Am 10.3.2023 nach dem amerikanischen Börsenschluss platzte die Blase: Die Behörden der USA stellten die Silicon Valley Bank (SVB) unter Staatsverwaltung. Die „Einleger“ von Geld hatten am Tag zuvor beträchtliche Summen von der Bank abgezogen. Dabei handelt es sich um eine Konsequenz der kapitalistischen Bewegungsgesetze, die Profitrate des Kapitals auf Kosten der schwächsten verbliebenen MitbewerberInnen zu maximieren. Andreas Fuchs, Martin Halder und Emanuel Tomaselli trugen zur Analyse auf dieser Seite bei und formulierten die politische Position der revolutionären MarxistInnen zur aktuellen Bankenkrise.
Die Zinsanhebungen der Zentralbanken bringen wenig profitable Firmen unter Druck, die Profitabilität ihrer Geschäfte zu gewährleisten und ihre eigenen Rechnungen zu bezahlen. Tech-Firmen, die Hauptkundschaft der SVB, haben momentan schwere wirtschaftliche Probleme, wie Massenentlassungen im Sektor (etwa bei Facebook und Twitter) offenbaren. Banken andererseits haben stets nur einen kleinen Teil der Guthaben auf Einlagekonten in auszahlbarem Geld verfügbar, da sie den größten Teil anderwärtig investiert haben. Als die Kunden vermehrt Geld von ihrer Bank SVB abhoben, war diese gezwungen, Staatsanleihen zu verkaufen, um das Geld auszuzahlen. Dabei zeigte sich, dass die Verkaufspreise der Staatsanleihen weit unter dem zuvor in der Bilanz der Bank veröffentlichten Wert lagen. Als dies bekannt wurde, begannen weitere Kunden massenhaft ihr Geld abzuheben („bank run“). Als Randbemerkung angeführt: Die Kapitalflucht aus der SVB wurde unter Führung des Tech-Managers Peter Thiel, der zeitweise ein undurchsichtiges Geschäftsverhältnis zu Bundeskanzler a.D. Sebastian Kurz unterhielt, vollzogen.
Die weitere Entwicklung führte zur staatlichen Kontrollübernahme der Signature Bank in New York, der Rettung der First Republic Bank im von einer Immobilienblase gebeutelten San Francisco durch die fünf größten amerikanischen Banken, und als vorläufigem Höhepunkt zur Krise der Credit Suisse (CS, Bilanzsumme ca. 600 Mrd. Euro) in der Schweiz. Während die Ölscheichs aus Saudi-Arabien, via der „Saudi National Commercial Bank“ (größter Aktionär der CS), offensichtlich bereit gewesen wären, die CS zu retten, suchte der Schweizer Nationalstaat nach einer „nationalen“ Lösung, d.h. einer Lösung, die die US-amerikanischen Interessen nicht zu sehr beeinträchtigt und so den Import von Gewinnen aus aller Welt in die Schweiz weiter ermöglicht.
Die Regierung erzwang am Sonntag den 19.3. die Übernahme der CS durch die zweite Schweizer Großbank UBS über ein Notfallgesetz. Dabei garantiert der Gesetzgeber die Übernahme von potentiellen Verlusten in der Höhe von 9 Mrd. CHF, und stellt der fusionierten Großbank Liquiditätshilfen in Höhe von 200 Mrd. CHF zur Verfügung. Die Stimmrechte der Aktionäre der Banken wurden gesetzlich ausgehebelt, ihre Profitansprüche jedoch gewahrt. Ohne den Nationalstaat als aktivem Regulator unterschiedlicher Kapitalinteressen geht im Imperialismus nichts mehr. In der Schweiz gibt es nun eine einzelne Megabank, deren Bilanzsumme doppelt so groß ist wie das Schweizer BIP. Die NZZ, das Zentralorgan des Schweizer Finanzkapitals, kann es selbst kaum glauben, welche Gespenster hier gerufen werden: „Ein Zombie ist weg, doch ein Monster entsteht.“ Es ist das Monster des Privateigentums und des grenzenlosen Profites, eingezwängt in das zu klein geratene Korsett von Nationalstaaten.
