Was die Regierungsverhandlungen und der Koalitionspakt schon erahnen ließen, kommt nun offen zum Vorschein. Die SPÖ-Führung ist völlig abgehoben und macht Politik für die Bürgerlichen.

Personifiziert wird diese Abgehobenheit vom frisch gekürten Spitzenkandidaten für die EU-Wahlen Eugen Freund. Der pensionierte ORF-Moderator wurde aus dem engsten Kreis des Bundeskanzlers für seine neue Mission angeworben. Aus den Kreisen von SP-Strategen sickerte an „Die Presse“ durch, dass es Ziel sei mit dem bekannten Journalisten „neue Wählerschichten“ anzusprechen.

Bei seinen ersten Auftritten zeigte Freund jedenfalls, dass er für MindestpensionistInnen, ArbeiterInnen und benachteiligte Frauen sicher kein Sprachrohr sein wird. So brillierte er vor allem durch Arroganz, Unkenntnis für die Lebensbedingungen von Normalverdienern und politische Unwissenheit.

Es gibt keinen Grund Milde walten zu lassen. Mit seinem Pressesprecher, Rafael Sternfeld, steht Freund ein in der Wolle gewaschener Faymannianer aus dem Apparat zur Verfügung. Dieser junge Aufsteiger (http://www.youtube.com/watch?v=3gwRl2RRjsA) ist ein typischer Vertreter des heutigen SPÖ-Apparats, der auf möglichst inhaltslose „Kommunikation“ getrimmt, mit dem Stallgeruch der Wiener Bobo-Kultur behaftet und Teil der richtigen Polit-Clique ist. Sternfeld fand Freunds Interview mit dem „Profil“ gut, er fand sich darin wieder, daher durfte es auch so erscheinen.

Die Bestellung von Eugen Freund und seinem Medien-Buddy zeigt, dass an der SPÖ-Spitze eine Clique sitzt, die von der Realität ihrer sozialen Basis dick abisoliert ist. Dementsprechend ist auch der politische Inhalt der Sozialdemokratie, in dem ideologische Konflikte mit den Bürgerlichen keinen Platz haben.

Hoch die Demokratie

Typischerweise wird in Zeiten, in denen der Reihe nach Regierungen an der Unmöglichkeit einer Anti-Krisenpolitik scheitern, die Demokratie allerseits auf den Altar gehoben. Unter vereinten Anstrengungen wird der Ringeltanz um das goldene Demokratiekalb inszeniert. Und die Demokratie wird heute überall dort in Gefahr gesehen, wo Menschen sich gegen soziale und politische Zumutungen wehren.

Das Gegenteil von Demokratie ist – so glaubt man der Löwelstraße – Extremismus, Anti-Europäismus und Gewalt. Zugegebenermaßen, diese Analyse ist nicht neu, aber bisher ging sie mit einem Verständnis für die besondere Rolle des Faschismus einher. Die Erinnerung an die Beschießung von Gemeindebauten des Roten Wien durch Kanonen des Bundesheeres auf Befehl der ÖVP-Vorläufer ist mittlerweile jedoch völlig verschüttet. Die industrielle Vernichtung von Menschen im Nationalsozialismus wird als außer-menschlicher Umstand ohne Vorgeschichte und gesellschaftliche Kontinuität wahrgenommen. Alles andere würde den Bemühungen um einen nationalen Schulterschluss zur Bewältigung der Krise zuwiderlaufen. Und so wird auf den Gebeinen der ermordeten ArbeiterInnen des Februars 1934 von Faymann und Spindelegger heuer ein „starkes Signal des Zusammenhalts“ und ein „klares Bekenntnis zu Österreich und zu Europa abseits ideologischer Trennlinien“ erfolgen.

