Banken. Banker sind das große Feindbild der Bevölkerung. Sie gelten als verantwortungslos, gierig und reich. Allerdings gibt es auch in diesem Sektor zwei Klassen, argumentiert ein gewerkschaftlich organisierter Bankangestellter einer österreichischen Großbank.
Vor noch wenigen Jahren galt es als erstrebenswert in dieser Branche zu arbeiten. Argumente, die für diese Berufswahl sprachen, waren günstige Arbeitszeiten, Krisensicherheit und die Aussicht mit Engagement einen guten Kundenstock aufzubauen und bei gutem Gehalt diesen über die Jahre zu betreuen. So entschied ich mich auf einer Berufsmesse eine Banklehre zu machen, anstatt Maurer zu werden.
Arbeitsbedingungen
In den letzten Jahren wurden diese Verhältnisse gekippt. Arbeitszeiten werden geblockt, etwa Dienstag bis Freitag 8:00 bis 18:30. Allerdings wird der freie Tag nicht respektiert, da man hier für Besprechungen, Schulungen, Revisionen etc. ins Unternehmen bestellt wird. Überstunden werden in der Brache nicht mehr ausbezahlt. Ist die Arbeitszeit erfüllt, wird erwartet, dass man ausstempelt und weiterarbeitet. Besonders neueintretende KollegInnen arbeiten zu solchen Bedingungen. Ein älterer Kollege verdient etwa das Zwei- bis Dreifache der Neo-Banker. Teilzeitmodelle, Golden-Handshake-Programme für ältere Kollegen sind in der Branche daher üblich. Versetzungen in Großraumbüros und organisierte Unterforderung dieser „Altlasten“ kommen vor.
Bankkaufleute beginnen heute mit einem Nettolohn zwischen 1.300 und 1.400 €. Die Mehrheit der Neueintretenden werden über Zeitarbeitsverträge und Leiharbeitsfirmen angestellt. Die Arbeit wird zusätzlich dadurch erschwert, dass die Bankinstitute völlig ausgehöhlt werden und zunehmend Tätigkeitsgruppen ausgelagert werden. Ist dies beim Marketing noch verständlich, betrifft es nun auch Gehaltsverrechnung, Personalbüros sowie den gesamten Back-Office Bereich (etwa Software). Urlaubsplanung und Krankenstand werden dadurch zu einem Spießroutenlauf, da man es nun mit unbekannten Firmen ohne persönlichen Bezug zu tun hat. In den Filialen geht der Trend dahin, sie zu größeren Service-Points zusammenzulegen. Erste Versuche, die Kundenbetreuung über Video-Beratung zu organisieren, laufen an. Damit wird auch dieser Bereich, der den Kunden als ursächlichste Bankdienstleitung gilt, völlig auslagerungsfähig. Der Spardruck ist so groß, dass Filialen aufgefordert wurden, bei Klopapier und Toiletten-Hygiene Sparpotenzial zu realisieren.
Möglich wird diese Bankenrevolution durch eine komplette Standardisierung des Verkaufs von Finanzprodukten. Hinter der menschlichen Fassade individuellen Interessens an den Kunden läuft am Bildschirm des Kundenbetreuers ein standardisiertes Computerprogramm. Man wird angehalten dem Kunden Produkte zu verkaufen, die im momentanen Interesse des Institutes sind (jene, die für die Bank die höchste Provision abwerfen), und darauf geschult einen zögerlichen Kunden zur Unterschrift zu bringen. Auffallend ist, dass besonders zu Quartalsende, also wenn es um die Bilanzlegung des Institutes geht, besonderer Druck auf Abschlüsse gewisser Produkte (meist Fonds) gemacht wird. Der Kundenbetreuer ist weiter angehalten möglichst mehrere Produkte zu verkaufen, denn sowohl das Volumen als auch die Stückzahl der verkauften Produkte wird kontrolliert. Wenn jemand einen Kredit abschließt, wird der Bankbetreuer in Folge das Interesse des Kunden an Finanzierungsträgern (Fonds, Versicherungen, Swaps) etc. zu wecken versuchen. Er tut dies, weil es seine Aufgabe ist so viele Produkte wie möglich loszuwerden.
