Corona hat eine Debatte über eine Reform der Matura ausgelöst. Ein Kommentar von Valentin Iser.
Die schriftlichen Maturaprüfungen wurden auf Ende Mai verlegt, die mündliche Matura ist wie schon im Vorjahr freiwillig, und auch dieses Jahr soll die Jahresnote in die Maturanote einbezogen werden. Diese Maßnahmen sind das Mindeste, was die Politik machen konnte, um den SchülerInnen, die nach diesem Horrorjahr Matura machen müssen, ein wenig Druck zu nehmen.
Wir SchülerInnen waren monatelang gefangen in einem Chaos aus Leistungsdruck und unnachvollziehbaren Verordnungen. Effektiv lernen war unter einem türkisen Bildungsminister zuvor schon schwierig, und die Zentralmatura bewies jedes Jahr die Rückständigkeit unseres Bildungssystems. Mit ständig wechselnden Regelungen, Schichtbetrieb, einer für alternative Lehrmethoden wie Distance-Learning völlig unvorbereiteten Lehrerschaft und Regelungen, die nur für die AHS konzipiert wurden, wo aber jede andere Schulform hineingepresst wurde – all das verkompliziert das Leben der SchülerInnen ins Unermessliche. Die beängstigenden Zahlen in Bezug auf psychische Probleme (Depression, Belastungsstörungen) in dieser Altersgruppe zeigen, dass das Fass zum Überlaufen voll ist.
Bildungsminister Faßmann, der seit Beginn der Pandemie vollkommen überfordert war und keinen sicheren und qualitativ hochwertigen Unterricht garantieren konnte, hat nun zumindest den Entwurf einer Änderung des Schulorganisationsgesetzes in Begutachtung geschickt, ob die Einbeziehung der Jahresnote in die Matura dauerhaft bleiben solle.
Wir sprechen uns schon seit langem, unabhängig von der Corona-Pandemie, für eine Reform des Schulsystems und ein Ende des Notendrucks aus. Eigentlich gehört die herkömmliche Matura abgeschafft. Man kann das Wissen und die Fähigkeiten von SchülerInnen nicht anhand der Leistung bei einer einzigen Prüfung messen. Wie limitiert muss jemand denken, um weiterhin an so einem System festzuhalten?
Doch die Wirtschaftskammer stemmt sich stur gegen eine jegliche Abweichung von der bisherigen Matura. Aus Sicht der Wirtschaft soll die Schule für Selektion sorgen, die Matura ist der krönende Abschluss dieses Ausleseverfahrens, welche „die Schulen zu verlässlichen Partnern für die Wirtschaft“ machen soll. Das zeigt genau auf, welchen Zweck das Schulsystem in diesem kapitalistischen System verfolgen soll: Junge Menschen so früh wie möglich auf die harsche Lebensrealität im Kapitalismus vorbereiten. Da passen erstickender Leistungsdruck und eine Prüfung, die eine achtjährige Bildung in einen Test zwängt, genau in dieses Bild.
(Funke Nr. 194/26.5.2021)