In Graz gab es einmal eine VSStÖ Sektion, die kritisch war. In Graz gab es einmal eine VSStÖ Sektion, die sich klar zum Sozialismus bekannte und nicht mit Kritik an jener SPÖ sparte, die gerade in der Steiermark in den letzten Jahren (Stichwort „Reformpartnerschaft“) bewiesen hatte, wie weit sich reformistische Parteien in der Krise von ihren Grundwerten entfernen. In Graz gab es einmal eine VSStÖ Sektion, die unabhängig von der SPÖ Steiermark und der SJ Steiermark war. Seit dem 24. Juni 2015 gibt es diese VSStÖ Sektion nicht mehr. Paul Ziermann berichtet.
An besagtem 24. Juni wurde der Wahlvorschlag für den neuen VSStÖ Graz, der aus Menschen bestand, die in den letzten Jahren im VSStÖ aktiv waren, in einem wahnwitzigem Manöver, hinter dem maßgeblich die Führung der SJ Steiermark steckte, abgewählt und durch einen neuen Vorstand ersetzt, der sich zum Großteil aus Mitgliedern eben jener Sozialistischen Jugend zusammensetzte, ersetzt. Aber alles der Reihe nach:
Bereits im Vorfeld der Generalversammlung zeigte sich, dass SPÖ und SJ Steiermark nicht mehr weiter mit dem kritischen Verhältnis des VSStÖ Graz zur SPÖ einverstanden waren. Nach dem mageren Wahlergebnis von Franz Voves und der steirischen SPÖ bei den Landtagswahlen 2015 und der anschließenden Abschottungspolitik der SPÖ Steiermark, die nicht bereit war sich mit den Fehlern der Vergangenheit auseinanderzusetzen und weiter an ihrer asozialen Kürzungspolitik festhielt, sahen wir als kritische Jugendorganisation und vor allem als SozialistInnen es als unsere Aufgabe an, auf genau jene Fehler hinzuweisen und der SPÖ Steiermark entschieden in ihrem falschen Kurs entgegen zu treten. Die Politik der SPÖ Steiermark wurde von unserer Seite sowohl intern als auch nach außen aufs Schärfste kritisiert.
Doch eine solche Kritik ist in höchstem Maße unerwünscht, wenn die Sozialdemokratie an der Regierung als Krisenverwalterin auftritt. Das mussten GenossInnen wie Michael Peiner, der jahrelang gegen seinen Ausschluss aus der SJ kämpfen musste (und am Ende gewann) ebenso spüren, wie der innerparteiliche Kritiker Andreas Babler, der für die Gründung der kritischen „Kompass“-Initiative umgehend angegriffen wurde. Wie viel die innerparteiliche Demokratie noch zählt, kann am Zustandekommen der rot-blauen Koalition im Burgenland, die einem aufrechten Bundesparteitagsbeschluss widerspricht, abgelesen werden. Aus diesem Grund konnte natürlich auch für den VSStÖ Graz keine Ausnahme gemacht werden. Statt sich mit der Kritik auseinanderzusetzen, begannen FunktionärInnen der steirischen SPÖ, die KritikerInnen zu attackieren. Unterstützung erhielten sie dabei von Mitgliedern sozialdemokratischer Jugendorganisationen, die vom Parteiapparat mit einem Job versorgt wurden. Anstatt die inhaltliche Diskussion zu suchen, wurden einzelne AktivistInnen als undankbar (wofür?) und unreif (weil Kritik geäußert) diffamiert.
Im Zuge dieser Angriffe wurden im Geheimen Treffen arrangiert, in denen die Parole ausgegeben wurde, dass es für den VSStÖ nur zwei Möglichkeiten gäbe: Entweder der Vorstand wird durch einen der Partei und SJ genehmen ersetzt, oder die Förderungen der Partei werden gestrichen und ein Konkurrenzprojekt an der Uni aufgebaut. Hier zeigt sich eine große Schwäche der sozialdemokratischen Jugendorganisationen: Ihre finanzielle Abhängigkeit vom Parteiapparat macht sie leicht erpressbar und schränkt den politischen Handlungsspielraum enorm ein.
