Burgenland. Die politische Schockwelle, die die rot-blaue Koalition im Burgenland auslöste, ist noch lange nicht verebbt. Wie konnte es so weit kommen, und was können wir dagegen tun? Ein Kommentar der Funke-Redaktion.

„Wer nein sagt zum Faschismus, doch ja zum Kapital, dass der das nur zum Schein sagt, das ist ein klarer Fall“

Es ist nicht weniger als ein politisches Erdbeben: Zuerst gab es nach der Wahl im Burgenland einen Beschluss des SPÖ-Landesparteivorstandes, dass Landeshauptmann Niessl Koalitionsverhandlungen mit allen Parteien, auch der FPÖ, führen können sollte. Diese Entscheidung war einstimmig, auch SJ Burgenland-Vorsitzender Kilian Brandstätter hatte dafür gestimmt. Dieser taktische Zug war schon vor den Wahlen durch eine Mitgliederbefragung der SPÖ Burgenland vorbereitet worden.

Dementsprechend schnell ging dann auch die Sache nach der Wahl. Binnen weniger Tage trat Niessl mit dem burgenländischen FP-Obmann Tschürtz vor die Medien und kündigte an, dass eine Koalitionsbildung kurz bevor steht. Die Süddeutsche Zeitung, als Blatt aus Deutschland nicht wie die kriecherische, österreichische Presse daran gebunden, in der hiesigen Politik „neutral und sachlich“ zu bleiben, kommentierte das so: „Es ist ein Tabubruch, und noch ist nicht klar, ob er aus Dummheit und Verzweiflung - oder aus Kalkül geschieht.“

Es ist eine Kombination aus allen drei Dingen, wobei das Element des Kalküls wohl besser als alles andere die historische Sackgasse der SPÖ-Bürokratie aufzeigt. Sie sägt am Ast, auf dem sie sitzt. Keine einzige Stimme fand sich im burgenländischen SPÖ-Landesvorstand gegen die Koalitionsverhandlungen mit der FPÖ. Die dortige SPÖ-Bürokratie gibt lieber geschlossen alle antifaschistischen Grundsätze auf, als die Futtertröge der Macht. Nachträglich wird das ideologisch gerechtfertigt mit Wortblasen, wie „in der Demokratie darf man niemanden ausschließen“ oder der vagen Hoffnung, „wenn sie erst einmal an der Macht sind, werden sie schnell entzaubert“.

„Entzauberung“?

Gerade das letzte „Argument“ wird besonders stur hervorgekramt. Doch wir müssen uns im Klaren sein: Der Grund für die Schwäche der SPÖ ist nicht in der Stärke der FPÖ, sondern in der Politik der Bundesregierung und der Landesregierungen mit SPÖ-Beteiligung zu suchen. Bankenrettungen, Sparpakete und Untätigkeit gegenüber der immer höher werdenden Arbeitslosigkeit und Wohnungsnot sind der Kern des Problems! Die Krise des Kapitalismus zwingt die Sozialdemokratie auch in Österreich dazu, arbeiterfeindliche Politik durchzusetzen. Die Alternative wäre eine Politik, die auf einen Bruch mit dem Kapitalismus abzielt – und das ist für die Sozialdemokratie keine denkbare Option. Das Klammern an dieses hohle „Argument“ ist also letztendlich nichts anderes, als der hilflose Versuch, den Niedergang der SPÖ ohne einen sozialistischen Kurswechsel aufzuhalten – und damit von vornherein zum Scheitern verurteilt.

Die Sozialdemokratie präsentiert sich nun tief gespalten. Doch in ihrer speziellen Ausprägung ist selbst diese Spaltung ein Zeichen für die enorme Degeneration der letzten Jahre. Politische Positionen sind hier bis auf wenige Ausnahmen nur noch eine Frage der konkreten bürokratischen Interessen verschiedener Cliquen. Wenn ein Hans Niessl mit der FPÖ in die Regierung geht, dann um die fetten Posten im Staatsapparat nicht zu verlieren. Wenn ein Michael Häupl dagegen auftritt, dann um bei den kommenden Wahlen in Wien nicht an Stimmen zu verlieren – um die fetten Posten im Staatsapparat nicht zu verlieren. Wenn ein Franz Voves in dieser Situation dazu zuerst gar nichts sagt, dann deswegen, weil er gerade eine krachende Wahlniederlage hinter sich hatte – und deswegen jede Ablenkung brauchen konnte, um die fetten Posten im Staatsapparat im Rahmen der offen arbeiterfeindlichen „Reformpartnerschaft“ nicht zu verlieren. Die Aufgabe des Landeshauptmannes, um die Posten in der Regierung zu bewahren, ist der eindrücklichste Beweis dafür. Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos sekundierte Niessl, weil er als Burgenländer bei seinem Posten von der Unterstützung aus dem Burgenland abhing – und prompt nach seinem Abgang mit einem Regierungsposten im Burgenland belohnt wurde. Und Kanzler Werner Faymann sagte erst einmal gar nichts, weil er es sich nicht leisten kann, das durch Wahlniederlage auf Wahlniederlage enorm erschütterte Gleichgewicht in der Partei noch mehr ins Wanken zu bringen – die Stabilität der Bundesregierung und damit die fettesten Posten im Staatsapparat hängen davon ab!

