Nachdem die Regierung kurz nach ihrer Angelobung Ende letzten Jahres ihr Bildungsprogramm vorlegte, wird nun nachgeschärft. Der Kurs im neuen ‚Pädagogik-Paket’ bleibt derselbe: Fordern statt Fördern. Von Nora Kühler.

 

Bereits letzten Winter stand fest, dass die schwarz-blaue Regierung auch im Bildungssystem ihre Politik der rücksichtslosen Profitmaximierung für die Unternehmer durchzusetzen gedenkt.

Zur Erinnerung: neben verpflichtenden Deutschkursen sowie zwei Kindergartenjahre für alle, gibt es jetzt regelmäßige standardisierte Leistungskontrollen ab der Volksschule und die Möglichkeit, für höhere Schulen Zugangsbegrenzungen einzuführen. Auch scheuten sich Kurz und Co. nicht, gleich eine flächendeckende „Bildungspflicht“ auszurufen, deren Erfüllung wenn nötig auch mit finanziellen Sanktionen (bis zu 440€) gegenüber den Eltern erzwungen wird.

Fundierte Reformen für ein modernes Schulsystem? Fehlanzeige!

Ein Jahr später steht nun die „leistungsorientierte Weiterentwicklung“ der Volks- und Mittelschulen auf dem Programm, wie Bundesbildungsminister Heinz Faßmann erklärt. Beginnend mit dem Schuljahr 2019/2020 bedeutet das verpflichtende Ziffernnoten ab der zweiten Volksschulklasse. Dadurch wird es möglich, ab der dritten Schulstufe sitzen zu bleiben. Erneut werden auch die Eltern in die Pflicht genommen, die zu Bewertungsgesprächen über den Leistungsstand ihrer Kinder in der Schule antreten sollen. Die SchülerInnen können dann auch zu zusätzlichem Förderunterricht verpflichtet werden.

Diese starre, penible Einteilung der SchülerInnen in „leistungsstark“ und „leistungsschwach“ soll dann auf der Mittelschule noch weiter verschärft werden. Hier sollen ab der sechsten Schulstufe zwei Leistungsniveaus (‚Standard’ und ‚Standard AHS’) in Deutsch, Mathe und der ersten Fremdsprache eingeführt und die bestehende Notenskala durch eine fünfteilige ersetzt werden. Die Wiedereinführung des freiwilligen 10. Schuljahrs an Polytechnischen Schulen für jene, die an mittleren oder höheren Schulen nicht erfolgreich abschließen konnten, rundet das ‚Pädagogik-Paket’ ab. Die SchülerInnen sollen auf diesem Weg eine Berufsgrundbildung erhalten, die sie doch noch für den Arbeitsmarkt verfügbar macht.

(Klientel-)Politik statt Pädagogik

Wer sich fragt, auf welchen neuen Einsichten diese Umkehr aller pädagogischen Erkenntnisse der letzten 60 Jahre basiert, der sei darauf verwiesen, dass Faßmann gerade heraus zugibt: „Nicht hinter jeder politischen Entscheidung gibt es auch eine wissenschaftliche Fundierung“ (Interview, Standard 11.10.18). Damit fällt dann auch die schwarz-blaue Mär in sich zusammen, dass die Reformen die „bestmögliche Förderung der Schülerinnen/Schüler entsprechend ihrer individuellen Voraussetzungen“ oder eine soziale gerechte „Verbesserung der Durchlässigkeit im österreichischen Bildungssystem“ (Ministerialentwurf zum Bundesgesetz) zum Ziel hätten. Gerade das Gegenteil ist der Fall, wenn individualisierte Bewertung durch Notenzwang, gemeinsame Beschulung durch Trennung in Leistungsklassen ersetzt wird.

Leistung – was heißt das eigentlich?