Mit Hilfe dieser erpresserischen Argumentation konnten viele inaktive Mitglieder (die teilweise bei der SJ aktiv sind und/oder schon jahrelang keinen Mitgliedsbeitrag bezahlten) gewonnen werden, um die alte Führung des VSStÖ zu stürzen. Kurz vor Fristende traf ein Wahlvorschlag ein, für den zahlreiche Karteileichen reanimiert wurden um eine letzte Schlacht gegen die Linken im VSStÖ zu führen. Ein Gegenwahlvorschlag an sich ist natürlich kein Problem. In einer demokratischen Organisation muss es immer Platz geben, die Führungsfrage zu stellen. Doch Voraussetzung dafür kann nur eine demokratische Debatte über die politische Ausrichtung der Organisation und individueller Fähigkeiten sein, nicht aber Erpressungen und Diffamierungen, die am Organisationsleben vorbei im Geheimen stattfinden.
In den darauffolgenden Tagen vor und auch nach der Generalversammlung wurde starker Druck auf einzelne AktivistInnen des VSStÖ Graz ausgeübt, ihre Kandidaturen und später auch ihre Funktionen an der österreichischen Hochschüler_innenschaft in Graz (ÖH Uni Graz) zurückzulegen, teilweise auch von Mitgliedern der VSStÖ Bundesorganisation, die den Putsch der SJ Steiermark als alternativlos betrachteten und einen „Kompromiss“ erzielen wollte. Dieser „Kompromiss“ sah vor, die Linken im VSStÖ zu entmachten, aber auch den Einfluss der SJ zu beschränken. Der Versuch, Interessen auszugleichen, die de facto nicht mehr auszugleichen waren, musste fehlschlagen. In dieser Situation wäre stattdessen ein klares Statement der Führung des Bundes-VSStÖ gegen diese Umtriebe wichtig gewesen.
Die Generalversammlung bot schließlich ein katastrophales Bild. Rund 20 Mitglieder der SJ Steiermark, die, bis auf wenige Ausnahmen, bis dahin nichts mit dem VSStÖ zu tun hatten, nahmen in den hinteren Reihen und an der Bar Platz, um sich bei Snacks am drohenden „Putsch“ zu ergötzen. Ein Großteil von ihnen wurde – in statutarisch höchst bedenklicher Art und Weise – eine Stunde vor Sitzungsbeginn per Umlaufbeschluss in den VSStÖ aufgenommen. Anschließend stimmten diese neuen Mitglieder dafür, dass ihnen selbst und 28 anderen Mitgliedern das Stimmrecht entzogen werden sollte.
Dieser Beschluss war klar statutenwidrig und wurde sogar mit nackter Gewalt umgesetzt: Augenzeugen berichteten davon, dass zwei neu aufgenommenen Mitgliedern, die gegen den Stimmrechtsentzug stimmten, der Arm heruntergerissen wurde. Hier zeigte sich einmal mehr der desaströse Zustand der SJ Steiermark, die mittlerweile auf einen sehr kleinen Kreis zusammengeschrumpft ist, in dem keinerlei Demokratie oder abweichende Meinungsäußerung toleriert wird. Dennoch wurde dieses Vorgehen sowohl von dem einzigen anwesenden Mitglied der Kontrollkommission, als auch von der damaligen VSStÖ-Bundesvorsitzenden in Wortmeldungen unterstützt. Diese neu gewonnene Mehrheit wurde anschließend umgehend dazu genutzt, den alternativen Wahlvorschlag durchzupeitschen und symbolisch mit der politischen Arbeit der vergangenen Jahre zu brechen, indem die Website linksblog.at, die in der letzten Zeit mit SPÖ-kritischen Artikeln glänzte, vom Netz genommen wurde. Dieser Schritt wurde erst nach einer massiven Kritik rückgängig gemacht.
Ausblick
Bei der Generalversammlung am 24.Juni 2015 wurde der VSStÖ Graz durch unverantwortliche Machtpolitik, die nur dem politischen Gegner hilft, gespalten. Die AktivistInnen an der KFU und der TU Graz wurden übergangen die Zusammensetzung des neuen Vorstandes lässt für die politische Ausrichtung ebenso wenig gutes erwarten, wie die Ankündigung eines „New Ways“ (der wohl nicht zufällig an Tony Blairs „New Labour“ - dem Archetyp der rechten Sozialdemokratie - erinnert) . Doch die AktivistInnen des VSStÖ Graz werden dies nicht auf sich sitzen lassen. Wir werden uns weder durch persönliche Diffamierungen noch durch politischen Druck davon abbringen lassen, weiterhin unsere politischen Überzeugungen und Ideen zu vertreten.