SP - Krise

All diese Elemente waren schon vor dem Wahlsonntag vorhanden – doch jetzt treten sie offen zutage. Und nicht nur das. Die Krise der Partei ist so tief geworden, dass die Intrigen der einzelnen Bürokratenfraktionen die gesamte ideologische Basis der Partei der letzten Jahre zerstören. Bisher wurde die arbeiterfeindliche Politik in der Großen Koalition damit gerechtfertigt, dass man nur so die FPÖ aus der Regierung fernhalten kann. Dieser Appell an die Schrecken der schwarz-blauen Regierung ließ viele AktivistInnen viele politische Gemeinheiten der Großen Koalition schlucken. Diese Argumentation bröckelt jetzt durch den Schachzug der SPÖ Burgenland. Jetzt heißt es, man muss mit der FPÖ in die Regierung, damit nicht die ÖVP mit ihr regiert. Was soll da noch als nächstes kommen?

Statt dem Widerstand gegen die Verrottung der Partei anhand dieser zentralen Frage ein Gesicht zu geben, argumentiert etwa Daniela Holzinger in dieser Frage dieselbe Logik weiter, die die SPÖ erst an den jetzigen Punkt gebracht hat. Sonja Ablinger tritt aus der Partei aus, ohne die mediale Aufmerksamkeit zu nützen für eine politische Alternative zum beinahe unerträglichen Ist-Zustand zu argumentieren.

Der Großteil der Linken in der Sozialdemokratie, allen voran in den Jugendorganisationen, ist über diese Aufgabe aller antifaschistischen Grundsätze offen empört und wütend. Viele sind im Widerstand gegen die andauernde Hetze der FPÖ erst politisiert worden, und jetzt sollen sie sich mit einer Koalition ihrer Mutterpartei mit den rechten Hetzer abfinden? Undenkbar! Es gibt einen gewaltigen Druck innerhalb dieser Organisationen für eine klare Positionierung gegen die FPÖ. Doch es gibt auch hier gegenläufige Trends. Die bürokratische Denkweise und die Angst vor der Macht des Apparats sind auch hier präsent. Nach einer Periode offenen Meinungsaustausches, haben sich vorerst jene Kräfte durchgesetzt die auf das Aussitzen der jetzigen Krise setzen um die Einheit der Organisation nicht zu gefährden.

Linke Alternative?

Die erste Aufgabe liegt nun zuerst einmal darin, politische Klarheit in den eigenen Reihen zu schaffen. Die Bildung einer rot-blauen Landesregierung wird den Erosionsprozess der Sozialdemokratie, den wir schon so lange beobachten können, enorm beschleunigen. Eine Reform der Sozialdemokratie durch Kräfte in ihren eigenen Reihen ist heute keine Perspektive. Viele, die bisher noch mit zugehaltener Nase die SPÖ zumindest auf Wahlebene unterstützt haben, werden das jetzt nicht mehr tun. Und wieder wird sich eine ganze Schicht an AktivistInnen in die Inaktivität zurückziehen oder aus der Partei austreten. Und sich gerade politisierende Jugendliche und junge ArbeiterInnen werden sich noch sicherer von dieser Partei abwenden, anstatt frisches Leben in sie zu hauchen.