Barbara Prammer war die einzige aus der SPÖ-Spitze, die sich im Vorfeld der Proteste gegen den Akademikerball der rechtsextremen Burschenschaften zu Wort meldete, und sie verwendete dabei die oben skizzierte ekelerregende Schablone: „Ich hoffe und erwarte, dass es zu keinen Auseinandersetzungen auf der Straße kommt. Diese Art der Konfliktaustragung widerspricht demokratischen Prinzipien und ist als Ausdruck des Protests ungeeignet.“

Unter diesen politischen Prämissen wurde der Wiener Polizei erlaubt, den abstrakten Begriff Demokratie mit konkreten Verboten (etwa gegen das dezidiert friedliche Bündnis „Jetzt Zeichen Setzen“, Schalverbot, Platzverbot etc.), mit Schlagstöckeinsätzen und Tränengas zu füllen.

Bankenrettung

Doch kommen wir zur Kernaufgabe der Regierung Faymann. Die österreichischen Banken dürsten nach Steuergeld wie ein Alkoholiker nach Schnaps. Die Bankenrettung wird in den kommenden Jahren weitere Milliarden Euro kosten. Allein bei der Hypo wird der Finanzierungsbedarf weitere 20 Mrd. betragen, dass ist in etwa das Zweieinhalbfache des Jahresbudgets für alle öffentlichen Schulen. Fast schon im Monatstakt wird eine neue Tranche an Steuergeldern zur Verfügung gestellt. Die EU macht nun Druck hier endgültige Lösungen durchzusetzen. Eine öffentliche Debatte wird nicht zu vermeiden sein. Die Banken werden sich als gewaltige Belastung für das Leben aller herausstellen, die nicht vom Kapitalertrag leben.

Nun scheint das Hauptanliegen der Bundesregierung derzeit darin zu bestehen, mit Hilfe von Tricks die verlorenen Milliarden an Steuergeld, die in die Banken gepumpt werden, nicht im Budget aufscheinen zu lassen. Dazu glaubte man die Hilfe der Banken zu brauchen. Die hatten auch einen guten Vorschlag parat: Die Bankenabgabe wird von 640 Mio. auf 300 Mio. halbiert und dafür helfen die Banken der Regierung beim statistischen Tricksen.
Die Sache ist so heikel, dass Faymann und Spindelegger hier im Doppelpack von Krisensitzung zu Krisensitzung eilen. Wir können davon ausgehen, dass in den kommenden Verhandlungen eine für die Banken zufriedenstellende Lösung gefunden wird.

Der Charakter der Regierung Faymann II

All das passierte innerhalb von einer Woche und ist symptomatisch für den Zustand der SPÖ. Und das während sich die ÖVP in einem haarsträubenden Zustand befindet. Zerrissen von partikulären Interessenslagen (Wirtschaftsbund, diverse Landesparteien) ist es ÖVP-Chef Spindelegger bisher noch nicht einmal gelungen den schwarzen Parlamentsklub geschlossen zu einer Abstimmung zu führen.

Nur die sozialdemokratischen Abgeordneten legen Nibelungentreue an den Tag und sind damit die stabilste Stütze dieser Regierung. Mit ewiger Dankbarkeit der Raiffeisenbank darf die SPÖ aber nicht rechnen. Sobald die ÖVP ihr Führungsproblem gelöst hat, wird das bürgerliche Powerplay erst richtig losgehen. Faymann wird dann gesellschaftlich so isoliert sein, dass selbst die Treusten der Treuen kein Mitleid mit der sozialdemokratischen Führungsriege im Ausgedinge aufbringen werden.

Die Selbstzerstörung der Sozialdemokratie ist in vollem Gange. Die Krise des Reformismus, der längst keine Reformen, sondern nur Konterreformen bringt, ergibt sich grundsätzlich aus der Überproduktionskrise des Kapitalismus. Die Führung der Sozialdemokratie sieht keine Alternative zu dieser Wirtschaftsordnung, weshalb Faymann, Hollande & Co. in Margaret Thatchers Chor einstimmen und manifestieren, dass es keine alternative Krisenbewältigung gibt.
Insofern handelt es sich nicht um „politische Fehler“ im Agieren der sozialdemokratischen Führung. Sie führt einfach eine stringente Politik im Sinne der führenden Kapitalgruppen durch. Dies ist diesen Damen und Herren in Fleisch und Blut und ihre ganze Weltsicht übergegangen.


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