Das Migrationspapier, das von dem ehemaligen Verteidigungsminister und burgenländischen Landesrat Hans-Peter Doskozil und dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser vorgelegt worden ist, ist ein neuer Höhepunkt der ständigen Versuche, in der SPÖ rassistische Positionen durchzusetzen.

Die Vorstellung, „Schleppern das Handwerk zu legen“, indem man an der Außengrenze, an Flughäfen und in österreichischen Botschaften die Möglichkeit schafft, Asylanträge zu stellen, klingt zwar ganz nett. Wenn man aber gleichzeitig die Rückführung „ausnahmslos“ all jener fordert, „die nicht bereit sind, an ihrer Integration mitzuarbeiten und unsere Wertegesellschaft nicht akzeptieren“, öffnet man noch weiter Tür und Tor für eine völlig willkürliche und wahllose Abschiebepolitik, die schon jetzt zu himmelschreienden Zuständen führt. Man erinnere sich an den Afghanen, der abgeschoben wurde, weil sein Verhalten den zuständigen Beamten nicht schwul genug erschien! Diese Praxis gälte es zu bekämpfen, statt sie auszuweiten.

Damit die Unsicherheit der Herkunftsländer nicht länger als „Ausrede“ durchgeht, um in Europa bleiben zu können, soll sich die SPÖ dem Vorschlag Doskozils und Kaisers zufolge für sogenannte „Charter Cities“ einsetzen, die de facto in der Nähe der Krisengebiete komplett neu zu errichtende EU- oder NATO-Kolonien mit selbstständigem Verwaltungsapparat und selbstständiger Wirtschaft sein sollen, denen ein Modellcharakter für ihre Umgebung zukommen soll. Dort sollen Flüchtlinge leben, lernen und arbeiten können!

Völlig abgesehen davon, dass diese Vorschläge zur Wiedererrichtung eines direkten Militärstiefel-Kolonialismus in der Liste an reaktionären Rülpsern aus der SPÖ einen neuen Höhepunkt ausmachen: Sie zeugen auch von einem völligen Unverständnis über die Gründe von Flucht - es ist ja gerade die systematische Unterdrückung und Ausbeutung der ex-kolonialen Welt durch das Kapital, die Kriege und Elend produziert.

Es zeugt darüber hinaus auch von der völligen Unfähigkeit sich vorzustellen, dass man Neuankömmlingen hier etwas Vernünftiges zu tun geben könnte, ohne dass Einheimische darunter leiden. Wenn dieser Vorschlag sich durchsetzt, ist das eine Kapitulation vor den Regeln des kapitalistischen Arbeitsmarkts und ein Totalversagen der SPÖ als Arbeiterpartei. Wenn der Markt nicht genug Arbeitsplätze für alle Menschen hergeben will, dann muss man ihn eben außer Kraft setzen. Bezeichnend ist, dass der einzige Zwang in dem Vorschlag aber Asylwerber betrifft, nicht das große Kapital: Diejenigen, die partout nicht abgeschoben werden können, sollen mit Hilfe eines „verpflichtenden sozialen Jahres“ Zwangsarbeit verrichten – die Löhne und Arbeitsbedingungen kann man sich bildlich vorstellen, wenn man den Zivildienst ansieht.

Dabei wäre es möglich, den Spieß umzudrehen und die Bank- und Konzernbesitzer zur Kasse zu bitten. Notwendige Mittel dafür wären eine allgemeine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich, die Enteignung von Unternehmern, die Arbeitsplätze abbauen, sowie ein massives staatliches Investitionsprogramm in gesellschaftlich nützliche Arbeiten, wie etwa den Ausbau von Infrastruktur, Wohnungen und öffentlichen Einrichtungen.

Für so eine Politik allerdings wäre es nötig, dass man in Zeiten der schwarz-blauen Regierung endlich zur Kenntnis nimmt, dass die Bürgerlichen in ÖVP, FPÖ, NEOS, WKO und IV keine potentiellen Koalitions- und Gesprächspartner, sondern Gegner der Arbeiterbewegung sind. Diese Erkenntnis hat sich aber auch jenseits des von Doskozil verkörperten Rechtsaußenflügels der SPÖ-Bürokratie in der Parteispitze nicht durchgesetzt. So weist der Parteivorsitzende Christian Kern den Vorwurf, man wolle „grün-linke Fundi-Politik“ machen, weit von sich und traut sich allenfalls unter dem Gesichtspunkt von Unternehmerinteressen zu kritisieren, dass man AsylwerberInnen jetzt den Zugang zur Lehre verbieten will. Die verschiedenen Flügel in der Parteispitze unterscheiden sich vor allem darin, welchen potentiellen bürgerlichen Bündnispartnern man Zugeständnisse macht – ob jetzt der FPÖ, den Neos, vielleicht wieder aufgerichteten Grünen oder einer nachkurzschen, „geläuterten“ ÖVP. Bevor die SPÖ daher selbst in der Opposition eine fortschrittliche Rolle einnehmen könnte, müsste es zu einem klaren Bruch mit dieser Politik der beiden „Koalitionsflügel“ kommen. Das ist nur mit einer innerparteilichen Revolution gegen das gesamte Parteiestablishment denkbar, wie es die Bewegung rund um Jeremy Corbyn in Großbritannien war. Und das wäre dringend notwendig.

Mit jedem Menschen, der ohne Habe und Perspektive in unser Land kommt und Hilfe braucht, wird deutlicher, dass das kapitalistische System ein grundsätzliches Hindernis dafür ist, dass die Menschen – gleich welcher Herkunft – bekommen, was sie zum Leben brauchen. Je deutlicher Verteilungsfragen in den Mittelpunkt der Debatte rücken, desto klarer wird, dass es nichts bringt, darüber zu debattieren, wie man die Krümel, die vom Tisch der Reichen fallen, unter ÖsterreicherInnen und Fremden aufteilen soll. Die einzige Lösung für die Probleme, die die Migration im Kapitalismus erzeugt, ist die Abschaffung des Kapitalismus und die Verteilung von Arbeit und gesellschaftlichem Reichtum nach rationalen Maßstäben. Nach denen wäre mehr als genug für alle da.


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