Auf der anderen Seite des Atlantiks garantiert Joe Biden die Sicherheit aller Einlagen der SVB, wobei öffentlich zum aktuellen Zeitpunkt nicht nachvollziehbar ist, wessen Geld hier in die Pleitebank gepumpt werden soll (abseits der gesetzlichen Einlagensicherung, die jedoch nur 250.000 $ pro Einleger refundiert). Zusätzlich bietet die US-Notenbank, um eine Ausbreitung der Bankenpleiten zu verhindern, Banken frisches Geld zu billigen Konditionen an. Der Versuch, die den Unternehmen und Menschen bei Banken verfügbare Geldmenge zu reduzieren, hat damit einen Rückschlag erlitten. Damit liegt eine soziale Konsequenz der Bankenkrise bereits offen vor uns: Die Inflationsbekämpfung rückt durch die aktuellen Maßnahmen der Regierungen und Zentralbanken in den Hintergrund.
15 Jahre nach der großen Finanzkrise des Jahres 2008 stehen die kapitalistischen Regierungen in aller Welt vor dem gleichen Trümmerhaufen. Tatsächlich stehen sie vor einem Trümmerhaufen, der noch größer ist: Zur Finanzkrise kommen Klimakatastrophe, imperialistischer Krieg, Teuerung und vor allem eine Arbeiterklasse, die sich nicht mehr problemlos auf der Nase herumtanzen lässt. Wer glaubte, dass der von Banken dominierte Imperialismus die gegenwärtige Krise mit besseren Ergebnissen für die Gesellschaft zu bewältigen vermag, sollte spätestens jetzt zu zweifeln beginnen.
Wir treten ein für:
- Die Rückzahlung aller Bonuszahlungen und Dividenden, die in den Jahren vor einem Bankencrash an das Management und die AktionärInnen der Bank ausgezahlt wurden
- Die Verstaatlichung aller Banken und ihre Fusion in die Zentralbank
- Die Übernahme der Entscheidungen in den Zentralbanken durch die Organisationen der Arbeiterklasse, insbesondere der Gewerkschaften
Von Anleihen, Zinsen und Einlagen
Der zentrale Aspekt der neuen internationalen Bankenkrise ist der Preisverfall von Staatsanleihen. Wir zeigen hier, dass es sich dabei um keine neue „Spekulationskrise“ handelt, sondern um einen vielschichtigen systemischen Krisenkomplex des Kapitalismus selbst.
Wenn ein Staat oder ein Unternehmer sich am Markt Geld beschaffen will, schließt er Finanzierungsverträge ab, in der Finanzsprache ausgedrückt: er wird zum Emittenten von Anleihen. Der Emittent verpflichtet sich dem Inhaber der Anleihen jährlich Zahlungen in der vereinbarten Höhe zu leisten, sogenannte Kupons. Es wird dem Inhaber der Anleihe weiters versprochen, dass der Nennwert (auch Nominale genannt) der Anleihe am Ende der Laufzeit an ihn ausbezahlt wird. Die Anleihen können, wie jede andere Ware auch, zu Tagespreisen am Markt gehandelt werden, weswegen der ursprüngliche Käufer und der Inhaber nicht ident sein müssen.
Wir nehmen als Beispiel die österreichische Staatsanleihe mit Wertpapierkennnummer AT0000A2EJ08: Sie wurde im Jahr 2020 ausgegeben und besitzt einen fixen Kupon von 0,75% pro Jahr und eine Nominale von EUR 1.000 je Stück. Der Inhaber dieser Anleihe bekommt jedes Jahr EUR 7,50 an Kuponzahlung und am Ende der Laufzeit im Jahr 2051 EUR 1.000. Die Republik Österreich hat im ersten Corona-Lockdown März 2020 2,25 Mio. Stück dieser Anleihen verkauft. Sie hat von den Käufern aber nicht EUR 1.000 je Stück bekommen, sondern ca. 989,5 EUR. Die Republik hat daher ca. 2,23 Mrd. EUR bekommen und dieses unter anderem für den Corona-Umsatzersatz an Großunternehmen ausgegeben.
