Steuerreform. Bei der Forderung nach einer Gegenfinanzierung der Lohnsteuerentlastung durch Reichensteuern darf es keine Abstriche vom ÖGB-/AK-Konzept geben, sagt Stefan Wagner.
Dass die Regierung überhaupt über eine Senkung der Lohnsteuer diskutiert, ist nur auf den Druck seitens des ÖGB und der Arbeiterkammer (AK) zurückzuführen. Die Gewerkschaften fordern auch vehement, dass die schon lange diskutierten Vermögenssteuern in ein Gesamtkonzept zur Finanzierung der Lohnsteuerreform eingearbeitet werden. Das ÖGB/AK-Konzept sah folgende Maßnahmen vor: Ein sechsstufiges Tarifsystem anstatt bisher drei Stufen, wobei der Eingangssteuersatz auf 25% gesenkt wird. Der Höchststeuersatz von 50% soll gleich bleiben, aber erst bei € 80.000 statt bisher € 60.000 greifen. Durch Absetzbeträge und Negativsteuern sollen zusätzlich PensionistInnen und Niedrigverdienende entlastet werden. Das Volumen der Entlastung würde damit knapp 6 Mrd. € betragen. Ohne die Einführung von Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern, die 2 Mrd. € bringen sollen, wäre dieses Konzept aber nicht finanzierbar. Alle Studien zur Vermögensverteilung in Österreich zeigen, dass die Forderung nach Vermögenssteuern mehr als richtig ist. Das reichste Prozent vereint etwa 37 Prozent allen privaten Vermögens auf sich. Bei den Kapitaleinkommen ist die Konzentration noch stärker: Das oberste Prozent lukriert 52% aller Vermögenseinkommen. Die 33 österreichischen Milliardäre – ein Hunderttausendstel aller österreichischen Haushalte – haben ein Vermögen von 119 Mrd. Euro. Ihr Vermögen hat sich Schätzung zufolge zwischen 2013 und 2014 nochmals um fast 9 Prozent vergrößert. Das reichste Prozent erhält allein aus Vermögenseinkommen monatlich etwa 8.000 Euro.
In dieser Frage blockiert die ÖVP aber mit größter Entschlossenheit, im Gegenzug verknüpft sie ihre Zustimmung an einer Lohnsteuerentlastung mit Forderungen der Wirtschaft (Pensions- und Arbeitsmarktreformen). Die Einwände der Achse des „Mittelstands“ aus diversen bürgerlichen Interessensvertretungen lassen sich fast 1-zu-1 im ÖVP-Konzept finden. Wie soft warnen die Bürgerlichen mit dem Bild vom Kapital als scheuem Reh, das vor Vermögenssteuern ins Ausland flüchten würde. Die jüngsten Enthüllungen („Swiss Leaks“) zeigen aber, dass schon jetzt das Who is who des „österreichischen“ Kapitals (Swarovski, Schlaff, FMMI-Verhandlerin Exner-Wöhrer u.a.) jede Gelegenheit nutzt, um der Besteuerung zu entgehen.
Zwar dürfte es eine grundsätzliche Einigung in der Frage der Entlastung bei der Lohnsteuer geben, aber die SPÖ hat keine Idee, wie sie den gordischen Knoten der Gegenfinanzierung lösen soll. Auf dem Verhandlungsweg ist die Blockade der ÖVP nicht zu durchbrechen. Die jüngsten Aussagen von Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der auf die Forderung nach Vermögenssteuern verzichten will, zeigen einmal mehr, dass es auf die SPÖ-Führung keinen Verlass gibt. Erst beim Parteitag im Herbst hat die SPÖ in der Frage der Vermögenssteuern ihre Position unterstrichen, und jetzt kommt dieser fatale Umfaller.
In dieser Situation kann sich die Gewerkschaft nur auf die eigene Kraft stützen. Sie muss sich auf die Barrikaden stellen und ihr Konzept verteidigen. Dazu braucht es öffentlichen Druck, der in den Betrieben und auf der Straße aufgebaut werden muss - auch wenn das den nötigen Bruch der Koalition bedeutet.
Der Autor ist Mitglied der SPÖ Brigittenau