Seit Ausbruch der Corona-Pandemie haben sich die Jahresgewinne der österreichischen Banken fast halbiert. Die österreichische Nationalbank (OeNB) führt dies auf den der Pandemie geschuldeten „Wertminderungs- und Rückstellungsbedarf“ zurück. Eine Analyse von Andreas Fuchs.

Der aggregierte Jahresgewinn der österreichischen Banken ist 2020 im Vergleich zum Vorjahr um 3,0 Mrd. Euro auf 3,7 Mrd. Euro zurückgegangen. Im „operativen Betrieb“, dies ist bei Banken die Hereinnahme von Spareinlagen, die Ausgabe von Krediten und die Spekulation mit Wertpapieren, verzeichneten die österreichischen Banken im Jahr 2020 keine nennenswerte Ergebnisverschlechterung. Dies ist auf die vielfältige und massive Subventionierung der ausfallenden Produktion und der damit zusammenhängenden Einkommen aus den Staatskassen zurückzuführen. Auffällig ist, dass dieses gleichbleibende „operative Ergebnis“ mit geringeren „Verwaltungsaufwendungen“, d.h. mit geringeren Personalkosten, erzielt wurde. Mit anderen Worten: Auch für „kleine“ Programmierer und Schalterbedienstete im Sold der Banken sind das keine guten Zeiten.

Wie kommt es dann zu diesem Einbruch der Gewinne? Dieser ist hauptsächlich auf sogenannte „Wertminderungen“ zurückzuführen.

Was sind diese Wertminderungen? Ein Kredit stellt für eine Bank einen Vermögensgegenstand dar, der etwas wert ist, weil in der Zukunft die Kreditnehmer (Unternehmen; private Haushalte, die ein Auto kaufen oder ein Haus bauen wollen) Kreditraten an die Bank bezahlen werden. Eine Wertminderung tritt dann ein, wenn die Bank erwartet, dass der/die KreditnehmerIn die Kreditraten nicht in dem Ausmaß leisten wird, wie dies noch bei Vertragsabschluss vorgesehen war.

Die „Wertminderungen“ in den Bankbilanzen sind also nichts anderes als die Erwartung der Banken, dass Unternehmen in die Insolvenz schlittern und Private ihre Kredite nicht im vorgesehenen Umfang bezahlen werden können. Unter dem traditionellen Handelsrecht hatten die Bankmanager mehr Spielraum bei der Bildung von Wertberichtigungen. Die modernen internationalen Bilanzierungsregelungen, Produkt der Finanzkrisen nach 2008, verlangen den Bankmanagern ab, die objektiven wirtschaftlichen Erwartungen stärker in ihren Jahresbilanzen widerzuspiegeln. Dabei werden verschiedene Szenarien der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung (d.h. von Arbeitslosigkeit, Einkommen und Gewinnen) aufgestellt, um auf dieser Grundlage die Fähigkeit der Kreditnehmer zur Rückzahlung ihrer Kredite und daraus den Wert dieser Kredite für die Bankbilanz schätzen zu können.

Die Crux an der Sache ist, dass sodann über die verschiedenen Szenarien gemittelt wird, weil in eine Bilanz nun einmal ein Wert zu schreiben ist. Für diese Mittelung ist es aber notwendig, den verschiedenen Szenarien der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung Wahrscheinlichkeiten zuzuweisen.

Dies ist die Stelle, an der sich die gesamte gesellschaftliche Irrationalität der Bourgeoisie, zu welcher auch die Aufrechterhaltung von Illusionen ohne jede Grundlage zählt, ihren Weg in die Bilanz und Funktionsfähigkeit des Finanzsektors bahnt.

Die Bourgeoisie, gefangen in ihrer Angst und Unfähigkeit die Gesellschaft aus der tiefen Krise herauszuführen, erhält den Schein aufrecht, indem sie das Bild einer zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung via Bankbilanzen berechnet, in der es zwar einen Einbruch aufgrund von Corona gegeben hat, dies aber im Jahr 2020 bereits verdaut wurde und in Zukunft alles, d.h. auch die Rückzahlung von Kreditraten, relativ ungestört weiterlaufen wird.

Die Arbeiterklasse hat kein Einsichts- und Kontrollrecht gegenüber den Bankbilanzen und kann deswegen die systemweite „Bilanzfälschung“ nicht aufdecken. Umso betrüblicher ist, dass die Organisationen der Arbeiterbewegung (z.B. der ÖGB) sich weigern, die politische Forderung nach Offenlegung der Geschäftsbücher zu erheben.

Wir prophezeien jedenfalls, dass sich diese Bilanzen als illusionär herausstellen werden und die Gesellschaft für diese Illusion noch einen sehr hohen Preis bezahlen wird.


 Banken bunkern Geld

BankeinlagenSo viel Geld lagern die Banken in der ö. Nationalbank. Das zeugt davon, dass in der Krise niemand in die Wirtschaft investieren will. (eigene Grafik)

Wie aussichtslos die Lage der Bourgeoisie und der Zentralbanken bei der Herstellung von gesellschaftlicher Normalität außerhalb des Finanzsektors ist, legt die OeNB an anderer Stelle offen:

Die Flutung der Märkte mit Geld durch die Notenbanken kommt in der Gesellschaft nicht an, die Banken können und wollen (aus Angst, dass das Geld dann nicht mehr zurückkommt) diese Geldflut nicht an HäuslbauerInnen, AutokäuferInnen und Unternehmen weiterreichen und bunkern genau jenes Geld, das ihnen von den Notenbanken aufgedrängt wird, lieber bei den Notenbanken selbst. So stiegen die Einlagen der Banken bei der österreichischen Nationalbank zwischen März 2018 und Februar 2021 von 44 Mrd. Euro auf 112 Mrd. Euro (s. Kasten).

Der Kapitalismus bringt mit dieser künstlichen Zahlenansammlung etwas hervor, das jedes untergehende System charakterisiert: Den Schein seiner eigenen Funktionsfähigkeit wider jede Vernunft, bis es eben nicht mehr geht.

(Funke Nr. 193/22.4.2021)


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