In so einer Situation wird es für eine breite Schicht an AktivistInnen deutlicher denn je, dass es eine Alternative links der Sozialdemokratie braucht. Doch diese entsteht nicht aus heißer Luft. Gerade die roten Jugendorganisationen und die Gewerkschaften hätten die Möglichkeit und Aufgabe, eine solche Alternative zu formulieren. Doch in der Realität ist selbst von diesen Kräften momentan wenig zu erwarten: Die Gewerkschaften stecken selbst bis zum Hals im Sumpf aus Sozialpartnerschaft und „kleineres-Übel-Politik“ fest, klassenkämpferische Opposition dagegen ist (noch) sehr rar und nicht organisiert. Die Ankündigungen des FSG-Vorsitzenden Katzian, der Offensive der bürgerlichen entschlossenen Widerstand entgegen setzen zu wollen, ist aber ein wichtiger erster Schritt, wenn er denn in der Realität umgesetzt wird. Die Sozialistische Jugend dagegen leidet darunter, dass die Vorsitzende Julia Herr lange versucht hat, über den Rechtstrend innerhalb der SJ Burgenland (und der Steiermark) hinwegzusehen, weil sie sich auf diese Landesorganisationen stützt. Die Verbandsführung hat innerhalb der Sozialistischen Jugend den Slogan zur „Rettung der Sozialdemokratie“ durchgesetzt und eine Konferenz unter dem Titel wurde organisiert, nachdem auch die Linke innerhalb der Organisation keine klare Alternative formulierte. Diesen Slogan lehnen wir aus zwei Gründen ab: Die „Rettung der Sozialdemokratie“ auf die Fahnen zu schreiben, wenn gerade massenweise Mitglieder enttäuscht aus der Partei austreten und noch mehr gute (potentielle) AktivistInnen nie eingetreten sind, wird die Reichweite einer solchen Initiative enorm einschränken. Außerdem ist der Slogan auch politisch falsch: Es geht nicht darum, das Konzept (oder die Partei) der Sozialdemokratie vor sich selbst zu retten. In der Krise zeigt sich mehr denn je, dass das nicht funktionieren kann. Es geht vielmehr darum, eine klare politische Alternative zu formulieren und zu organisieren. Eine Initiative zu setzen die sich offensiv die Interessen der Lohnabhängigen auf die Fahnen schreibt und eine sozialistische Alternative formuliert, anstatt weiterhin einen illusorischen „Ausgleich der verschiedenen Interessen“ voranzutreiben, was letztendlich immer im Ausverkauf endet.

Widerstand organisieren

Wir argumentieren deswegen, dass es möglich und notwendig ist, eine Konferenz zu organisieren, die sich eindringlich damit beschäftigt, wie ein linkes Projekt aufgebaut werden kann. Aus ihrer Geschichte und der bundesweiten Organisation ergäbe sich daraus eine Verantwortung der Sozialistischen Jugend. So eine Konferenz muss insbesondere die Grundlage für die Organisierung des Widerstandes gegen die Regierungspolitik und die Offensive der UnternehmerInnen legen: Nur, wenn es klar sichtbaren Widerstand gegen die vorherrschende Politik gibt, kann der Rechtstrend innerhalb der Gesellschaft aufgehalten werden. Nur der Klassenkampf wird die Arbeiterbewegung regenerieren! Es ist dabei wegen der fortschreitenden Erosion auch nicht mehr ausreichend, sich auf die Organisierung eines „Linken Flügels“ innerhalb der Partei zu orientieren. Alle Kräfte inner- und außerhalb der Sozialdemokratie, die bereit sind den Widerstand zu organisieren, müssen dies tun, die programmatische und organisatorische Grundlage dafür könnte auf der Konferenz der Linken gelegt werden.

Wir sind uns aber der Tatsache bewusst, dass die Chancen auf Realisierung dieser Initiative aufgrund der vorherrschenden Ideenlandschaften der Linken sehr gering sind. Es dominieren einerseits der abstrakte und impotente Ruf nach der „Linken!“, garniert mit dem hysterischen Beklatschen jedes Austrittes aus der SPÖ und andererseits der sture Versuch jede Debatte bedingungslos im Rahmen der „Sozialdemokratie!“ zu halten, komme was wolle. Beide Rufe gehen an der zentralen Frage vorbei und zeugen in Wirklichkeit von der Losgelöstheit der handelnden Akteure von den tatsächlichen Aufgaben der Situation.

Schwäche lädt zu Aggression ein. Die österreichische Arbeiterklasse wird durch das neue Selbstbewusstsein der Bürgerlichen gezwungen sein, massenhaft und hart zu kämpfen, will sie ihren bereits schrumpfenden Lebensstandard verteidigen. So wie die Arbeiterbewegung momentan aufgestellt ist, drohen massive Verschlechterungen.

Die Steine sind ins Rollen gekommen. Wir sehen unsere wichtigste Aufgabe derzeit im Aufbau einer starken marxistischen Strömung rund um unsere Zeitung „Der Funke“. Wo wir uns verankert haben, werden wir auch weiterhin den Widerstand gegen die Politik der Großen Koalition und die Angriffe auf betrieblicher Ebene entschlossen organisieren. Unsere Aufgabe sehen wir im Aufbau einer revolutionären Alternative. Mach bei uns mit, unterstütze unsere Arbeit durch die Verbreitung unserer Ideen und auch finanziell!

  • Nein zu Rot-Blau!
  • Schluss mit der Friedhofsruhe der Großen Koalition und der Sozialpartnerschaft!
  • Für ein breites Organisieren des Widerstandes gegen jede soziale Verschlechterung!

(Dieser Artikel wurde ursprünglich am 5.6. auf unserer Homepage veröffentlicht und am 16.6. unter Bezugnahme auf die konkreten Entwicklungen überarbeitet.)

 


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