Wahlprogramm. Sowohl ÖVP als wie FPÖ legen im Vorfeld der Nationalratswahl Wirtschaftsprogramme vor, die angeblich die Menschen entlasten. Dass es dabei aber um Geschenke für die Reichen und Kürzungen bei den Armen geht, zeigt Stefan Wagner.

Die Programme unterscheiden sich nur in Nuancen, die Hauptargumente sind die gleichen: Der Wirtschaftsstandort Österreich sei „abgesandelt“, die Sozialausgaben (für Flüchtlinge u.a.) ausufernd, die Bürokratie überbordend und vor allem sollte sich Leistung endlich wieder lohnen. Der Staat, und damit ist insbesondere der Sozialstaat gemeint, gilt als Hauptverursacher der Probleme. Die völlig außer Rand und Band geratene Vermögensverteilung, und die kapitalistische Ausbeutung an sich werden analytisch völlig ausgeblendet. Dass sich hinter den Phrasen der „Entlastung“ nur die Interessen der Eliten, Verachtung gegenüber armen Menschen und ein Zurückdrängen der Frau in die traditionelle Rolle der verheirateten Hausfrau verstecken, zeigt ein genauer Blick auf die einzelnen Maßnahmen.

„Neue Gerechtigkeit & Verantwortung“ vs. „Fairness. Freiheit. Fortschritt.“

Laut einhelliger Meinung wollen sowohl die ÖVP als auch die FPÖ die staatliche Abgabenquote auf 40% der Wirtschaftsleistung senken, was zum jetzigen Zeitpunkt Einsparungen von ca. 12–14 Mrd. € bedeuten würde. Beide sprechen hier aber nicht von Einsparungen, sondern von „Entlastungen“ oder „Optimierungen“. Bei der ÖVP passiert dies konkret durch die Senkung der untersten drei Progressionsstufen der Lohn- und Einkommenssteuer (3-4 Mrd. €), der Abschaffung der kalten Progression durch die jährliche Anpassung der Tarifstufen an die Inflation (1,6 Mrd. €), einen Steuerbonus von 1.500 € pro Kind pro Familie (2 Mrd. €), Senkung der Lohnnebenkosten durch Halbierung des Dienstgeberanteils zum Familien-Lasten-Ausgleich-Fonds (FLAF) (3 Mrd. €), Entfall der Körperschaftssteuer (KöSt) auf nicht entnommene Gewinne (1 Mrd. €, nach ÖVP Angaben, 4,5 Mrd. nach Eigenberechnung der Industriellenvereinigung) und weitere Maßnahmen um ca. 1 Mrd. €.

Auch die FPÖ möchte ihre „Entlastungen“ mittels einer Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer, der Senkung der Lohnnebenkosten durch eine Reduzierung des Dienstgeberanteils sowie einer Reduzierung der KöSt (langfristig sogar auch einen kompletten Entfall) auf nicht entnommene Gewinne realisieren. Die Berechnung der FPÖ ergibt summa summarum 9 Mrd. €. Ähnlich wie der Kurz´sche „Kinderbonus“ will die FPÖ auch nur die traditionelle Familie fördern, hier mit bis zu 7.000 € Steuerbonus, was eine steuerliche Reduktion um ca. 1 Mrd. bedeutet. Des Weiteren sollen noch verschiedene „Bagatellsteuern“ abgeschafft werden, was sich auf 2 Mrd. € summiert.

Die Entlastungsmaßnahmen der (neuen) ÖVP und der FPÖ begünstigen vor allem die reichsten obersten Prozente, es sind die Unternehmer und Besserverdienende, die von den Reformen profitieren würden. Die Senkung derLohn- und Einkommenssteuer legt hierbei ein beredtes Zeugnis ab. Es verdienen zum Beispiel 34 Prozent aller Erwerbstätigen so wenig, dass sie keine Lohnsteuer zahlen und daher auch nichts bekommen würden. Von den Pensionisten wären es 40 Prozent, von den Frauen profitieren sogar 45 Prozent davon überhaupt nicht. Auch die Herangehensweise, dass mehr investiert werden würde, ist trügerisch. Schon seit den 1970er-Jahren halten die Unternehmen ihre Realinvestitionen zurück und horten ihr Geld in Wertpapieren. FPÖVP begehen einen grundsätzlichen Denkfehler: Nicht der Staat nimmt den ArbeiterInnen etwas weg, sondern seit 30 Jahren entwickeln sich die Löhne deutlich unterhalb der Produktivitätsentwicklung. Ein Großteil der Produktivitätszuwächse fließt in die Unternehmensgewinne und die Kapitaleinkommen der Reichen und Mächtigen. Die Entlastung der Familien bzw. der Kinderbonus würde dies sogar noch steigern. Von den 150.000 AlleinerzieherInnen würden 90.000 einfach gar nichts vom Kinderbo­nus bekommen und nur 33.000 wiederum würden von der Begünstigung in voller Höhe profitieren. Apropos Familie: Die propagierte Plünderung des Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) würde gerade die Finanzierung von sozialen Maßnahmen für arme Familien der Finanzierung berauben.

