In den letzten Tagen ist es an den Aktienbörsen weltweit zu Kursstürzen gekommen. Die Talfahrt wurde in China ausgelöst. Die Regierung in Peking hatte angedeutet, dass Spekulationen an der Shanghaier Börse außer Kontrolle geraten würden und die Regierung sich gezwungen sehe, eine Sondersteuer auf Kapitalgewinne einzuführen. Das hatte einen Kursverfall von 10%, dem größten seit zehn Jahren zur Folge. Von Michael Roberts, www.marxist.com

Es war schon eine Ironie, als ausgerechnet die chinesische Regierung das Signal für den Kurssturz aussandte. Erst sechs Monate zuvor hatte sie die Börse für SpekulantInnen geöffnet, indem sie Restriktionen gelockert und den Verkauf von Aktien aus Staatsbetrieben angekündigt hatte.

Der Kurssturz auf den Aktienmärkten hat sich nicht nur auf China ausgewirkt. Er breitete sich schnell auf die Märkte in Japan, Europa und den USA aus. Dort fielen die Kurse um 3-4% am Tag, was eigentlich nicht besonders viel ist, aber durchaus beachtlich angesichts des kontinuierlichen Anstiegs seit dem letzten Sommer.

Dass ein Schluckauf in China eine Welle auf den Aktienmärkten weltweit zur Folge hat, beweist, wie sehr der Kapitalismus, besonders im Finanzsektor, global geworden ist: Wenn ein Schmetterling in Peking mit den Flügeln schlägt, fällt Schnee in New York.

Der Kursverfall wurde noch durch zwei weitere Ereignisse ausgelöst. Die gerade veröffentlichten Zahlen zur Wirtschaftslage in den USA deuten an, dass sich die US-Wirtschaft deutlich schneller abschwächen könnte, als die Märkte erwarteten. Es scheint, als ob das reale Bruttoinlandsprodukt der USA im letzten Quartal um weniger als 2% anstatt der erwarteten 3,5% gestiegen war.

Zusätzlich hielt der frühe Präsident der US-Notenbank Alan Greenspan vor InvestorInnen in Hongkong eine Rede per Videoschaltung (für die er nebenbei bemerkt 150.000 Dollar erhielt), in der er sagte, es bestünde 2007 die Möglichkeit einer wirtschaftlichen Rezession in den USA.

Das alles reichte aus, um den InvestorInnen einen Schrecken einzujagen und sie dazu zu bewegen, ihre Aktien zu verkaufen. Am Mittwoch schien sich zwar der US-Aktienmarkt wieder zu stabilisieren. Am Tag darauf hat sich aber der Kursabfall in China, Japan, Europa und den USA fortgesetzt.

Wie weit kann der Kursverfall gehen? Die Antwort hängt von der Analyse für die Ursachen dieses Rückschlages ab. Die KapitalistInnen behaupten, die Grundlagen des kapitalistischen Wachstums seien in Ordnung: Beschäftigung sei und Profite seien gut, die Zinsen niedrig und die Inflation unter Kontrolle. Aus diesem Grund seien die Kursstürze auf den Aktienmärkten nur eine gesunde "Korrektur", die schnell beendet sei, ehe der Markt sich wieder zu erholen beginne, genau wie er es im letzten Sommer nach einer "Korrektur" tat.

So denkt die Mehrheit, auch der gegenwärtige Präsident der US-Notenbank Ben Bernanke, der Greenspan in dieser Funktion folgte. In einer Rede vor dem Kongress bemühte sich Bernanke die SenatorInnen davon zu überzeugen, dass alles bestens wäre. Daraufhin stabilisierte sich der US-Markt kurzzeitig.

Es gibt jedoch auch andere ExpertInnen, die behaupten, die Finanzmärkte der USA seien wegen der "übermäßigen" Kredite in der Wirtschaft zu hoch bewertet. Riesige Geldbeträge werden investiert, um Gesellschaften durch so genanntes privates Beteiligungskapital (private equity) zu erwerben und um Kredite für den Erwerb von Eigentum und Aktien zu vergeben. Es wird kaum Geld für produktive Investitionen ausgegeben (die Investitionen in neue Fabriken oder Maschinen in den USA steigen kaum) - Es wird lediglich verschwendet.

Die Maßlosigkeit ist derart, dass jegliches Anzeichen, welches auf die Abschwächung bei den großen asiatischen Produzenten (besonders China) deutet und so die Inflation anheizen und das Wachstum weltweit abschwächen würde, zum Zusammenbruch der Aktienpreise führen und die Welt in eine Rezession treiben könnte.

Ich sehe das etwas anders. Der Schlüssel zum Verständnis des Gesundheitszustands des Kapitalismus ist die Profitabilität. Die absoluten Profite in den USA und der übrigen Welt sind seit der Rezession von 2001 in die Höhe geschossen. Große Teile dieser Profite sind jedoch nicht real - sie sind in Wirklichkeit Profite des Finanzkapitals, die von den produktiven Sektoren abgeschöpft wurden. Und obwohl die Profitabilität in den letzten fünf Jahren gestiegen ist und höhere Aktienkurse zur Folge hatte, liegt sie immer noch unter dem Niveau von 1997.

Am wichtigsten jedoch ist die Tatsache, dass nun alles auf ein Sinken der Profitabilität hindeutet. Die Produktivitätssteigerungen in den USA verlangsamen sich, während die Produktionskosten im Vergleich zum Wachstum der Erträge steigen. Durch den Preissturz auf dem Immobilienmarkt gehen die Handelsumsätze zurück zurück. Zusätzlich sind die Kreditzinsen gestiegen, da die US-Notenbank den Zinssatz erhöht hat.

Die Gewinne werden in den nächsten Jahren stetig unter Druck geraten und damit die Begeisterung für den Aktienmarkt schwächen. Die Profitabilität wird schließlich so weit sinken, dass eine Wirtschaftsrezession und ein anhaltender Kursverfall an den Aktienbörsen unvermeidlich sein wird.

Der gegenwärtige Kurssturz wird sehr wahrscheinlich nicht zu einem Zusammenbruch oder einer unmittelbaren Wirtschaftsrezession führen. Er ist aber ein Vorgeschmack auf die Probleme, die auf den Kapitalismus in den kommenden Jahren zukommen.


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