Aus Sicht der Käufer dieser Anleihe hatte sie also eine Verzinsung von ca. 0,79%: 0,75% Fix-Kupon plus die Differenz zwischen dem Nominalwert von 1000 EUR und dem Ausgabepreis von 989,5 EUR. Dies ist jedenfalls die Profitkalkulation des Käufers. Wir hingegen argumentieren programmatisch dafür, dass die Staatsanleihen nur auf Basis von nachgewiesenem Bedarf (etwa an Kleinsparer) zurückbezahlt werden.
Wie viel ist ein Stück dieser Anleihe AT0000A2EJ08 mit einer Nominale von 1000 EUR heute (am 17.3.2023) wert? Sie wird an der Börse Frankfurt zu EUR 599,9 gehandelt. Ein Käufer aus dem Jahr 2020 hat daher je Stück dieser Anleihe einen Verlust von ca. EUR 390,- zu verbuchen. Warum ist ein Stück Papier, das im März 2020 noch EUR 989,5 wert war, heute um ca. 39% weniger wert?
Die Antwort darauf ist in der Zwangslage des kapitalistischen Systems zu suchen, das im Zustand seiner imperialistischen Fäulnis gerade von Inflation (als einer von vielen Zersetzungserscheinungen) gebeutelt wird und dessen herrschende Klasse jeder Zersetzungserscheinung mit Antworten begegnet, die den Fäulnisprozess an anderer Stelle beschleunigen. Die Notenbanken in Europa und den USA haben im Jahr 2022 begonnen die Zinsen anzuheben, weil sie dachten, damit der Inflation Herr werden zu können (was wir von Anfang an stark bezweifelten).
Wir setzen unser Beispiel fort, um den Weg der Entwertung nachzuvollziehen: Die Republik Österreich, durch weiteren Schuldenaufbau immerfort auf ihren Bankrott einherschreitend, konnte im Jahr 2023 keine Anleihen mit einem Kupon von 0,75% neu emittieren, sondern musste den Käufern entsprechend der Zinserhöhung durch alle wichtigen Zentralbanken höhere Gewinne versprechen. Vor einigen Tagen im März 2023 offerierte die Republik 700 Tsd. Stück der Anleihe mit Wertpapierkennnummer AT0000A324S8 zu einem Nominalwert von je 1000 EUR mit einem Kupon von 2,90%. Die Käufer bezahlten dafür 970,45 EUR je Stück Anleihe. Aus Sicht der Käufer resultiert daraus eine effektive Verzinsung von ca. 3,25%. Die Differenz der Verzinsungen der Staatsanleihen im März 2020 und im März 2023 entspricht in etwa der Erhöhung der Zinsen durch die Europäische Zentralbank in diesem Zeitraum.
Anstatt langlaufende Staatsschulden mit niedrigen Zinsen zu halten, ist es für profitgetriebene Anleger mit ausreichender Überlebensfähigkeit heute profitabler, diese zu verkaufen und die Erlöse in neue Schuldpapiere mit höherer Verzinsung (3,25% statt 0,79%) zu investieren. Der Verkauf dieser Anleihen drückt, wie in jedem kapitalistischen Markt den Preis dieser Anleihen. Die Zentralbanken erreichten durch ihre Zinspolitik so also die Entwertung der Schuldtitel, die während der Phase der Niedrig- und sogar Negativzinsen ausgegeben wurden.
Was hat dies mit den Banken zu tun? Banken nehmen Einlagen von Menschen und Unternehmen entgegen und kaufen („investieren“) diese in Vermögenswerte (wie z.B. Staatsanleihen). Die Differenz zwischen Einlagezinsen und Verzinsung der Bankinvestitionen ist der Gewinn der Banken (und der Lohn der Bankangestellten für ihre Arbeit). Ein Problem tritt auf, wenn die Menschen und Unternehmen „mit Geld auf der Bank“ nicht mehr glauben, dass die Bank so viel Vermögen hat, dass sie die Einlagen zurückzahlen kann. Wenn nun viele Vermögenstitel einer Bank, wie die oben illustrierten Staatsanleihen, seit 2020 im Wert um ca. 39% gesunken sind, ist eine solche Vermutung der Menschen und Unternehmen nicht von der Hand zu weisen und es kann ein Bank-Run einsetzen, bei dem die Einlagen von dieser Bank so schnell wie möglich abgezogen werden.
(Funke Nr. 212/21.3.2023)
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