikation und Meinungsäußerung die Grenzen von Ländern und Kultur verwischen ließe. Die Profitlogik des Kapitalismus konnte das natürlich nicht zulassen: In den letzten Jahrzehnten ist der Großteil des Internetverkehrs auf einige wenige Plattformen reduziert worden, die einer Hand voll privater Firmen gehört, welche nun entscheiden können, welche Informationen von Milliarden Menschen gesehen werden darf, während sie nebenbei das Verhalten ihrer NutzerInnen beobachten und diese Daten weiterverkaufen.

Der Tech-Bereich ist im letzten Jahrzehnt enorm gewachsen und wurde 2022 mit 9,3 Billionen US-Dollar bewertet. In Wahrheit verbirgt sich hinter dieser vermeintlichen Innovation aber nur eine allumfassende Monopolisierung des Internetverkehrs und eine gigantische Spekulationsblase, die Ausdruck der massiven Überproduktionskrise ist, die Marx bereits vor 150 Jahren vorausgesagt hat.

Da es kaum mehr profitable Investitionsmöglichkeiten in der tatsächlichen Produktion gibt, sind InvestorInnen bereit, sich auf Spekulation mit diesen riskanten, kurzlebigen Unternehmen einzulassen. Dies sieht man bei Kryptowährungen, NFTs und den etlichen „Unicorn“-Startups, also Unternehmen, die ein Rating von mehr als einer Milliarde Dollar erhielten, die aber in Wahrheit meist nur durch ständige Investments aufgrund günstiger Kredite am Leben erhalten werden können, weshalb sie auch als „Zombies“ bezeichnet werden. Die enormen Investitionen führen zu einer hohen Bewertung, was wieder Investments anzieht – der Teufelskreis der Zombieunternehmen. Viele dieser Startups sind jedoch niemals profitabel geworden und könnten dies auch nur durch ein enormes Zurückfahren der Ausgaben – was oftmals massive Kündigungswellen bedeuten würde. Die zweite Möglichkeit ist, dass die Spekulationsblase irgendwann unweigerlich platzt und das Startup von einem anderen Tech-Monopol aufgekauft wird oder zu Grunde geht, in beiden Fällen schadet das in erster Linie der Belegschaft.

Selbst Musk, berüchtigt für die Arbeitsbedingung in seinen Tesla-Autofabriken und der Kinderarbeit in den Lithiumminen seiner „umweltfreundlichen“ Autos, musste für seine aus purem Narzissmus geplante Twitter-Übernahme Kredite von 13 Milliarden US-Dollar aufnehmen und sieht sich jetzt dazu gezwungen, verzweifelt Profit zu schlagen, unter anderem mit Experimenten wie seiner abo-basierten „blaues Häkchen“-Verifizierung, die zuletzt zu desaströsen Konsequenzen auf dem Börsenmarkt geführt hat. Denn jeder, der zahlte, konnte einen verifizierten Twitteraccount erstellen, was zu etlichen Fake-Accounts großer Konzerne führte: ein verifizierter Fake-Account, der sich als der Waffenproduzent Lockheed Martin ausgab, twitterte etwa, dass sie Waffenverkäufe an Saudi-Arabien, Israel und die USA einstellen würden, bis weitere Untersuchungen zu Menschenrechtsverletzungen durchgeführt wurden. Ein Imitator des Pharmakonzerns „Eli Lilly“ kündigte auf Twitter an, dass Insulin nun kostenfrei erhältlich sei. Beide Unternehmen mussten dann jeweils verlegen öffentlich Stellung beziehen, dass weiterhin Waffen in zweifelhafte Konfliktgebiete geliefert werden und Insulin weiterhin mehrere hundert Dollar koste.

Das wahre Opfer von Musks Handlungen ist aber die Belegschaft von Twitter, denn der Multimilliardär warf die Hälfte der 7500 MitarbeiterInnen in einer Kündigungswelle unter den Zug. Diese massiven Entlassungen ereignen sich nicht nur bei Twitter: auch bei Meta, dem Konzern hinter Facebook, Instagram und WhatsApp wurden 11 000 Menschen, 13% der gesamten Belegschaft, entlassen. Amazon kündigte an, 10 000 Mitarbeiter entlassen zu wollen, Eventbrite entließ 45%, Airbnb 25%, Intel und Snapchat jeweils 20% und Uber 14% der Belegschaft! Bisher sind mindestens 120 000 Kündigungen im Tech-Sektor in über 780 Unternehmen zu verzeichnen.

Um sich gegen diese Angriffe zur Wehr setzen zu können, ist es essentiell, dass sich die ArbeiterInnen in diesem Sektor unternehmensübergreifend organisieren und beweisen, wer die wahre Kontrolle über Social-Media-Plattformen hat und diese am Laufen hält!

Freie Meinungsäußerung bedeutet im Kapitalismus immer nur, dass die großen Konzerne wie Google, Meta, Amazon oder Twitter entscheiden. Das bedeutet in der Praxis dann, dass etwa Soziale Medien auf toxischen Algorithmen aufbauen, die unser Online-Verhalten analysieren, uns mit Werbung zumüllen, gezielt Suchtverhalten auslösen und politische Inhalte selektieren und zensieren. Anstatt der Willkür einiger mächtigen Individuen unterworfen zu sein, müssen Soziale Medien wie auch sonstige Medien, ob Print oder digital, in öffentliches Eigentum überführt und unter demokratische Kontrolle der ArbeiterInnen und der Gesellschaft gestellt werden, um im Interesse dieser agieren zu können. So wären all diese Anwendungen nicht mehr den Profitinteressen unterworfen und könnten wirklich Menschen auf der ganzen Welt eine Plattform für Kommunikation, Interaktion und Information bieten.

Nur die Arbeiterklasse kann ein solches Potential ausfüllen und ein neues Zeitalter der kulturellen, intellektuellen und politischen Entfaltung herbeiführen.

Von Valentin Iser

(Funke Nr. 209/6.12.2022)


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