Was Schwarz-Blau hier fordert, hat nichts mit der Förderung von Wissbegierde oder der Ermöglichung eines erfolgreichen, selbstverantwortlichen (Berufs-)Lebens für alle Kinder zu tun. ‚Leistung’ wird vielmehr als Legitimation für die ungerechte Verteilung von Chancen, sozialen Positionen und Privilegien (wie Berufsperspektiven, Einkommen oder soziale Anerkennung) missbraucht. „Wer etwas leistet, hat verdient, dafür etwas zu bekommen - wer „schlauer“ ist, verdient den besseren Job“, so die Logik. Wenn wir im Bildungssystem scheitern, scheint das allein an unserer individuellen Unfähigkeit zu liegen.

Tatsächlich zeigt sich in Studien allerdings immer wieder, dass arme oder migrantische Kinder grundsätzlich schlechter bewertet werden, als bessergestellte und einheimische. Es existiert keine Chancengleichheit, und deshalb sind die Ziffernnoten auch kein Indikator für die tatsächliche „Leistung“ der Kinder.

Seit Jahrhunderten beweist sich der gleiche Mechanismus: gesellschaftliche (Bildungs-)Chancen werden in der Schule vererbt. Die „Chancen“ im Kapitalismus sind notwendigerweise begrenzt. Die herrschende Klasse muss daher ihre sozialen Privilegien und die ihrer Kinder gegen all jene verteidigen, die einen Anspruch darauf erheben könnten, wie zum Beispiel Kinder aus Arbeiterfamilien oder MigrantInnen.

VolksschülerInnen als zukünftige Fachkräfte

Wenn Schwarz-Blau also verspricht, SchülerInnen mit dieser leistungsdifferenzierten Politik für die „weiterführende Bildung sowie die moderne Berufswelt fit“ zu machen, stimmt das zynischer Weise. Die Kinder sollen schon in einer ebenso unmenschlichen Weise für nützlich bzw. überflüssig befunden werden, wie es mit Erwachsenen in der Arbeitswelt geschieht – hier wie dort zählt allein, die menschliche Arbeitskraft für den Markt vorzubereiten und dort zu platzieren, wo die Wirtschaft und die Politik es wollen und brauchen. Einmal einsortiert, ist der Weg großteils vorgezeichnet – außer es gilt, kurzfristig den Bedarf am Arbeitsmarkt zu füllen (Stichwort Fachkräfte).

Kurz, Strache und Konsorten interessieren sich nicht für das persönliche Wohl und die persönliche Entwicklung jedes und jeder Einzelnen. Für unseren Lebensweg soll es nur noch genau die Optionen geben, die uns die Wünsche der Unternehmer offenlassen. Nicht zu viel Bildung, nicht zu wenig, und genau auf die regionale Wirtschaft zugeschnittene Arbeitskräfte lautet das Bildungscredo der Bürgerlichen.

Während sozial weniger begünstigte SchülerInnen in abgesonderten Förder(deutsch)klassen „betreut“ werden, können die „leistungsstarken“, geschützt vor dem Einfluss der schulisch, sprachlich und sozial „schwachen“ ihre bzw. die Ziele der Eltern verfolgen.

Gegen Rassismus und Spaltung

Geschickt wird jedoch die Vorstellung des Pädagogik-Pakets nun von einer massiven Diskussion über Kopftuchverbote in Kindergärten und Volksschulen überschattet, wobei ersteres bereits im November durchgesetzt wurde.

Statt die bestehenden Ungleichheiten im Bildungssystem und deren Konsequenzen anzusprechen oder gar zu überwinden, werden Sprachförderung und Schulsozialarbeit gekürzt, rassistische Ressentiments befeuert und so die Spaltung mit allen Mitteln vorangetrieben. Aber nicht mit uns! Migrantische und einheimische SchülerInnen, LehrerInnen, Eltern: enttarnt den schwarz-blauen Rassismus und die spalterische Ideologie, in Diskussionen auf dem Schulhof und am Arbeitsplatz! Organisiert euch solidarisch und stellt euch mit uns gegen diese ausbeuterische, rassistische Regierung!

(Erschienen im Funke Nr.169/Dezember 2018)


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