Verkaufsliga
Neben der Schulung in Fragen des Umgangs mit Kunden wird der Verkaufsprozess durch viele Incentives und anonymer Kontrollen (Mystery Shoppers im Auftrag des Unternehmens) angefeuert. Einerseits wird ein permanenter Wettbewerb zwischen den KollegInnen und gleichzeitig zwischen Filialen und Regionen entfacht. Dann werden individuelle Meisterschaften ausgeschrieben: Wer etwa in der Ost-Liga des Verkaufs des Produktes XY zu welchem Abschluss-Volumen gekommen ist, wird unter der Belegschaft zirkuliert, Prämien werden ausgezahlt (allerdings spürbar weniger als vor der Krise). Gute Verkäufer stellen sich an die Spitze der Hackordnung und können einen Einfluss erreichen, der über die formale Hierarchieordnung in diesem untersten Segment der Bankenwelt hinausgeht. Ein Mini-Mundus der Wörthersee-Bank. Denn klarerweise stehen die Filialleiter auch im Wettbewerb untereinander. Es ist ein System organisierter Entsolidarisierung und Effizienz im Sinne der Profitmaximierung der Bankenzentrale.
Der Kunde ist hier reines Objekt, die Bankangestellten ein auswechselbares Werkzeug. Die Belegschaftsvertretung steht diesen Entwicklungen völlig hilflos gegenüber beziehungsweise stellt sich in den zentralen Fragen diesen Kannibalisierungsprozessen gar nicht entgegen. Man hat das Gefühl, die neue Zeit ist an der großen Mehrheit der Belegschaftsvertretung spurlos vorübergegangen. Die Mehrheit der Betriebsräte sieht sich noch in einer Zeit, als man hier „noch wer war“, eine Respektsperson gegenüber der Zentrale und den KollegInnen. Nur eine schwindende Minderheit an „Alt-Verträglern“ findet sich in diesem Selbstverständnis wieder.
Risikogeschäfte
Die materielle Grundlage ist, dass der österreichische Markt als übersättigt gilt: Zu viele Banken für zu wenige Kunden, deren Einkommen noch dazu stagnieren und deren Konsumlaune gedämpft ist. Da kommt es dann schon mal vor, dass man Kredite vergibt (vergeben muss), wo man eine tiefe Ahnung hat, dass das für den Kreditnehmer tragisch enden wird: etwa 40.000 € für einen Vorstadt-Jugendlichen mit Kleinsteinkommen für ein deutsches Luxusauto. Das Risiko der Bank ist hier leicht kalkulierbar, denn dieser Mensch wird bei Zahlungsschwierigkeiten ein Leben lang gepfändet werden, und der Zinssatz ist hoch.
Das Wiedererwachen des Interesses an der Profitabilität des österreichischen Retail-Kundengeschäftes, die Kalkulation jedes Handgriffs nach der „cost-income-ratio“ hängt mit den massiven Problemen im Ost-Banken-Geschäft zusammen. Bis zur Krise galten ja die Ost-Banker der Zentrale als die Real-Heroes. Die Bankenpenetration und das Kreditvolumen der Ost-Länder galt und gilt als „unterentwickelt“, und von hier flossen die fetten Profite nach Wien.
Nachdem die Banken gezwungen sind hier massive Verluste geltend zu machen, rückt der Focus der Zentralen wieder verstärkt auf den österreichischen Finanzmarkt. Die Abwicklung der Hypo und der Volksbanken muss man durchaus auch so verstehen, dass die anderen Institute hier eine Marktbereinigung in diesem stagnierenden Markt wünschen.
Ich habe im Kundengeschäft wie auch in der Belegschaftsvertretung viele persönliche Erfahrungen gemacht, und alles zusammen hat mir tatsächliche Sinnkrisen beschert. Ich habe zwei persönliche Konsequenzen gezogen: Weg aus dem Retail-Kundengeschäft ins Back-Office, ich will keine Charaktermaske mehr sein. Zweitens habe ich begonnen mich mit dem Bankwesen auseinanderzusetzen, viel gelesen und Gespräche geführt. Meine Erkenntnis: Es handelt sich hier nur um ein Symptom einer kränkelnden Gesellschaft, und was es braucht ist eine Revolution.