Das finanzielle Wunschkonzert des Bürgerblocks

Sowohl die ÖVP als auch die FPÖ stellen sich die Gegenfinanzierung ihrer Vorhaben einfach vor und zugleich bleiben sie auch sehr vage, obwohl es sich bei beiden um ein Volumen zwischen 13 und 14 Mrd. € handelt. Beide gehen von einem Wachstumsimpuls bei Wirtschaft und Beschäftigung aus, dass im Umkehrschluss 5–4 Mrd. € in die Kassen spülen soll. In der Verwaltung wollen beide zig Milliarden durch Optimierung und Effizienzsteigerung einsparen, begleitet natürlich mit rassistischer Politik gegen Ausländer und Flüchtlinge. Doch diese Begleitung soll nur die Rasenmäher-Methode der Einsparungen im Gesundheits-, Bildungs- und Sozialsystem vor allem bei den Armen und Niedrigverdienern übertünchen. Dies wird bei der ÖVP „Systemeffizienz“ genannt und dient neben ihrer Erfindung der „Ausgabenbremse“ zum Hauptteil der Gegenfinanzierung. Neben dem Problem, dass die ÖVP nicht einmal genau erklären kann, was diese „Ausgabenbremse“ denn sei, gibt es eine weitere Problematik: Kürzungen bei den Sozialausgaben weisen einen negativen Multiplikator-Effekt auf, heißt, dass sie ihre „positiven“ finanziellen Effekte selbst wieder unterlaufen.

Am schlechtesten wird es wie immer den Ärmsten ergehen: Die Deckelung der Mindestsicherung auf 1500 € bedeutet, dass etwa eine Alleinerzieherin mit zwei Kindern um 33 Prozent weniger bekommt, als es der Armutsgrenze entspricht. Die FPÖ will fast 4 Mrd. € bei Sozialausgaben einsparen: 1 Mrd. € im Gesundheitssystem, 1 Mrd. € bei der Sozialversicherung und fast 2 Mrd. € durch Kürzungen bei Förderungen. Dass dies viel zu überzogen ist, merkt man daran, dass die Verwaltungskosten bei den Sozialversicherungen selbst nur etwas über 1 Mrd. € betragen. Hierbei sind der FPÖ auch die Kammern ein Dorn im Auge, vor allem aber die Arbeiterkammer. Was bedeuten aber die Ausgaben der Menschen für die AK gegenüber der im Jahr 2016 nachweislich über 100 Mio. € von Unternehmen erstrittenen Summe!? Die AK soll nur geschwächt werden, um die Rechte der ArbeiterInnen abzubauen. Doch genau darum geht es dem Bürgerblock FPÖVP. Schlechte Arbeitsbedingungen, Aushebelung der Kollektivverträge, Umgehung von Mindestlöhnen sollen nicht nur fortgeführt werden, sondern die Flexibilisierung soll weiter und tiefer voranschreiten und die Kollektivverträge am besten sogar abgeschafft werden. In trauter Zweisamkeit lehnen sie deshalb auch jedwede Vermögens-, Erbschafts- und Schenkungssteuern ab. Eigentum verbindet, aber nur einige wenige.

Schon in der Juni-Ausgabe unserer Zeitung schrieben wir zum Charakter der Diskussion um die Abgabenquote Folgendes: „Es wird offensichtlich, dass die Forderung einer Senkung der Abgabenquote und die anderen genannten Maßnahmen in letzter Instanz nichts anderes ist, als die Verneinung der Beteiligung der Reichen an der Finanzierung des Sozialstaates. Es wäre also ehrlicher und transparenter, gleich die Forderung nach Sozialabbau zu artikulieren und sich nicht hinter dem Mythos der „zu hohen“ Abgabenquote zu verstecken. Um es klarer zu sagen, was die FPÖ [und somit auch die ÖVP] will: Der Sozialstaat in Österreich soll zerschlagen werden. Also genau dort, wo das Sozialsystem noch überhaupt die sozialen Härten abfedert bzw. es den ärmeren Schichten der Bevölkerung überhaupt ermöglicht an der Gesellschaft teilzunehmen.“ Die Stoßrichtung der Wirtschaftsprogramme des Bürgerblocks ist klar: Nach der Wahl soll der Sozialstaat als Klotz am Bein der Wirtschaft beseitigt werden und die Arbeiterklasse ihrer sozialen Absicherungen beraubt werden ein halbwegs menschenwürdiges Leben zu führen. Sie soll im Schweiße ihres Angesichts nur mehr dem Mantra der Wettbewerbsfähigkeit und der Standortlogik dienen!


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